- Im Saarland verzichten Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier auf ihre Bundestagsmandate. Damit machen sie den Weg frei für die jüngeren CDU-Mitglieder Nadine Schön und Markus Uhl.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht die Digitalisierungsexpertin Schön über den Führungswechsel bei der CDU und die Lehren aus der Wahlniederlage: "Wir müssen Politik stärker mit unseren Werten erklären."
Frau Schön, Sie hatten Ihre Politik-Karriere schon für beendet erklärt. Jetzt sind Sie doch wieder in den Bundestag eingezogen. Wie geht es Ihnen?
In der Tat hatte ich mich darauf eingestellt, künftig ehrenamtlich Politik zu machen. Ein Wechsel auf eine andere politische Ebene kam für mich nicht infrage. Nun kann ich doch das Mandat annehmen, für das ich kandidiert habe. Für meine Familie und mich bedeutet das jetzt: Umdenken und Umplanen. Auch wenn die letzten Wochen in Wechselbad der Gefühle waren, freue ich mich auf die Herausforderungen der nächsten vier Jahre.
In der CDU soll es nach dem schlechten Ergebnis der Bundestagswahl einen Generationenwechsel geben. Ihr saarländischer Ministerpräsident Tobias Hans spricht von einem "neuen Sound", den die CDU braucht. Wie muss der klingen?
Wir müssen deutlicher machen, wofür wir stehen. Es ist uns nicht gelungen, uns abzugrenzen von den anderen Parteien. Es ist auch nicht ausreichend gelungen, unsere eigenen Konzepte für die Zukunft zu artikulieren. Wir haben drei Wochen vor der Wahl ein ganz tolles Klimapapier verabschiedet. Das wurde in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Ich selbst habe das Thema Staatsmodernisierung zusammen mit vielen anderen bis in die Tiefe mit vielen Vorschlägen durchgearbeitet. Auch da ist es uns nicht gelungen, klarzumachen, dass wir die Partei sind, die den Staat reformieren will. Wir müssen deutlicher werden. Dafür haben wir jetzt vier Jahre Zeit.
In der Zwischenzeit könnte es sein, dass eine Ampel-Koalition Ihnen Ihr Thema wegschnappt und sich um die Staatsmodernisierung kümmert.
Ich würde mich freuen, wenn sie das Thema anpacken. In den Wahlprogrammen standen die Stichworte drin, aber in der Detailtiefe wie bei uns sehe ich das bei keiner der beteiligten Fraktionen. Gerade die SPD tut sich da mit Reformen schwer.
Was meinen Sie damit?
Es war schon schwierig, mit der SPD zusammen die Regelung zu verlängern, dass Betriebsräte auch nach der Coronakrise digital tagen dürfen. Es bleibt bei der Staatsmodernisierung oft bei warmen Worten. Auch bei der Modernisierung der Einwohnermelderegister gab es von SPD, Grünen und FDP Gegenwehr im Bundestag. Ohne die Modernisierung der Register kann man die Verwaltung aber nicht modernisieren und digitalisieren.
Schön: "Wir müssen unsere Politik stärker mit Werten erklären"
Sie sagen, die CDU habe sich nicht genug abgegrenzt. Heißt das im Umkehrschluss: Sie muss wieder konservativer werden?
Das heißt es nicht zwingend. Konservativ muss man ausbuchstabieren: Was heißt konservativ im Jahr 2021? Sicher nicht das Gleiche wie im Jahr 2000 oder 1980.
Und was heißt es im Jahr 2021?
Wir müssen Politik stärker mit unseren Werten erklären. Grundlage unserer Politik ist die christliche Soziallehre mit Grundsätzen, die heute noch aktuell sind. Personalität zum Beispiel bedeutet, dass wir jedem Menschen etwas zutrauen. Subsidiarität bedeutet, dass nicht alles von der großen Ebene im Bund geregelt werden muss. Man muss auch der Selbstorganisation auf den unteren Ebene Geltung verschaffen. Ich glaube, dass es kein Modell für die Zukunft ist, alles bis ins Detail auf der Bundesebene vorzuschreiben. Das sind sehr moderne Ansätze in einer sich sehr schnell wandelnden Zeit.
"Ich denke, die Partei kann es verkraften, jetzt von einem Mann geführt zu werden"
Wer wäre die richtige Person an der Spitze, um einen Neuanfang umzusetzen?
Es gibt ja noch keine offiziellen Bewerber für den Parteivorsitz. Wir müssen auch die inhaltliche Debatte führen. Wir müssen dabei die Partei in der Breite besser einbinden. Konzepte für die Zukunft müssen wir mit unseren Mitgliedern zusammen entwickeln, die ja selbst auch ganz viele Ideen und viel Erfahrung mitbringen. Das muss verknüpft sein mit einem guten Personalangebot.
Und wie sähe das aus?
Für den Vorsitz wünsche ich mir jemanden, der optimistisch in die Zukunft blickt und konkrete Vorstellungen hat, wo unser Land und wo Europa in zehn Jahren stehen sollen. Er muss die Partei in der Breite mitnehmen und nicht nur für einen Flügel stehen.
Wenn Sie die Basis stärker einbinden wollen, sind Sie bestimmt auch dafür, dass der neue Vorsitzende per Mitgliederbefragung und nicht von einem Parteitag gekürt wird.
Ich finde es wahnsinnig wichtig, dass wir unsere Mitglieder stärker einbeziehen. Aber ich würde das nicht verkürzen auf die Frage des Parteivorsitzes. Ein Mitgliederentscheid wäre dafür nicht unbedingt nötig. Ich traue es Delegierten eines Parteitags zu, dass sie sich mit der Basis auseinandersetzen und stärker in sie hineinhören. Für die inhaltliche Arbeit der nächsten Monate und Jahre brauchen wir dagegen neue Strukturen, um die Mitglieder einzubinden.
Für den Parteivorsitz kursieren bereits mehrere Namen von Kandidaten – bisher nur Männer. Stört Sie das?
Wir hatten viele Jahre eine Parteivorsitzende. Ich denke, die Partei kann es verkraften, jetzt von einem Mann geführt zu werden. Natürlich freue ich mich immer, wenn Frauen ihren Hut in den Ring werfen. Viel wichtiger ist aber, dass der neue Vorsitzende das Thema Vielfalt in der Partei vorantreibt. Das kann ein Mann genauso gut wie eine Frau.
Sie gelten selbst als große Nachwuchshoffnung der CDU. Wie werden Sie sich in die personelle Erneuerung einbringen?
Ich war bisher stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende des Netzwerks Digitalisierung der Partei. Das sind Funktionen, in denen ich viel gestalten kann. Die Themen Staatsmodernisierung, Digitalisierung, Neustaat (Name eines Positionspapiers der CDU/CSU-Fraktion, Anmerkung der Redaktion) würde ich gerne weiter an dieser Stelle vorantreiben.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.