Der Rundfunkbeitrag soll im kommenden Jahr steigen. Dieser Schritt ist allerdings umstritten: Brauchen ARD und ZDF dringend mehr Geld? Oder ist die Erhöhung gerade in der Coronakrise unangemessen?
17,50 Euro bezahlt ein Haushalt in Deutschland monatlich für die morgendlichen Radionachrichten oder die Tagesschau am Abend: Der Rundfunkbeitrag ist die wichtigste Finanzierungsquelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Mehr als zehn Jahre blieb die Summe unverändert, jetzt aber soll sie um 86 Cent steigen. Wenn es nach den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten geht, wird der Beitrag ab 2021 bei 18,36 Euro liegen. Dass es wirklich so kommt, ist wahrscheinlich. Ausgemacht ist es aber noch nicht.
Unionsabgeordnete fordern Solidarität mit Gebührenzahlern
Um die Erhöhung ist eine politische Diskussion entbrannt, seit zwölf Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sich in einem Brief gegen diesen Schritt ausgesprochen haben. Zu den Unterzeichnern gehören die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher und Fraktionsvize
"Während in Betrieben und Privathaushalten durch die Corona-Pandemie gespart werden muss, darf der Rundfunkbeitrag nicht erhöht werden", zitiert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) aus dem Brief.
Die Bundestagsabgeordneten fordern ARD, ZDF und das Deutschlandradio auf, sich solidarisch mit den Gebührenzahlern zu zeigen und selbst nach Einsparmöglichkeiten zu suchen. Eine Erhöhung jedenfalls müsse verschoben werden.
Hintergrund der geplanten Erhöhung ist eine Empfehlung der "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten", kurz KEF. Dieses Expertengremium spielt in der Finanzierung der Sender eine zentrale Rolle, denn diese Finanzierung wird zwar vom Staat organisiert, soll aber gleichzeitig möglichst unabhängig sein.
Die Politik lässt den Finanzbedarf daher von der Kommission prüfen. "Die KEF handelt im gesetzlichen Auftrag und prüft den Bedarf des Rundfunks tatsächlich staatlich unabhängig", erklärt Dirk Arnold, Professor für Medienökonomie an der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit unserer Redaktion.
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Öffentlich-Rechtliche auch von Corona-Pandemie betroffen
Die KEF erkannte schon im vergangenen Jahr eine Finanzierungslücke von 1,5 Milliarden Euro. Die vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,36 Euro war aus Sicht der Sender sogar eher zu gering. Im Januar sagte der WDR-Intendant und ARD-Vorsitzende Tom Buhrow laut "ndr.de", dass die Sender bereits an ihre Rücklagen gehen müssten.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie kommen nun hinzu. "Logistische Probleme können zum Beispiel dafür sorgen, dass die Aufwände und damit die Kosten für Produktionen steigen", sagt Arnold.
Bedürftige Menschen, die zum Beispiel Grundsicherung im Alter oder Arbeitslosengeld erhalten, können zudem eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag beantragen. Die Zahl dieser Menschen dürfte in der drohenden Wirtschaftskrise zunehmen.
Auch Unternehmen und Einrichtungen, die in der Coronakrise schließen mussten, können sich befreien lassen. Das alles wird die Einnahmen von ARD, ZDF und Deutschlandradio wahrscheinlich sinken lassen.
Rundfunkbeitrag: Widerstand im Osten
Vor allem im Osten Deutschlands sehen Politiker die geplante Erhöhung trotzdem kritisch. Marcus Kunze, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, sagte dem Deutschlandfunk, das Sparpotenzial bei den Sendern sei noch nicht ausgeschöpft.
CDU und AfD hätten im Magdeburger Landtag eine Mehrheit, wenn sie gemeinsam gegen die Erhöhung stimmen. Auch in Thüringen steht die Zustimmung wegen der komplizierten Mehrheitsverhältnisse im Landesparlament auf der Kippe.
Kritik an der finanziellen Ausstattung des öffentlichen Rundfunks äußert immer wieder auch die Konkurrenz in der Medienlandschaft: Printmedien und private Radio- und Fernsehsender bieten ebenfalls Information und Nachrichten, verfügen aber nicht über Rundfunkbeiträge.
2012 hatten Zeitungsverlage gegen die Tagesschau-App geklagt, weil die ARD damit ein presseähnliches Online-Produkt kostenlos verbreite. Der Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Medienunternehmen ist durch die Corona-Pandemie größer geworden. Denn Zeitungen und Privatsender sind dringend auf Anzeigen angewiesen, die in Wirtschaftskrisen weniger werden.
"Schlüsselrolle in der Pandemie-Bewältigung"
Allerdings haben ARD und ZDF auch in der Politik zahlreiche Unterstützer. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte dem Deutschlandfunk, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten würden "mit ihrem breiten Informationsangebot eine Schlüsselrolle in der Pandemie-Bewältigung" einnehmen.
Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte der dpa, man brauche den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade jetzt dringender denn je.
Medien-Experte: Debatte sollte stärker öffentlich geführt werden
Medienökonom Arnold hält es für wahrscheinlich, dass die Erhöhung Anfang 2021 kommt.
Er weist aber auch auf eine andere Frage hin: Was erwarten die Zuhörer und Zuschauer eigentlich von den Rundfunkanstalten? Was sollen diese leisten? Die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehen über das eigentliche Programm hinaus, die Sendeanstalten betreiben zum Beispiel auch Kulturförderung.
"Was sollte der Rundfunk anbieten? Was bietet einen öffentlichen Mehrwert? Das ist eine gesellschaftliche Frage", sagt Arnold. "Die Debatte darüber müsste stärker öffentlich geführt werden." Sinnvoll wäre seiner Ansicht nach etwa die Einrichtung von Publikums- oder Öffentlichkeitsbeiräten in den Aufsichtsgremien des Rundfunks. Dann könne die Zivilgesellschaft ihre Interessen besser einbringen und mitentscheiden.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Dirk Arnold, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin
- Deutsche Presse-Agentur (dpa)
- Deutschlandfunk.de: Erhöhung des Rundfunkbeitrags – Widerstand aus Sachsen-Anhalt
- NDR.de: Rundfunkbeitrag: Sind 86 Cent mehr zu wenig?
- Rundfunkbeitrag.de: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Beitragsservice
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