Die Schuldenbremse ist in der Regierung und unter Ökonomen umstritten. Kritikern zufolge steht sie wichtigen Investitionen in die Zukunft im Weg. Jetzt fordert ein Bündnis aus Gewerkschaften und Verbänden einen Kurswechsel.
Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden hat die Bundesregierung zu einer Kurskorrektur bei der Haushaltsplanung aufgerufen. In einem Schreiben, aus dem das Redaktionsnetzwerk Deutschland am Donnerstag zitierte, äußerten sich die Organisationen "zutiefst besorgt über die von der Bundesregierung eingeleitete Sparpolitik". Das Bündnis dringt mittelfristig auf eine Reform der Schuldenbremse sowie eine andere Steuerpolitik.
Zu den Unterzeichnern gehören neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) der Deutsche Mieterbund, der Paritätische Gesamtverband sowie der AWO Bundesverband.
Regierung gefährde "Erfolg der sozial-ökologischen Transformation"
"Der vom Kabinett beschlossene Haushalt für das kommende Jahr geht mit drastischen sozialen Kürzungen - von Hilfen für Arbeitslose über die Kinder und Jugendhilfe bis zur Unterstützung Geflüchteter - mit Streichungen beim Umweltschutz sowie der Verweigerung erforderlicher Zukunftsinvestitionen einher", kritisieren die Unterzeichner. Damit gefährde die Bundesregierung "den Erfolg der sozial-ökologischen Transformation."
Statt Gesellschaft und Wirtschaft mit einem Konsolidierungskurs zu schwächen, brauche es "eine zukunftsfeste und gerechtere Finanz- und Steuerpolitik", appellierten die Unterzeichner an die Haushaltspolitiker und Fraktionsvorsitzenden der drei Ampel-Parteien sowie der Linken und der Union. "Deshalb müssen kurzfristig alle vorhandenen Spielräume genutzt werden."
Die Schuldenbremse war wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs von 2020 bis 2022 ausgesetzt worden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will sie nun dauerhaft wieder einhalten und den Haushalt konsolidieren. Die FDP beharrt daher auf einem Sparkurs.
Schuldenbremse unter Ökonomen höchst umstritten
Unter Ökonomen ist dieser Kurs höchst umstritten. Der Ökonom Jens Südekum findet, dass die Schuldenbremse ihren Zweck "übererfüllt". Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht das ähnlich. Die Schuldenbremse sei in Wahrheit eine Bremse für Steuersenkungen und Investitionen.
Auch in der Union gibt es deshalb mittlerweile Stimmen, die die Schuldenbremse weiter aussetzen wollen. So forderte Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner: "Wir sollten auch den Ökonomen zuhören, die Kredite nicht per se verteufeln."
Ökonom im Finanzministerium fürchtet "falsches Signal"
Die Ökonomen im Finanzministerium sehen das jedoch anders. Zwar fürchtet man auch dort nicht um die Kreditwürdigkeit Deutschlands, die auch bei einer höheren Schuldenquote gegeben wäre. Lars Feld gilt als enger Berater des Finanzministers. Bei "t-online" erklärt er das Festhalten an der Schuldenbremse wie folgt:
"Es wäre ein falsches Signal an die übrigen EU-Staaten, wenn sich Deutschland vom Ziel begrenzter Schulden verabschiedet. Dann dürfte sich manch einer im Süden des Kontinents bestätigt fühlen und noch leichtfertiger mit dem Geld des Staates umgehen."
Die Koalitionspartner sind von dem Kurs nicht überzeugt und üben immer wieder Kritik. SPD-Chefin Saskia Esken hingegen stieß kürzlich eine Debatte um das erneute Aussetzen der Schuldenbremse an. Auch vom grünen Koalitionspartner kamen Forderungen, die Schuldenbremse im kommenden Jahr erneut auszusetzen. (afp/lko)
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