- China strebt den Status einer "High-Tech-Supermacht" an, tritt außenpolitisch immer aggressiver auf.
- In der Region entstehen neue strategische Bündnisse gegen Chinas Vorherrschaft.
- Eine Expertin sagt: Wichtiger wäre es, das Land verstärkt international einzubinden.
China drängt wirtschaftlich, technisch und militärisch an die Weltspitze. Der Aufstieg der Volksrepublik ist wegen der eng verflochtenen Weltwirtschaft schwer zu bremsen. Trotzdem entstehen Allianzen gegen die Machtansprüche des Riesenreiches.
Wer verbündet sich gegen China?
Als "Five Eyes" wird die Zusammenarbeit der Geheimdienste von USA, England, Kanada, Neuseeland und Australien blumig bezeichnet. Neuerdings aber ist auch von den "Six Eyes" die Rede, weil Japan sich dem Verbund angeschlossen hat. Die "Sechs Augen" könnten zu einem wichtigen Pfeiler der "indopazifischen Sicherheit" werden, meint das "Journal für Internationale Politik und Gesellschaft."
Darüber hinaus gibt es den Zusammenschluss der so genannten "Quad"-Länder. Die USA, Australien, Japan und Indien vertiefen derzeit ihre strategische Zusammenarbeit. Indien steht wegen des anhaltenden chinesischen Drucks unter Zugzwang: Neben Streitigkeiten über den genauen Grenzverlauf zwischen beiden Ländern erhebt China auch Anspruch auf fast den kompletten Bundesstaat Arunachal Pradesh. Deshalb hat Indien Abkommen über logistische Unterstützung mit Australien und den USA geschlossen. Ein Vertrag mit Japan soll folgen.
Die Quad-Länder verstärken auch ihre militärische Zusammenarbeit. An der Marineübung "Malabar" nahm im vergangenen November neben den USA, Indien und Japan auch Australien teil – zum ersten Mal seit 13 Jahren übten die vier Quad-Staaten gemeinsam für das Ziel, einen freien Indopazifik zu erhalten.
Weshalb verbünden sich Chinas Nachbarn?
Auch Chinas aggressives Verhalten gegen Indien führt die China-Expertin Saskia Hieber als Grund für die wachsende Bereitschaft an, dem Land verstärkt entgegenzutreten. China sucht Zugang zum Indischen Ozean, Indien, Pakistan und Myanmar liegen dazwischen – auf alle drei Länder übt China Druck aus.
Wichtigste Ursache für wachsendes Misstrauen gegenüber China ist für Hieber aber die Neuorientierung des Landes: Seit Xi Jinping im Jahr 2012 Regierungschef wurde, strebe er ein "komplett neues China" an, sagt die Expertin. Xi wolle sein Land zur "High-Tech-Supermacht" machen.
Ehrgeizige Projekte im Weltraum, bei der militärischen Aufrüstung und im Digital-Sektor sollen Xis Pläne stützen, auch ambitionierte Infrastrukturprojekte auf der ganzen Welt gehören dazu. Etwa der Ausbau der "neuen Seidenstraße" mithilfe chinesischer Milliarden-Investitionen oder das massive chinesische Engagement in Afrika.
Es sei offenkundig, so Hieber, dass China Entwicklungsländer "ausbeute". Doch weil das Land enorme Summen investiere, Kredite chinesischer Banken zu chinesischen Konditionen anbiete und gleichzeitig nicht auf demokratische Standards poche, könne es sich trotzdem durchsetzen.
Was hat Joe Biden vor?
Auf Verhandlungsbereitschaft hofft auch die Expertin Hieber. Bidens Aufruf zu einer gemeinsamen China-Politik des Westens sieht sie als Chance für Europa, ebenfalls aktiv zu werden.
Welche Rolle spielt Europa…
Eine Entkoppelung Chinas von der europäischen Wirtschaft sei nicht erstrebenswert, schrieb Ex-Vizekanzler
Noch stärker als Deutschland wären von einem "Decoupling" Länder betroffen, die von der Auto-Zulieferindustrie abhängig sind – zum Beispiel Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei. Das schränkt Europas Möglichkeiten ein, China ernsthaft entgegenzutreten.
… und welche Deutschland?
Was Gabriel über Europa sagt, wiederholt China-Expertin Hieber für Deutschland: Die deutsche Autoindustrie habe in den vergangenen Jahren in China "unfassbar viel Geld verdient", sagt sie. Das Rezept könne nicht lauten, China zu isolieren – im Gegenteil müsse das Land "eingebunden werden".
Sind die internationalen Anti-China-Allianzen erfolgversprechend?
Nein, sagt Saskia Hieber. Zusammenschlüsse in Allianzen bedeuten in ihren Augen einen "Rückzug von der internationalen Bühne". Auch Sigmar Gabriel warnt vor "rückwärtsgewandten Schlachtrufen" und plädiert – ganz wie Joe Biden – für eine "abgestimmte Politik der demokratischen Industriestaaten gegenüber China".
"Wir brauchen China bei allen wichtigen Themen", sagt Hieber und zählt auf: Umwelt und Klima, Wirtschaft und Handel, alternative Energien und Emissionsreduzierung. Und nicht zu vergessen: Rüstungskontrolle.
Während es Xis Ziel sei, "die internationale Ordnung stärker auf China zuzuschneiden", müsse die Staatengemeinschaft daran arbeiten, das Land in Verträge einzubinden und es auf die Einhaltung internationaler Gepflogenheiten zu verpflichten. "Man kann China nicht eindämmen", sagt die Wissenschaftlerin, aber man könne es "einhegen". Allenfalls seien die internationalen Allianzen nützlich, um Druck in diese Richtung aufzubauen.
Vor allem aber müsse es darum gehen, nicht gegen China zu agieren, sondern das Land mit ins Boot zu holen. China solle "nicht unterschreiben, was wir uns ausdenken, sondern international mitgestalten", sagt die Expertin. Erst dann könne auch die letzte Frage beantwortet werden:
Wird China sich bewegen?
Die Hoffnung darauf sei durchaus realistisch, meint Saskia Hieber. Denn, bei aller Abhängigkeit des Westens von der chinesischen Wirtschaft: Auch China selbst sei davon abhängig, dass der Welthandel und die Systeme internationaler Zusammenarbeit weiterhin funktionieren.
Verwendete Quellen:
- SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen: Der Schiedsspruch zum Südchinesischen Meer und die Reaktionen Beijings.
- SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen: The end of a military-industrial triangle: arms-industrial co-operation between China, Russia and Ukraine after the Crimea crisis.
- Journal für Internationale Politik und Gesellschaft (IPG): "Neue Allianzen im indo-pazifischen Raum".
- Handelsblatt: "Sigmar Gabriel: China: 'Die Industriestaaten müssen eine Strategie entwickeln.'"
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