Seit Wochen diskutiert die Politik, wie der Verbrauch von Kohlenstoffdioxid bepreist werden soll. Im Mittelpunkt stehen zwei Methoden. Eine ist bereits etabliert, die andere ruft sowohl Zuspruch als auch starke Ablehnung hervor. Was steckt dahinter?

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Wenn Wissenschaftler vom "Nudging" sprechen, meinen sie die politische Methode, Bürger zu erwünschten Verhaltensweisen zu "schubsen" – bestenfalls ohne Verbote. Wenn man so will, ist der Bundesregierung bei der Klimafrage schon länger klar, wohin sie die Menschen schubsen will. Weniger einig ist sie sich über den Krafteinsatz, der dafür notwendig ist.

Seit Jahren mahnen Forscher, dass der CO2-Verbrauch sinken muss, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will. Deutschland hat sich verpflichtet, 2020 40 Prozent weniger CO2 gegenüber 1990 auszustoßen – das Ziel ist längst unerreichbar geworden.

Die Folgen des Klimawandels sind weltweit sichtbar: Gletscher schmelzen, Extremwetter wie Dürren und Hitzewellen machen den Landwirten zu schaffen, die Schifffahrt leidet unter niedrigen Pegelständen.

Dass der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid deshalb ein Preisschild bekommen muss, ist Konsens bei fast allen Parteien. Doch während die Bundesregierung als Instrument bislang auf den europäischen Emissionshandel und damit auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage zur Bepreisung von CO2 setzt, brachte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) kürzlich in einem Interview mit dem "Spiegel" eine Steuer auf Treibhausgase ins Gespräch.

"Vor allem im Bereich Verkehr und Gebäude, damit es einen Anreiz gibt, zum Beispiel auf das Elektroauto umzusteigen oder ein Gebäude energetisch zu sanieren", so Schulze. Was steckt hinter ihrem Vorschlag?

Die Bevölkerung sanft auf umweltfreundlich trimmen

Schulze schlägt vor, fossile Brennstoffe, bei denen Treibgas entsteht, zu besteuern, darunter Benzin und Diesel, Heizöl oder Erdgas. Wenn der CO2-Verbrauch teurer wird, so die Idee, steigen die Menschen freiwillig auf klimafreundliche Technologien um und setzen bei Neuanschaffungen auf Elektro und Gas statt auf Benzin und Kohle.

In der Schweiz existiert das Prinzip bereits. Seit 2008 schlägt die Alpenrepublik eine Lenkungsabgabe auf Heizöl, Kohle und Erdgas. Kostete jede Tonne CO2 bei der Einführung vor 11 Jahren noch 12 Franken, hat sich der Preis heute auf 96 Franken verachtfacht, weil die anvisierten Emissionsziele verfehlt wurden.

Das Prinzip klingt simpel, ist aber hochkomplex. "Wenn man den Steuersatz erhebt, kann man nur schwer vorhersagen, wie stark die Emissionen tatsächlich reduziert werden", sagt Prof. Ottmar Edenhofer, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, der derzeit im Auftrag des Kanzleramts Optionen für die CO2-Bepreisung prüft. Man müsse den Steuersatz regelmäßig anpassen oder eine Regel einführen, mit der er sukzessive erhöht werden könne.

Gegner der CO2-Steuer, darunter die FDP, setzen hingegen auf den Emissionshandel, den es in Europa bereits gibt - auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht ihn der Steuer vor. Seit 2005 müssen rund 12.000 Kraftwerke und energieintensive Betriebe für jede Tonne CO2 auf Auktionsplattformen in Leipzig und London Zertifikate kaufen. Verbrauchen sie davon weniger als geplant, können sie ihre Zertifikate zurückgeben. Die Maximalmenge an Treibgasen ist gedeckelt, der Preis für jede Tonne CO2 bestimmt sich nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage.

Das Problem: "Die Preise waren lange Zeit so niedrig, dass die Investitionsanreize für CO2-freie Technologien zu gering waren", sagt Klimaökonom Edenhofer. Grundsätzlich sei der Emissionshandel aber ein erfolgreiches Prinzip. "Man müsste nun einen Mindestpreis einführen." Edenhofer schlägt zudem vor, den Emissionshandel auf weitere Sektoren auszuweiten.

CSU wettert gegen "Bevormundung"

In welcher Geschwindigkeit sich die Einführung einer Steuer oder die Ausweitung des Emissionshandels vollziehen könnte, ist jedoch fraglich. Schließlich hat die Union jeder Steuererhöhung für die laufende Legislaturperiode eine Absage erteilt. Insbesondere die CSU macht gegen die Steuer mobil und bezeichnet sie als Bevormundung.

"Vorschläge, die ausschließlich zu Preiserhöhungen für die Verbraucher führen, sind klar abzulehnen", sagte etwa Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt, heute CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. Seine Partei wittert Verhältnisse wie in Frankreich, wo bereits existierende Energiesteuern um einen CO2-Aufschlag ergänzt wurden, der bis 2030 eigentlich 100 Euro pro Tonne hätte betragen sollen. Doch die Gelbwesten legten Einspruch ein – und Präsident Emmanuel Macron seine Pläne auf Eis.

Für Ottmar Edenhofer bemisst sich der Erfolg einer CO2-Steuer deshalb auch daran, ob diese sozialverträglich gestaltet ist. Schließlich wäre es politisch schwer vermittelbar, wenn eine Großfamilie auf dem Land für die Fahrt zur Schule ähnlich hoch besteuert würde wie ein Oldtimerausflug auf der A3.

Um den Konflikt zu lösen, schlägt der Klimaforscher vor, die Einnahmen aus der Steuer an die Bürger zurückzuerstatten. "Das würde die einkommensniedrigen Haushalte gegenüber den Gutverdienern überproportional entlasten."

Am Ende, so Edenhofer, könne eine CO2-Bepreisung schaffen, was Verbote und Gebote nicht zu leisten vermögen: "Wer den Menschen vorschreibt, bestimmte Technologien in ihren Fahrzeugen zu verwenden oder bei der Wärmedämmung Vorschriften einzuhalten, belastet Bürger mit niedrigem Einkommen höher", sagt er. Wer stattdessen den Ausstoß von CO2 mit einem Preisschild versehe, könne soziale Schieflagen in der Klimapolitik korrigieren.

Schnäppchenflug nach Malle? Künftig undenkbar

Wie tief der Staat mit einer CO2-Bepreisung in die Tasche der Bürger greift, ist längst nicht ausgemacht. Der Verein "CO2 Abgabe" schlägt einen Startpreis von 40 Euro pro Tonne Kohlendioxid vor, der sich bis zu einem Preis von 190 Euro jedes Jahr um fünf Euro erhöht. Die Umweltbewegung "Fridays for Future", die Experte Edenhofer als einer der großen Treiber der Politik lobt, peilt hingegen 180 Euro an.

Geht man von dieser Berechnung aus, würde ein Flug von Deutschland nach Neuseeland dann 2.000 Euro mehr kosten, bei einem Flug nach Mallorca kämen 170 Euro Abgabe dazu. Auch Pendler müssten draufzahlen. Wer etwa jeden Tag von Lüneburg nach Hamburg fährt, müsste in einem Jahr mit 800 Euro mehr rechnen.

Letztlich, so sind sich Experten einig, wird es Deutschland künftig nicht mehr so einfach haben, seine Klimaziele zu reißen – CO2-Steuer hin oder her. Denn ab 2021 regelt die "European Effort Sharing Regulation", dass alle EU-Mitgliedsstaaten ihre Emissionen in den Bereichen Transport, Gebäude, Wärme und Landwirtschaft auf einen Zielwert senken müssen – im deutschen Fall sind das 38 Prozent bis ins Jahr 2030. Wer sein Kohlenstoffbudget überschreitet, muss Emissionsrechte kaufen – und das wird teuer.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Prof. Ottmar Edenhofer, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
  • WELT.de: Was reisen mit der CO2-Steuer kosten würde
  • Verein CO2 Abgabe: Details
  • Fridays for Future: Forderungen
  • European Commission: Proposal on Effort Sharing Regulation
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