Wenn Christian Lindner eines nicht ist, dann um Worte verlegen. Dementsprechend angriffslustig zeigte er sich im ZDF-Sommerinterview mit Thomas Walde. Dem Journalisten gelang es, dem FDP-Chef Aussagen zu entlocken, welche die Liberalen in ungewohntem Licht erscheinen lassen.
Nicht nur "räumlich werde es hoch hergehen", hatte
Nun kann man natürlich darüber streiten, was genau "herzhaft" ist, aber in der Tat zeigten sich sowohl Christian Lindner als auch Thomas Walde streitlustig, im besten Sinne des Wortes.
Darüber wurde im Sommerinterview gesprochen:
Es war ein breites, aber nicht allzu breites Spektrum, über das Thomas Walde mit Christian Lindner über den Dächern von Düsseldorf sprach. Nach einem kurzen Plausch über den Jagdschein, den Lindner vor kurzem erworben hatte, ging es gleich in die Vollen.
Migration
Zunächst wurde der Fall des aus Sicht des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichts zu Unrecht abgeschobenen Sami A. besprochen. Walde wollte wissen, wie die FDP als "Rechtsstaat-Partei" dazu stehe.
Christian Lindner geht davon aus, dass hier "nach rechtsstaatlichen Maßstäben alles ordentlich gelaufen sei". Er vertraue hier dem zuständigen NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP), der alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft habe, "damit wir endlich diesen Bin-Laden-Leibwächter loswerden". Zum Abschiebezeitpunkt habe die gerichtliche Entscheidung aber den Behörden nicht vorgelegen.
Populismus
An diesem Punkt schlug Thomas Walde die Brücke zur Frage, ob man Populismus nicht am besten bekämpfe, indem man die "Fahne des Rechtsstaates umso höher hängt, statt Populisten nachzulaufen."
Die Unterstellung, dass das hier nicht der Fall gewesen sei, weist Lindner zurück, legt stattdessen die Leitlinien der FDP in puncto Asylpolitik dar: europäische Lösung der Migrationsfrage, Kontrolle der Außengrenze, keine Grenzkontrollen innerhalb Europas, europäisches Asylsystem und bis dahin Anwendung der alten Dublin-Regeln an der Grenze, "also Zurückweisung". "Weil wir keine besseren Regeln haben", sagt Lindner.
Europa
Thomas Walde knüpfte beim Stichwort Europa an und fragte Lindner Standpunkt zu den Plänen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ab. Der will den Populisten in der EU durch soziale und steuerliche Annäherung der Mitgliedsstaaten das Wasser abgraben.
Mit einer gemeinsamen europäischen Arbeitslosenversicherung, einem Eurozonenbudget und EU-weiten Mindestlöhnen, wie Macron vorschlägt, bekämpfe man keinen Populismus, erklärte Lindner: "Der Populismus in Deutschland ist entstanden durch die Migrationsfrage. Deshalb lösen wir diese Migrationsfrage am liebsten europäisch."
Sozialpolitik
Damit waren die Beiden bei der Sozialpolitik angelangt. Nicht nur Menschen in prekären Lebenslagen seien anfällig für Populisten, betonte Lindner, sondern auch Menschen aus der Mittelschicht: "Die Migrationsfrage hat die AfD groß gemacht, nicht soziale Verwerfungen", so Lindner.
Nichtsdestoweniger wolle die FDP soziale Verwerfungen ausbügeln. Ihre Rezepte: eine starke Wirtschaft, Abschaffung des Solis und "ein Bildungssystem, das funktioniert".
"Der wichtigste Punkt für uns ist Bildung. Die Erstausbildung und das lebenslange Lernen", sagte Lindner. Menschen hätten vor allem als Fachkräfte Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz.
Statt des von Walde ins Spiel gebrachten "Marktradikalismus'", wolle die FDP den Erhalt von Sozialstandards und Regeln gegen Sozialdumping und das Recht des Stärkeren. Der technologische Fortschritt müsse auch zu einem sozialen Fortschritt werden, erklärte der FDP-Chef.
So wurde diskutiert:
Ja, herzhaft trifft den Diskussionsstil in der Tat ganz gut, den Walde, aber vor allem Christian Lindner pflegten. Da verwundert es nicht, dass Interviewer Walde vor der Ausstrahlung auf Twitter geschrieben hatte, Lindners häufigster Satz sei gewesen: "Herr Walde, Sie zeichnen ein Zerrbild von der FDP."
In der ausgestrahlten Fassung fiel das Wort "Zerrbild" zwar nur einmal, doch auch der Zuschauer erlebte Lindner im Angriffsmodus: "Wir müssen schon seriös bleiben", "Wieder muss man präzise sein, Herr Walde", "Herr Walde, was für eine Überspitzung", "Herr Walde, eine völlig unseriöse Frage, die sie da stellen". Nicht selten leitete Lindner seine Antworten auf die zuweilen grob gehauenen, aber nicht falschen Fragen Waldes mit solchen Sätzen ein.
Walde indes war nicht weniger streitlustig und hakte nach, wenn sein Interviewpartner auswich. Als Lindner beispielsweise die Vorschläge Macrons anders interpretieren wollte, konterte Walde geschickt: "Die Punkte, die ich eben genannt habe, waren keine Interpretation, sondern Macron schlägt die konkret vor."
Fazit:
Es war, zumindest was Lebendigkeit und Intensität anbelangt, ein Sommerinterview der besseren Sorte, was nicht zuletzt an Thomas Walde lag. Ob gewollt oder nicht: Durch seien konfrontativen Stil provozierte er Lindner und entlockte ihm handfeste Aussagen.
Linder präsentierte die FDP als Partei für bessere Bildung und mehr Solidarität - ein Bild, das wegen der Asyl-Monothematisierung der vergangenen Monate bislang wenig präsent war.
Der Kürze des Interviews ist geschuldet, dass Walde Linder nicht noch tiefer auf den Zahn fühlen konnte - und, dass manche Themen ganz unter den Tisch fielen: Altersarmut, Klimawandel und der Pflegenotstand etwa kamen nicht zur Sprache. Dabei wäre Lindner Sicht gerade bei diesen Themen, die nicht unbedingt zum Standard-Repertoire der FDP gehören, spannend gewesen.
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