- Vier Landtage müssen noch über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021 abstimmen.
- Derzeit sieht es so aus, dass einzig Sachsen-Anhalts Landesparlament gegen die Anhebung votieren wird.
- Damit droht nicht nur ein Stopp des Vorhabens, sondern auch der Bruch der Regierungskoalition – mit Folgen weit über das Bundesland hinaus.
Es geht um 86 Cent. Und um die Frage, ob SPD und Grüne in Sachsen-Anhalt mit der CDU weiterarbeiten, wenn sich diese in einer zentralen Entscheidung eine Mehrheit mit der AfD verschafft.
Bei dieser Entscheidung geht es um die bundesweite Anhebung des Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro ab dem 1. Januar 2021. Kein anderer CDU-Landesverband sperrt sich so vehement dagegen wie die Christdemokraten im Magdeburger Landtag. Zwölf Landesparlamente haben bereits abgestimmt und jeweils mit Ja votiert.
Bei der entscheidenden Abstimmung Mitte Dezember im Landtag steuert Sachsen-Anhalt auf ein Veto zu. Damit wäre die Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ganz Deutschland gestoppt, da es in dieser Frage Einstimmigkeit braucht. Es drohen eine Finanzierungslücke und Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Politisch ist die Entscheidung aber vor allem deshalb so brisant, weil die regierende CDU und die Oppositionspartei AfD eine Erhöhung verhindern wollen – beide Parteien hätten im Landtag zusammen eine Mehrheit.
Ein solcher Schritt würde die schwarz-rot-grüne Koalition gleich doppelt spalten:
- Einerseits tragen SPD und Grüne die Erhöhung auf 18,36 Euro mit.
- Andererseits wäre die kaum verhohlene Zusammenarbeit mit der in Teilen rechtsextremen AfD ein Tabubruch, umso mehr bei einem Veto gegen einen Staatsvertrag.
Das wäre vermutlich das Ende der von Anfang an wackeligen Koalition gut ein halbes Jahr vor der nächsten Landtagswahl in dem ostdeutschen Bundesland.
Christdemokratisches Geklüngel mit der AfD
Die CDU-Spitze ist alarmiert. Die Union lehnt bundesweit eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Deren sachsen-anhaltinischer Landesverband steht noch weiter rechts als die Bundespartei: Führende Köpfe sowohl des Vorstands als auch der Fraktion gelten als Anhänger des offiziell aufgelösten "Flügels", der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung beobachtet wird.
Die medienpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Elisabeth Motschmann, warnte die Sachsen-Anhalt-CDU vor dem geplanten Manöver. "Mit der AfD sollte man auf keinen Fall gemeinsame Sache machen", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die Landes-CDU will hingegen in der Beitragserhöhungsfrage keine Zusammenarbeit erkennen. Was könne man schon machen, wenn die AfD das gleiche Ziel verfolge, heißt es. "Die CDU wird nicht umfallen. Wir lassen uns in dieser Frage nicht erpressen. Von niemandem", betonte Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Sven Schulze zuletzt in einem Interview mit der Magdeburger "Volksstimme".
AKK interveniert – ohne Erfolg
Noch-Parteichefin
Wie alle anderen Landeschefs hat Haseloff zwar schon für die Erhöhung gestimmt. Aber auch Sachsen-Anhalts Landtag muss zustimmen. Dabei wird die CDU-Fraktion wohl weder dem Votum noch den Bitten Haseloffs folgen. Die Abgeordneten bleiben standhaft.
Damit droht das schwarz-rot-grüne Regierungsbündnis zu zerbrechen. "Wir gehen davon aus, dass Haseloff ein hohes Interesse hat, die Koalition am Leben zu erhalten", erklärt SPD-Landeschef Andreas Schmidt. Der Ministerpräsident müsse "den Schlamassel aufräumen". Ansonsten droht der SPD zufolge der Bundesrepublik eine Debatte, die mit der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich in Thüringen mit entscheidenden Stimmen aus der AfD zu vergleichen sei.
Unterschiedliche Auslegungen des Koalitionsvertrags
"Der Vorwurf, wir würden uns nicht genügend von der AfD abgrenzen, ist absolut populistisch", sagte der CDU-Abgeordnete Markus bereits im Mai in einem "Tagesspiegel"-Interview. Zudem verwies er darauf, dass die AfD den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich ablehne, die CDU wolle "bloß nicht, dass er immer weiter wächst".
Das ist aber nicht das einzige Gegenargument: Aus Sicht von Kurze ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur zu groß, zu teuer und zu wenig reformbereit – sondern auch zu linkslastig. Ein Vorwurf, den auch die AfD gerne bemüht. Kurze ist zudem nicht irgendein Hinterbänkler. Er ist der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion und seit 2015 Vorsitzender der Versammlung der Landesmedienanstalt Sachsen-Anhalt.
Nicht zuletzt spricht sich die dortige CDU gegen eine Erhöhung der Haupteinnahmequelle für ARD, ZDF und Deutschlandradio aus, weil es so im Koalitionsvertrag zusammen mit SPD und Grüne vereinbart worden sei. Demnach hätten alle drei Parteien festgelegt, dass man für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine "Beitragsstabilität" wolle.
Die Christdemokraten verstehen darunter einen stagnierenden Beitrag, seit Langem fordern sie und auch Haseloff von den öffentlich-rechtlichen Sendern Reformen, mehr Einsparungen und eine stärkere Berücksichtigung Ostdeutschlands.
Die Koalitionspartner berufen sich ebenfalls auf den Koalitionsvertrag. Dieser schließe auch einen Ausgleich für gestiegene Kosten ein, argumentieren etwa Sachsen-Anhalts Grüne. Eine unabhängige Kommission empfahl eine Anhebung des Rundfunkbeitrags, diesem Rat folgten alle 16 Ministerpräsidenten und die meisten Landesparlamente.
Schwarz-rot-grünes Regierungsbündnis droht zu zerbrechen
Die CDU müsse sich entscheiden, "ob sie das Bündnis der Stabilität in der politischen Mitte fortsetzen möchte", erklärt der Grünen-Landesvorstand. "Nicht weniger steht in den nächsten Wochen auf dem Spiel." Die Partei warnt ihren Regierungspartner, das Fundament der Koalition als "Bollwerk gegen rechts" zu zerstören, wenn er gemeinsame Sache mit der AfD mache. Die SPD sendet ähnliche Signale.
Angesichts der angespannten Stimmung will sich nun der Koalitionsausschuss am Dienstag treffen. Ob dabei Haseloff seine eigene Partei oder SPD und Grüne umstimmen kann, wird bereits einen Tag später deutlich: Dann gibt der Medienausschuss im Landtag seine Empfehlung ab, wie das Parlament abstimmen soll. CDU und AfD könnten sich mit einer Mehrheit durchsetzen – und würden damit für Wirbel weit über Sachsen-Anhalts Grenzen hinaus sorgen.
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