- CDU und CSU wollen, dass Internet-Verbindungsdaten sechs Monate lang gespeichert werden.
- Nur so könnten Ermittler pädophile Netzwerke aufdecken und Kindesmissbrauch effektiv bekämpfen, sagt der Bundestagsabgeordnete Alexander Throm.
- Im Interview mit unserer Redaktion weist der innenpolitische Sprecher der Fraktion Kritik an der Idee zurück. Wenn die Bundesregierung nicht entschiedener vorgehe, lasse sie die Opfer im Stich.
Herr Throm, unternimmt der Staat genug gegen Kinderpornografie im Internet?
Alexander Throm: Es wird viel unternommen. Wir haben in der unionsgeführten Vorgängerregierung beispielsweise die Strafvorschriften deutlich verschärft. Aber die Kriminalstatistik mit der sehr großen Zunahme an kinderpornografischen Materialien im Netz zeigt: Hier muss noch mehr getan werden. Wir brauchen zusätzliche Maßnahmen von Staat und Sicherheitsbehörden.
Welche zum Beispiel?
Die Strafverfolgungsbehörden brauchen bei einem konkreten Verdacht auf Kindesmissbrauch die Möglichkeit, auf IP-Adressen zurückzugreifen, über die der Täter kinderpornografisches Material hochgeladen oder ausgetauscht hat. Diese IP-Adressen müssen bis zu sechs Monate rückwirkend gespeichert werden. Mit einem richterlichen Beschluss muss es möglich sein, dass die Ermittler anhand dieser digitalen Spur den Täter ermitteln können. Es geht nur um die Verbindungsdaten, nicht um die Inhalte. Nur so können pädophile Netzwerke aufgedeckt und die Täter dingfest gemacht werden.
Was würde das konkret bedeuten? Die Provider speichern jede Bewegung ihrer Kunden im Internet? Auch die Hotelbuchung oder die Suche nach einem Arzt?
Gespeichert würden nur die Verbindungsdaten, also wer wann unter welcher IP-Adresse im Netz unterwegs war. Diese Daten würden dann bis zu sechs Monate bei den Providern liegen und wären dort sicher. Ein staatlicher Zugriff wäre nur möglich, wenn aufgrund eines konkreten Tatverdachtes zum Beispiel über eine bestimmte IP-Adresse kinderpornografisches Material hochgeladen wurde und ein Richter den Zugriff auf die Verbindungsdaten zulässt.
CDU und CSU haben diese anlasslose Speicherung von IP-Adressen gerade im Bundestag beantragt. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP verfolgt aber ein anderes Modell: Erst wenn es einen Verdacht gegen eine Person gibt, dürfen Daten gespeichert werden – und nicht schon vorab bei allen.
Das ist das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Meist ist es dann aber schon zu spät. Die Verbindungsdaten können nicht mehr eingefroren werden, weil sie schon längst gelöscht sind. Nach Ansicht der Fachleute bei den Staatsanwaltschaften und der Kriminalbeamten, die sich mit der Bekämpfung von Kindesmissbrauch beschäftigen, reicht das Quick-Freeze-Verfahren nicht, um pädophile Netzwerke zu ermitteln. Es ist schlichtweg ein untaugliches Mittel. Die Ampel lässt damit die Opfer im Stich. Viel Leid könnte verhindert werden.
Der Deutsche Kinderschutzbund ist anderer Meinung: Auch er fordert eine Speicherung von Verbindungsdaten – aber ebenfalls nur bei Menschen, gegen die es bereits einen Verdacht gibt.
Einen Anfangsverdacht bräuchte man ja auch bei unserem Vorschlag, um die vorhandenen Daten auslesen zu können. Ich erkenne keinen Widerspruch. Wir wollen wie der Kinderschutzbund, dass es möglich ist, auch Verbindungsdaten der vergangenen Monate zu ermitteln. Nur wenn man weiß, wer mit wem kommuniziert hat, kann man Netzwerke aufdecken und bestenfalls zerschlagen.
Alexander Throm: "Die Unionsfraktion wird bei dem Thema nicht nachlassen"
Stünde der massive Eingriff in die Privatsphäre der Menschen wirklich im Verhältnis zu den möglichen Ermittlungserfolgen?
Der Europäische Gerichtshof ist nicht gerade bekannt dafür, in Datenschutzfragen lax zu entscheiden. Aber auch er lässt diese Möglichkeit ausdrücklich zu. Er sagt gerade, dass bei den IP-Adressen kein so starker Grundrechtseingriff stattfindet. Man muss das abwägen mit dem großen Leid, das den Opfern durch Kindesmissbrauch und Kinderpornografie entsteht. Beim letzten Fall in Wermelskirchen war ein Säugling unter den Opfern. Vor diesem Hintergrund halte ich es für mehr als angemessen, dass wir den Kriminalbeamten und den Staatsanwaltschaften die Möglichkeit geben, so effektiv wie möglich vorzugehen.
Für viel Aufsehen hat vor einigen Jahren auch der schreckliche Fall von Lügde gesorgt. Dort wurden Ermittlungen verschleppt, weil Beamte Hinweisen nicht nachgingen oder sogar Beweismaterialien verschwanden. Dagegen hilft keine Speicherung von IP-Adressen.
Das kann aber keine Ausrede dafür sein, dass wir engagierten Ermittlern für diese schwere und belastende Arbeit nicht alle Möglichkeiten an die Hand geben, um Kinder zu schützen und Täter zu ermitteln. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat nach einem Besuch beim Bundeskriminalamt Ende Mai erkannt, dass es zwingend notwendig ist, IP-Adressen auch rückwirkend auswerten zu können.
Im Bundestag haben SPD, Grüne und FDP den Antrag der CDU/CSU-Fraktion aber gerade abgelehnt. Ist das Thema damit für Sie vom Tisch?
Nein, leider bleibt das ein Dauerthema. Die Unionsfraktion wird nicht nachlassen, bis wir zum Schutz unserer Kinder bestmögliche Ermittlungsmöglichkeiten für die Kriminalbeamten haben – und bis die Ampel-Fraktionen zur gleichen Erkenntnis kommt wie ihre eigene Innenministerin.
Liegt das Problem nicht eher beim mangelnden Personal? Es braucht doch zunächst genügend Beamtinnen und Beamte, um schon die vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten effektiv zu nutzen.
Wir hatten in diesem Bereich in den letzten Jahren einen deutlichen Personalaufwuchs. Und selbstverständlich ist auch die Ampel-Koalition in der Pflicht, im nächsten Haushalt nachzulegen. Noch so viel Personal könnte der schier ungeheuren Datenflut im Internet aber nicht Herr werden. Ganz wichtig finde ich daher, dass wir Beamtinnen und Beamten auch Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz geben, um die Auswertung von riesigen Datenmengen zu meistern.
Für Aufsehen hat vor einiger Zeit auch ein Plan der EU-Kommission gesorgt: Internetkonzerne wie Google und Facebook sollen mithilfe von spezieller Software auch private Nachrichten nach verdächtigen Texten, Fotos oder Videos durchsuchen. Was halten Sie von dem Vorschlag?
Das muss man sich sehr genau technisch und rechtlich ansehen. Der Vorschlag geht jedenfalls in die richtige Richtung. Wir erlauben Internetanbietern zum Beispiel auch E-Mails nach bestimmten Kriterien wie Absender, IP-Adresse oder bestimmten Schlagwörtern auf Spam hin zu untersuchen und herauszufiltern. Warum sollen also nicht auch kinderpornografische Bilder im Internet herausgefiltert werden dürfen?
Die Resonanz war zum Teil verheerend. Ein Experte der Johns Hopkins Universität sagte, die EU schaffe damit das "ausgefeilteste System der Massenüberwachung außerhalb Chinas".
Soweit ich es erkennen kann, geht es darum, bereits vorhandene und zirkulierende Bilder zu markieren. Wenn diese Markierungen dann in privater Kommunikation auftauchen, sind Google und andere Unternehmen verpflichtet, das zu melden. Das halte ich im Grundsatz für richtig. Ich sage nochmal: Der Kampf gegen Kinderpornographie und Kindesmissbrauch ist eine der wichtigsten Aufgaben zum Schutz unserer Kinder. Datenschutz darf kein Täterschutz sein.
"Es kann zu Angriffen auf kritische Infrastruktur kommen"
Das Internet wird nicht nur von Pädo-Kriminellen für ihre Zwecke genutzt. Es kann auch zum Schauplatz eines Cyber-Krieges werden – zum Beispiel mit Russland. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schätzt die Bedrohungslage für deutsche Unternehmen als hoch ein. Was genau müssen sie befürchten?
Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine haben wir auch eine höhere Gefährdungslage im Cyberbereich. Es kann zu Angriffen auf die kritische Infrastruktur kommen. Das können sowohl staatliche Stellen als auch privatwirtschaftliche Unternehmen sein. Wir müssen in diesem Bereich wachsamer sein.
Ist Deutschland ausreichend für einen Cyber-Krieg gerüstet?
Nein, da müssen wir nachlegen. Wir haben das BSI bereits mit zusätzlichen 700 Stellen ausgestattet, aber das reicht noch nicht. Wir müssen auch die länderübergreifende Zusammenarbeit verbessern. Momentan liegt die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr im Cyberraum bei den Bundesländern. Cyber-Angriffe finden aber meist länderübergreifend statt und haben eine internationale Dimension. Wir müssen die Kompetenzen im Kampf gegen Cyberangriffe bündeln.
Auch bei der Cyber-Sicherheit mangelt es an Personal. Der Branchenverband Bitkom hat Anfang des Jahres mitgeteilt, dass es 96.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte gibt. Die Unionsparteien haben sich in der Vergangenheit aber häufig dagegen gesperrt, Fachkräfte aus dem Ausland zu holen.
Nicht in diesem Fall. Wir haben im Fachkräfte-Einwanderungsgesetz bereits 2019 eine Sonderregelung für IT-Fachkräfte geschaffen. Sie können unbürokratisch nach Deutschland kommen. Sie müssen zum Beispiel nicht zwingend einen Berufsabschluss oder ein Studium nachweisen. Es genügen praktische Erfahrungen, um als IT-Fachkraft einzureisen und zu arbeiten.
An anderer Stelle sperrt sich die Union aber gegen Arbeitskräfte aus dem Ausland: nämlich beim dringend benötigen Personal an Flughäfen.
Das ist eine ganz andere Thematik. Die Bundesregierung will Arbeitskräfte aus dem Ausland holen, weil sie offensichtlich in der Zeit davor geschlafen und nicht dafür gesorgt hat, dass es ausreichend Personal an den Flughäfen gibt. Sie jetzt aus dem Ausland zu holen, halten wir nicht für einen tauglichen Weg. Das geht nicht so schnell, wie nötig. Außerdem darf die Sicherheit nicht vernachlässigt werden.
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