Die Lage in Hongkong spitzt sich zu. Die Protestbewegung rief bereits das chinesische Militär auf den Plan. Nun geht in China die Angst vor einem zweiten "Tiananmen-Massaker" um, einer blutigen Niederschlagung der Demonstranten. Die Folgen für das Land wären verheerend.
Die verschärfte Rhetorik Pekings gegenüber der Protestbewegung in Hongkong und die demonstrative Einsatzbereitschaft des chinesischen Militärs haben in der chinesischen Sonderverwaltungszone Ängste vor einer blutigen Niederschlagung der Demonstrationen geschürt.
Doch ein neues "Tiananmen" birgt nach Ansicht von Experten enorme wirtschaftliche und politische Gefahren für die kommunistische Zentralregierung.
"Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um": Die unverhohlene Drohung des chinesischen Staatsrats vor mehr als einer Woche läutete einen neuen Tonfall Pekings gegenüber der Protestbewegung ein.
Mit Blick auf die teils gewalttätigen Proteste am Hongkonger Flughafen am Montag und Dienstag sprach die Regierung in Peking sogar von "terrorartigen Aktivitäten".
Militärfahrzeuge nach Shenzhen geschickt
Die Volksbefreiungsarmee schickte derweil Militärfahrzeuge zu "großangelegten Übungen" in die an der Grenze zu Hongkong gelegene Stadt Shenzhen. Zuvor hatte die chinesische Armee ein Video aus ihrer Hongkonger Garnison veröffentlicht, auf dem eine Übung zu sehen war, in der bewaffnete Soldaten gegen Demonstranten vorgingen.
Doch Experten sehen in den Drohgebärden Pekings vor allem eine Taktik der Einschüchterung - ein Militäreinsatz in der Sonderverwaltungszone hätte demnach einen sehr hohen politischen und wirtschaftlichen Preis.
Für Peking sei die Drohung mit einem Militäreinsatz ein Mittel, "um die Demonstranten abzuschrecken", sagte der Experte Ben Bland vom Lowy-Institut in Sydney. Aus seiner Sicht sind die Risiken einer militärischen Intervention sowie der Ansehensverlust und die Gefahr einer wirtschaftlichen Stagnation infolge eines solchen Einsatzes für Peking beträchtlich.
Brutale Niederschlagung der Proteste würde Beziehung zu Taiwan belasten
Die brutale Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking 1989 mit mehr als tausend Toten hatten China in eine wirtschaftliche Krise gestürzt und internationales Ansehen gekostet.
Die Stabilität der wichtigen Finanzmetropole Hongkong ist zudem auch für die Wirtschaft in Festland-China von großer Bedeutung. Bilder von chinesischen Panzern in der ehemaligen britischen Kolonie, deren Rückgabe an China 1997 mit der für 50 Jahre geltenden Garantie grundlegender Freiheiten durch Peking verbunden war, würden weltweit Schlagzeilen machen. Und wohl auch die Aussichten auf eine Wiedereingliederung der demokratisch regierten Insel Taiwan in die Volksrepublik mindern.
Hat China aus den Tiananmen-Ereignissen gelernt?
Doch China hat aus den Tiananmen-Ereignissen gelernt, wie der Experte Wu Qiang betonte. In den vergangenen drei Jahrzehnten habe Peking immer wieder an Austausch-Programmen mit europäischen und US-Polizeitruppen teilgenommen, sagte der ehemalige Politikdozent an der Tsinghua-Universität in Peking.
Dabei sei es teilweise auch darum gegangen, wie politischen Unruhen und friedlichen Protesten begegnet werden könne.
Ob Peking auch in der Lage sei, diese Methoden anzuwenden, sei eine andere Frage, sagte Wu: "Die chinesische Regierung hat keine Erfahrung mit Einsätzen gegen Proteste in einer freien Gesellschaft - sie befindet sich noch in einer Lernphase."
Mit den Militärübungen will Peking aus Wus Sicht auch ein Übergreifen der "Situation in Hongkong auf Festland-China" verhindern.
Hongkong: Sinologe hält verdecktes Vorgehen der chinesischen Truppen für möglich
Wegen der Risiken eines Militäreinsatzes hält der Hongkonger Sinologe Willy Lam ein verdecktes Vorgehen chinesischer Truppen in der Sonderverwaltungszone für möglich. Anstelle eines offenen Einmarsches chinesischer Soldaten könnte Peking Einheiten schicken, "die die Uniform der Hongkonger Polizei tragen", sagte Lam.
Gerüchte, wonach bereits jetzt verdeckte chinesische Einsatzkräfte die Truppen in Hongkong verstärken, hatte die Hongkonger Polizei am Montag vehement zurückgewiesen. Am Dienstag hielten Aktivisten im Hongkonger Flughafen vorübergehend einen chinesischen Mann fest, den sie für einen verdeckt ermittelnden Polizisten hielten.
Nach chinesischen Angaben soll es sich bei ihm um einen Besucher aus Shenzhen gehandelt haben. Zudem wurde dort ein Mann verprügelt, dem Demonstranten vorwarfen, ein "Spion" zu sein. Die chinesische Zeitung "Global Times" gab an, der Mann sei einer ihrer Reporter gewesen. (msc/afp)
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