Verlängerte Haftmöglichkeiten für Abschiebepflichtige und mehr Rechte der Polizei bei Durchsuchungen: Trotz Bedenken aus den Reihen der Grünen hat das Bundeskabinett am Mittwoch verschärfte Regelungen für Abschiebungen gebilligt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte den von ihr vorgelegten Gesetzesentwurf gegen Kritik.

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Das "Bündel restriktiver Maßnahmen" sei nötig, um irreguläre Migration nach Deutschland "deutlich zu begrenzen", sagte Faeser. Schnellere und mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber dienten gleichzeitig dazu, für Menschen, die tatsächlich Schutz in Deutschland brauchten, "genügend Kapazitäten" zu schaffen.

Durch die Pläne soll die Polizei deutlich ausgeweitete Befugnisse zur Durchsetzung von Abschiebungen bekommen. Das gilt einerseits für die Suche nach Dokumenten zur Feststellung der Identität eines Betroffenen, damit sein Heimatland ermittelt werden kann. Andererseits sollen Beamte in Gemeinschaftsunterkünften künftig auch andere Räume als das Zimmer des Abschiebepflichtigen durchsuchen dürfen. Auch die Abholung von Betroffenen zur Nachtzeit soll fortan möglich sein.

Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll darüber hinaus von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. Zudem wird ein eigenständiger Haftgrund bei Verstößen gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote geschaffen und die Möglichkeit der sogenannten Mitwirkungshaft auf Fälle ausgeweitet, bei denen ein Ausländer Angaben zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit unterlässt.

Ziel ist auch eine forcierte Abschiebung von Schleusern. Ausländische Mitglieder krimineller Vereinigungen sollen zudem künftig unabhängig von einer individuellen Verurteilung ausgewiesen werden können.

Die Bundesregierung reagiert mit dem Gesetz auf die deutlich gestiegenen Asylbewerberzahlen in Deutschland und knapp werdende Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in vielen Kommunen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Wochenende angekündigt, es müssten nun "endlich im großen Stil" Menschen ohne Bleibeperspektive abgeschoben werden.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte "rechtsstaatlich fragwürdige Verschärfungen" der Abschieberegeln. Der Gesetzentwurf der Bundesinnenministerin sehe "schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte ohne jede Verhältnismäßigkeit" vor, erklärte die Organisation. Das Vorhaben werde "dem Rechtspopulismus weiter Vorschub leisten" und Kommunen nicht wie behauptet entlasten.

Bedenken an dem Abschiebepaket kommen in der Ampel-Koalition aus den Reihen der Grünen. Mehrere Bundestagsabgeordnete kritisieren teilweise zu weitgehende Grundrechtsbeschränkungen.

"Das Gesetz ist in seiner jetzigen Form möglicherweise nicht mit der Verfassung vereinbar", sagte der Grünen-Parlamentarier Julian Pahlke den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Mittwoch. Die Migrationsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, sieht "unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte auf Freiheit, auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf Privatsphäre der Betroffenen".

Faeser wies zurück, dass es hier bei den Grünen insgesamt Bedenken gebe. Schließlich sei ihr Gesetzentwurf für verbesserte Rückführungen durch das gesamte Kabinett beschlossen worden, sagte sie. "Da sitzen die Grünen ja mit am Tisch." Dies sei "ein gutes Signal" für die Arbeitsfähigkeit der Bundesregierung.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki warnte die Grünen vor einer Blockade des Gesetzentwurfs in den jetzt anstehenden Beratungen im Bundestag. Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Problematik illegaler Migration inzwischen verstanden habe, hätte bei den Grünen noch keiner den Mut gefunden, "diese Wahrheit auch gegenüber den eigenen Parteifreunden in gleicher Weise auszusprechen", sagte er dem "Handelsblatt" vom Mittwoch. "Das kann zum Problem werden, denn die Zeit rennt und wir brauchen schnell Ergebnisse."

Der Bundesvize der SPD-Jugendorganisation Jusos, Philipp Türmer, bezeichnete die Abschiebepläne als Symbolpolitik. "Die Ampel versucht, Handlungsfähigkeit zu zeigen, wird aber nicht liefern können", sagte er dem "Handelsblatt". Denn von mehr als drei Millionen Schutzsuchenden in Deutschland seien nicht einmal 20.000 abgelehnte Asylbewerber ausreisepflichtig.

Der SPD-Innenpolitiker Hakan Demir warnte vor einer zu starken Konzentration auf das Thema Abschiebung. "Wir brauchen auf jeden Fall mehr Balance im Ton und auch in den Gesetzen, die wir jetzt voranbringen müssen", sagte er der ARD. Es sei nötig, auch über andere Aspekte von Migration zu sprechen.   © AFP

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