• Der Bund legt bei den Hilfen für die Flutopfer vor und beschließt ein Sofortprogramm von 200 Millionen Euro.
  • Für den Wiederaufbau steht eine noch viel größere Summe im Raum.
  • Nach den Krisen und Katastrophen der vergangenen Monate will die Bundesregierung zudem künftig mehr vorsorgen - auch wegen der Folgen des Klimawandels.

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Eine Woche nach dem Beginn der Hochwasserkatastrophe vor allem im Westen Deutschlands hat der Bund eine Soforthilfe von zunächst 200 Millionen Euro beschlossen. Mittel in derselben Höhe sollen die betroffenen Länder beisteuern, so dass insgesamt bis zu 400 Millionen Euro bereit stehen.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) machte aber deutlich, dass der Bund bei Bedarf auch mehr Geld zur Verfügung stellen werde. "Wir werden das tun, was erforderlich ist, um jedem so schnell wie möglich zu helfen." Für den Wiederaufbau rechnete er mit einem Milliarden-Finanzbedarf.

"Am Geld wird die Hilfe nicht scheitern", betonte auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). "Die Soforthilfen sind vor allem eine Unterstützung für die Menschen, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben." Die Hilfe solle schnell und beispielsweise ohne "große Einkommens- oder Vermögensüberprüfungen" erfolgen. "Dafür zahlen die Leute ja Steuern, dass ihnen auch in außergewöhnlichen Situationen geholfen wird."

Auch NRW will millionenschweres Soforthilfeprogramm starten

Insgesamt wird die Soforthilfe absehbar erheblich höher ausfallen. Allein die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will an diesem Donnerstag ein Soforthilfeprogramm von ebenfalls 200 Millionen Euro beschließen. Damit wäre die von der Bundesregierung beschlossene Summe bereits aufgebraucht. Scholz betonte: "Wir werden jedes Mal die Hälfte dazu finanzieren. Das wird also in jedem Umfang sein." Dies habe das Kabinett beschlossen.

Außerdem ist ein milliardenschwerer Aufbaufonds geplant. Über dessen genaue Höhe soll erst entschieden werden, wenn das Ausmaß der Schäden besser absehbar ist. Scholz wies aber darauf hin, dass nach der Hochwasserkatastrophe 2013 bis heute für den Wiederaufbau rund sechs Milliarden Euro ausgegeben worden seien. Der Bund werde auch hier die Hälfte davon zur Verfügung stellen.

Mit dem Wiederaufbau könne jetzt sofort begonnen werden. "Das wird milliardenschwer, das wird auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Aber wir sind bereit, das gemeinsam mit den Ländern zu stemmen und voranzubringen. Alle können sich jetzt darauf verlassen."

Wiederaufbauarbeiten ohne Planfeststellungsverfahren

Scholz betonte, dass der Wiederaufbau unbürokratisch geschehen soll. "Wir wollen das ohne neue planrechtliche Regelungen machen. Wenn eine Brücke wiederhergestellt werden muss, wenn ein Haus wieder neu gebaut werden muss, wenn eine Schule wieder neu gebaut werden muss, muss man nicht ein neues Planfeststellungsverfahren auf den Weg bringen."

Seehofer wies darauf hin, dass der Bund für seine Kräfte im Hochwassereinsatz wie Technisches Hilfswerk (THW), Bundespolizei und Bundeswehr den Kommunen keine Rechnung stellen werde. "Das war früher anders. Das ist für die Kommunen eine deutliche Hilfe." Insgesamt gehe es um rund 8000 Helferinnen und Helfer. Der Bund werde zudem den Wiederaufbau von Infrastruktur wie Autobahnen oder Schienen, für die der Bund zuständig sei, selbst bezahlen.

Seehofer und Scholz machten deutlich, dass die Hilfen nicht daran geknüpft sein werden, dass jemand eine Elementarschadenversicherung für sein Haus abgeschlossen hat. "Ich plädiere dafür, nicht zynisch zu sein und nicht herzlos zu sein", sagte Scholz. Erste Priorität müsse die Hilfe haben - "und nicht irgendwelche Prinzipien".

Debatte über "Absicherungssystem der Zukunft"

Laut Seehofer hat das Kabinett aber auch beschlossen, dass eine breite Debatte über ein "Absicherungssystem der Zukunft" geführt werden müsse. Es träten immer heftigere Naturereignisse in immer kürzeren Abständen auf. Scholz zufolge will der Bund mit den Ländern über die Einrichtung eines dauerhaften Hilfsfonds für Folgen des menschengemachten Klimawandels beraten. Dieser führe zu großen Schäden, die über das hinausgingen, was man bisher bei Naturkatastrophen erlebt habe, betonte der Vizekanzler.

Nach Darstellung des Bundesfinanzministers wird auch überlegt, den in der Corona-Krise beschlossenen Härtefallfonds zu erweitern, um von der Flutkatastrophe betroffenen Unternehmen helfen zu können. Der Fonds solle so umgebaut werden, dass er für Flutopfer nutzbar sei. Das sei derzeit in der Diskussion. Der Fonds hat früheren Angaben zufolge ein Volumen von 1,5 Milliarden Euro. Zuvor hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Pauschale von bis zu 10 000 Euro für hochwassergeschädigte Unternehmen vorgeschlagen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht Deutschland mit der ebenfalls am Mittwoch beschlossenen Nationalen Reserve Gesundheitsschutz besser auf künftige Krisen vorbereitet. Die Corona-Pandemie habe Abhängigkeiten schmerzlich vor Augen geführt, sagte der CDU-Politiker in Berlin. "In der Not zu kaufen ist immer teurer", sagte Spahn. Die neue Reserve sei gedacht, um bei Pandemien und bei Katastrophen wie nun im Westen Deutschlands eingesetzt zu werden sowie für den Fall, dass Deutschland Bündnispartnern zur Seite stehen müsse.

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Neue Strategie für den Bevölkerungsschutz

Das Kabinett hat am Mittwoch den ersten Teil einer neuen Strategie für den Bevölkerungsschutz beschlossen. Zunächst soll eine "Nationale Reserve Gesundheitsschutz" aufgebaut werden. Mittelfristig soll aber auch die Vorsorge für Krisen wie Hochwasser und größere Brände verbessert werden. Geplant ist ein gemeinsames Krisenzentrum von Bund und Ländern, in dem auch Hilfsorganisationen mitwirken.

Die Bundesregierung hat als Konsequenz aus der Flutkatastrophe und der Corona-Pandemie erste Schritte einer neuen Vorsorgestrategie beschlossen. Seehofer versprach nach der Sitzung des Bundeskabinetts eine engere Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Katastrophenschutz. Gleichzeitig stellte er in Aussicht, dass die Bevölkerung bei Hochwasser und anderen Gefahren künftig auch per SMS gewarnt werden soll.

Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, habe zur Warnung per Cell Broadcasting bereits im Frühjahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, sagte Seehofer. Schuster gehe davon aus, dass das noch vor der Bundestagswahl erwartete Ergebnis positiv sein werde.

Austausch soll verbessert werden

Beim Cell Broadcasting wird ähnlich wie bei einer SMS eine Nachricht an Handy-Nutzer verschickt - und zwar an alle Empfänger, die sich zu dem Zeitpunkt in der betreffenden Funkzelle aufhalten. Datenschützer halten diese Technologie, die in vielen anderen Staaten bereits genutzt wird, für relativ unbedenklich. Für die Warnung vor akuten Gefahren sei ein Mix aus analogen und digitalen Methoden notwendig, betonte Seehofer. Sirenen alleine seien kein Allheilmittel, denn "es reicht ja nicht aus, nur akustisch zu warnen, die Bevölkerung muss ja auch wissen, was sie tun soll".

Die vom Kabinett nun beschlossene "Nationale Reserve Gesundheitsschutz" soll der erste Teil einer umfassenden Strategie für den Bevölkerungsschutz sein. Mittelfristig soll auch die Vorsorge für Krisen wie Hochwasser und größere Brände verbessert werden. Geplant ist zudem ein gemeinsames Kompetenzzentrum von Bund und Ländern beim BBK, in dem auch die Bundeswehr und Hilfsorganisationen mitwirken.

"Was wir generell noch verbessern können, ist einfach der gegenseitige Austausch", sagte Seehofer. Die Ressourcen des bislang hauptsächlich für den Verteidigungsfall zuständigen BBK sollten in Zukunft auch in Friedenszeiten besser genutzt werden, sagte er. Zusätzlich zur Umsetzung eines dafür bereits im März vorgelegten Konzepts zur Neuausrichtung der Bonner Behörde werde es dafür im Herbst möglicherweise auch "eine kleine Gesetzesänderung" geben müssen.

Es sei zudem sinnvoll zu überlegen, ob es weiterhin so laufen solle, dass jeder Katastrophenschutz-Leiter in seiner Kommune selbst entscheide, wann die Bevölkerung gewarnt werde, oder ob es nicht sinnvoller wäre, dass bei bestimmten Gefahrenstufen automatisch auch die Länderbehörden aktiv werden. Ihm gehe es um einen "Politikwechsel hin zu mehr Vorsorge als Unterstützung für die Länder" und nicht darum, den Ländern Kompetenzen wegzunehmen, betonte Seehofer. Trotz aller bereits geplanten Reformen müsse man ehrlicherweise aber auch sagen: "wir können keinen hundertprozentigen Schutz versprechen". (dpa/mf)  © dpa

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