Vor der Innenministerkonferenz (IMK) haben sich über 300 Organisationen in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie die Ministerpräsidenten der Länder gewandt und gegen Asylverfahren in Drittstaaten ausgesprochen. "Bitte erteilen Sie Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage", fordern die Verfasser in dem am Mittwoch veröffentlichten Brief. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Amnesty International Deutschland, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl.
Die am Mittwoch in Potsdam beginnende IMK wird von Fragen der Migrations- und Asylpolitik bestimmt. Es geht auch um die umstrittene Forderung, Schwerkriminelle und islamistische Gefährder nach Syrien und Afghanistan abschieben zu können. Scholz hatte nach der tödlichen Messerattacke in Mannheim Ende Mai angekündigt, das wieder ermöglichen zu wollen.
Die Verfasser des Briefs argumentieren, Aufnahme und Teilhabe funktioniere, wenn alle an einem Strang zögen. "Pläne, Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, funktionieren hingegen in der Praxis nicht, sind extrem teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar."
Sie führten absehbar zu schweren Menschenrechtsverletzungen wie pauschale Inhaftierung oder dass Menschen in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen menschenunwürdige Behandlung oder Verfolgung drohten, heißt es weiter. Die aktuelle Debatte hat den Verfassern zufolge bereits Auswirkungen. "Bei Geflüchteten lösen solche Vorhaben oft große Angst aus und erhöhen die Gefahr von Selbstverletzungen und Suiziden."
In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten auch die Diakonie, Brot für die Welt und die Evangelische Kirche in Deutschland, von Abschiebungen nach Afghanistan oder Syrien abzusehen.
Die Pläne, Asylverfahren an Drittstaaten auszulagern, "sind unsolidarisch und menschenrechtlich bedenklich", kritisierte die Präsidentin von Brot für die Welt, Dagmar Pruin. "Sich der eigenen Verantwortung für notleidende Menschen zu entziehen, indem man die Aufgabe anderen, ärmeren Staaten aufbürdet, ist unverantwortlich, unrechtmäßig und dazu unrealistisch. Es schafft das Flüchtlingsrecht de facto ab", fügte die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, hinzu. © dpa
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