Seit Monaten arbeitet sich die CSU an der Ampel ab. Ihr Generalsekretär Martin Huber hält die Regierungspolitik für "weltfremd". Im Interview sagt er, was Berlin von Bayern lernen kann – und warum eine Koalition mit den Grünen für die CSU ausgeschlossen ist.

Die Angriffe auf die Bundesregierung erfolgen alle eineinhalb Minuten. 28 Mal lässt Martin Huber in 42 Minuten Gespräch das Wort "Ampel" fallen. Kein einziges Mal ist es mit Lob verbunden.

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Es ist ein grauer, verregneter Tag, an dem Huber, seit zwei Jahren Generalsekretär der CSU, unsere Redakteure in der Münchner Parteizentrale zum Gespräch empfängt. In Berlin scheint zur selben Zeit die Sonne. Wenn Hubers Einschätzung der politischen Lage ein Wetterbericht wäre, müsste es genau umgekehrt sein: dunkle Wolken über Berlin, strahlender Sonnenschein über dem Freistaat.

Dass die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) alles falsch macht, was man nur falsch machen kann – das ist sonnenklar für ihn. Was die CSU anders machen würde, wollen wir von Huber wissen. Seine Antwort zusammengefasst: im Grunde alles.

Herr Huber, Generalsekretäre gelten als Lautsprecher der Partei. Die CSU hat aber schon Markus Söder, der nicht gerade geräuschlos agiert. Bleibt da noch genug Raum für Sie?

Martin Huber: Die CSU zeichnet sich schon immer dadurch aus, dass wir Klartext sprechen und die Themen aufgreifen, die die Menschen bewegen. Dafür stehen insbesondere Markus Söder als Parteivorsitzender und Ministerpräsident als auch ich als Generalsekretär.

Aber Sie sind in der öffentlichen Debatte kaum wahrnehmbar.

Ich glaube, diese Einschätzung haben Sie exklusiv.

Die Union hat sich im Bund programmatisch erneuert und ist in der Opposition wieder konservativer geworden. Ist das der Bruch mit den Merkel-Jahren?

Die CDU hat sich mit ihrem neuen Grundsatzprogramm der CSU inhaltlich wieder deutlich angenähert. Wir sind nach unserem Selbstverständnis eine bürgerlich-konservative Kraft. Das zeigen wir jetzt auch wieder stärker. Eine solche Kraft in Deutschland ist dringend notwendig.

Inwiefern?

Was die Menschen aufregt, ist die weltfremde, linke Politik der Ampel. Das ist eine Regierung, die mit bürgerlich-konservativen Werten gar nichts zu tun hat. Sei es beim Bürgergeld, durch das sich Leistung nicht mehr lohnt, oder bei der inneren Sicherheit. Was mich besonders ärgert, ist die Arroganz von SPD und Grünen. Wenn ihnen eine Position nicht passt, wird man ganz schnell als rechtsextrem diffamiert.

Welche Positionen sollen das sein?

Etwa, wenn man darauf hinweist, dass Migration gesteuert und Integration auch eingefordert werden muss. Migration ohne Integration oder Begrenzung funktioniert nicht. Das Scheitern dieser linken Lebenslügen ist mit Händen greifbar.

Das Land befindet sich an der Schwelle zur Rezession. Die Union setzt auf mehr Markt, weniger Sozialstaat und ein Festhalten an der Schuldenbremse. Wird die CSU so dem Sozialen gerecht, das sie sogar im Parteinamen trägt?

Die Frage führt in die Irre. Sie verkennt nämlich: Es braucht eine starke Wirtschaft für einen starken Sozialstaat. Dieser Gedanke leitet die CSU. Die Ampel geht einen anderen Weg, setzt zum Beispiel mit dem Bürgergeld falsche Anreize. Es ist der Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist der falsche Weg. Wir müssen Arbeit wieder attraktiver machen.

"Arbeit ist nicht staatlich organisierter Diebstahl von Freizeit."

Martin Huber, CSU-Generalsekretär

Und wie?

Wir wollen Überstunden steuerfrei machen, das Bürgergeld zurück zur Sozialhilfe rückabwickeln und Unternehmenssteuern senken. Deutschland muss wieder konkurrenzfähig werden – und dazu gehört auch eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Es ist doch ein Treppenwitz, dass in Zeiten größter Energienot drei Kernkraftwerke vom Netz genommen werden.

Von Steuersenkungen für Unternehmen profitieren Arbeitnehmer nicht. Und Überstunden steuerfrei zu machen, hilft auch nicht allen. Entweder, weil Überstunden nicht erfasst und bezahlt werden. Oder in Berufen – nehmen wir eine Pflegekraft –, wo mehr Arbeit physisch und psychisch oft nicht möglich ist.

Es gibt viele Menschen, die von steuerfreien Überstunden profitieren. Und es geht auch darum, ein Signal in die Gesellschaft zu senden: Arbeit ist nicht staatlich organisierter Diebstahl von Freizeit. Es ist die Voraussetzung für Teilhabe und Selbstverwirklichung. Wir brauchen wieder einen positiven Begriff von Arbeit und Leistung.

Die Ampel will noch diesen Monat ihre Rentenreform durchs Kabinett bringen. Kern der Reform ist der Einstieg in Aktien, Stichwort "Generationenkapital", und die Festschreibung des Sicherungsniveaus bei 48 Prozent. Die Union ist dagegen. Was haben Sie gegen auskömmliche Renten?

Auskömmliche Renten sind Ausdruck von Respekt für eine Lebensleistung – das bestreitet niemand. Aber es ist nicht erkennbar, was die Ampel in der Rentenpolitik überhaupt will. Es wird doch schon wieder auf offener Bühne gestritten. Und das geplante Generationenkapital ist Roulette mit der Rente.

Was kritisieren Sie?

Die Ampel will, dass der Staat Schulden aufnimmt, um das Geld am Kapitalmarkt anzulegen. Zum einen haben Sie enorme Zinskosten. Und zum anderen ist gar nicht klar, ob die Rendite ausreicht, um damit die Rente zu stabilisieren. Jeder Bankberater würde vor diesem Humbug warnen.

Im Herbst wählen die drei Ost-Länder Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage. Die Koalitionsbildung dürfte schwierig werden. Was ist Ihnen lieber – ein Bündnis mit der Linken oder mit dem BSW?

Ich glaube nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen im Osten Ratschläge aus Bayern brauchen. Es geht jetzt auch nicht um irgendwelche Koalitionsspekulationen. Es geht um Union pur und darum, die Union so stark wie möglich zu machen. Wir wollen als Sieger vom Platz gehen.

"Grüne Besserwisser und Klugscheißer gehen den Menschen auf die Nerven."

Martin Huber, CSU-Generalsekretär

Im nächsten Jahr steht schon die Bundestagswahl an. Die Union liegt in den Umfragen in Führung. Auf welche Koalition setzen Sie?

Es braucht vor allem ein Stoppschild für die Ampel. Sie hat kein Vertrauen mehr in der Bevölkerung. Olaf Scholz ist der schwächste Bundeskanzler aller Zeiten. Wir kämpfen für einen Politikwechsel mit einer starken Union. Das braucht das Land. Und das ist auch das, was die Menschen wollen.

Eine Koalition mit den Grünen schließen Sie weiter aus? Friedrich Merz hält sich diese Option offen.

Die Grünen werden am meisten mit der schlechten Stimmung im Land verbunden. Grüne Besserwisser und Klugscheißer gehen den Menschen auf die Nerven. Der notwendige Politikwechsel ist mit den Grünen nicht möglich. Für uns steht fest: Wir wollen kein Schwarz-Grün.

Nach den Landtagswahlen will die Union entscheiden, wer Kanzlerkandidat wird. Merz oder Söder: Wer soll es machen?

Die beiden Vorsitzenden haben ein Verfahren vereinbart, nach dem das festgelegt wird. Und das gilt.

Umfragen zeigen immer wieder: Markus Söder ist der beliebteste Unionspolitiker.

Es freut mich, wenn Markus Söder gute Umfragewerte hat. Das bestätigt, dass er super Arbeit leistet. Im Kontrast dazu trauen die Menschen der Ampel nichts mehr zu. Das spricht Bände.

Was hat Markus Söder, was Friedrich Merz nicht hat?

Es geht nicht darum, was beide unterscheidet. Beide sind hervorragende Politiker. Markus Söder ist einer, der das Land zusammenhält, der klare Ansagen macht. Er vermittelt, dass Bayern nicht nur Bundesland, sondern auch ein Lebensgefühl ist. Markus Söder hat eine Vision für die Zukunft und setzt zum Beispiel mit der Hightech-Agenda Maßstäbe für Innovationen und Zukunftsstärke.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Die Union hat die letzte Bundestagswahl auch verloren, weil CDU und CSU nicht an einem Strang gezogen haben. Angenommen, Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat. Könnte er sich denn der Unterstützung der CSU sicher sein?

Netter Versuch, aber meine Antwort bleibt: Es gibt ein festgelegtes Verfahren der beiden Vorsitzenden. Der Kanzlerkandidat kann sich auf die Unterstützung der gesamten Union verlassen.

Zum Gesprächspartner:

  • Martin Huber wurde am 16. November 1977 in Mühldorf geboren. Seit 1995 ist er Mitglied der CSU, seit Mai 2022 fungiert er als Generalsekretär der Partei. Von 1999 bis 2004 studierte er Politische Wissenschaft sowie bayerische Geschichte. In der CSU war er vor seinem jetzigen Amt unter anderem Landesvorsitzender des Arbeitskreises Umwelt und Landesentwicklung.
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