• Solidarische Proteste statt "heißer Herbst": Christoph Bautz von der Bürgerbewegung Campact will beim "Solidarischen Herbst" für mehr soziale Sicherheit in der Energiekrise und eine schnellere Energiewende demonstrieren.
  • Für den 22. Oktober ruft er mit einem Bündnis aus Gewerkschaften und Vereinen in Berlin, Dresden, Hannover, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Stuttgart zu Sozialprotesten auf.
  • Im Interview mit unserer Redaktion spricht Bautz über die Forderungen des Bündnisses, die Solidarität mit der Ukraine und Abgrenzungen nach rechts.
Ein Interview

Herr Bautz, die AfD profitiert aktuell von der Unzufriedenheit in der Bevölkerung in der Energiekrise. Warum haben Sie das Feld der Sozialproteste so lange den Rechten überlassen?

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Christoph Bautz: Wir hatten mit Fridays for Future im September schon große Demonstrationen mit bundesweit 280.000 Menschen. Da haben wir erstmalig den Brückenschlag vom Klimaschutz zu sozialer Gerechtigkeit betont. Das war ein erster Auftakt. Parallel dazu haben wir ein noch breiteres Bündnis geschmiedet - aus Sozialverbänden, Gewerkschaften, Umweltverbänden und weiteren Initiativen wie Fridays for Future.

Was ist Ihr gemeinsames Ziel?

Wir wollen eine solidarische Antwort auf die Krise geben. Eine Antwort, die nicht spaltet und nationalistisch, sondern zukunftsgewandt ist. Dazu gehört, dass es in diesem Land gerechter zugehen muss. Nur dann verhindern wir, dass Rechtsextreme und Populisten weiter versuchen, aus der Krise Profit zu schlagen.

Sie haben sich im Vorfeld klar von rechten Demonstrationen abgegrenzt. Wie gehen Sie vor, wenn doch Nazis mitmarschieren?

Wir haben ein Sicherheitskonzept und werden auf friedliche Art und Weise, aber doch sehr bestimmt, Hetzer und Spalter von der Demonstration verweisen. Ich bezweifle aber, dass unser Demonstrationsaufruf mit der klaren Position zur Ukraine und zu fossilen Energien Rechte überhaupt anspricht. Und das ist gut so!

Wo ziehen Sie die Grenze, wer bei Ihren Demonstrationen mitlaufen darf?

Bei allem, was den demokratischen Rahmen verlässt. So auch bei der AfD, die als rechtsextrem zu bezeichnen ist.

Auch die Ampelparteien versprechen in dieser Krise Solidarität. Deren Entlastungen reichen Ihnen aber nicht aus?

Nein. Notwendig sind gezieltere Entlastungen für die, die besonders von der Krise getroffen werden. Wir brauchen eine Erhöhung des Bürgergelds, das nicht nur die Inflation ausgleicht, sondern über dem soziokulturellen Existenzminimum liegt. Wir brauchen einen Mietenstopp, damit nicht Miet- und Energiepreise gleichzeitig durch die Decke gehen und die Menschen aus ihren Wohnungen raus müssen. Und wir brauchen ein 29-Euro-Ticket, insbesondere für Sozial- und Transferhilfeempfänger.

Wie wollen Sie das finanzieren?

Erstens durch das Aussetzen der Schuldenbremse und zweitens sollen die, die mehr tragen können, auch mehr an den Krisenkosten beteiligt werden.

Durch welche Maßnahmen wollen Sie die Reichen zur Kasse bitten?

Wir als Campact fordern, dass Übergewinne von Unternehmen abgeschöpft werden. Außerdem wollen wir viele Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer abschaffen und eine einmalige Vermögensabgabe erheben. Zudem muss auch die Einkommenssteuer im oberen Bereich nachjustiert werden.

Das Aussetzen der Schuldenbremse und das Besteuern der Reichen würde viel Geld in Umlauf bringen. Heizt das nicht die Inflation an und schadet Ihrem Anliegen?

Nein, denn wir haben ja eine Inflation, die ganz klar nicht von der Nachfrage-, sondern von der Angebotsseite getrieben ist, sprich von den Energiepreisen. Das heißt, wir müssen die Energiepreise runterdrücken. Das schaffen wir dadurch, dass wir uns unabhängig von fossilen Energien machen, indem wir Geld in die Hand nehmen, um mehr Produktionskapazitäten für grüne Energie zu schaffen. Das ist das beste Mittel, um die Inflation zu senken.

Aber kurzfristig wird es nicht ohne die fossilen Energien gehen.

Leider. Doch hier gilt es zu differenzieren: Wenn man für kurze Zeit schwimmende LNG-Terminals aufbaut, um extremer Gasknappheit entgegenzuwirken, dann ist das okay. Aber wir dürfen nicht fossile Infrastruktur aufbauen, die dauerhaft ist und uns in die nächste Abhängigkeit bringt.

Das Beschaffen von Gas auf dem Weltmarkt durch LNG-Terminals führt auch zu höheren Energiepreisen in Entwicklungsländern, die diese Preise nicht mitgehen können. Ist das nicht unsolidarisch?

Das zeigt vielmehr, wie schnell wir davon wegkommen müssen und wie massiv wir auch kurzfristig Energie sparen müssen.

Wo wollen Sie noch Energie einsparen?

Zum Beispiel durch vernünftiges Lastmanagement. In bestimmten Situationen, wo viel Energie verbraucht wird, sollte die industrielle Produktion, wo möglich, für kurze Zeit gedrosselt und so Energie gespart werden. Dann brauchen wir nicht die Gaskraftwerke, die immer in die Lücke springen.

Es gibt Stimmen von beiden Rändern, die derzeit lieber die eigene Industrie schützen wollen – notfalls auch mit Gas aus Russland.

Wir stellen uns solidarisch an die Seite der Menschen in der Ukraine. Da unterscheiden wir uns von den Äußerungen einiger prominenter Politiker der Linkspartei, wie Sahra Wagenknecht, die immer wieder die nationalistische Karte spielen.

Ist der 22. Oktober der Auftakt für eine längere Protestbewegung von links?

Jetzt trommeln wir erstmal für Samstag - mit dem Ziel, möglichst viele Menschen dafür zu gewinnen, mit uns auf die Straße zu gehen. Danach wird in Ruhe ausgewertet. Das Gute ist, dass wir jetzt ein starkes, breites Bündnis haben, das jederzeit auf aktuelle politische Entwicklungen reagieren kann. Das ist wichtig, denn wenn sich die Situation im Winter zuspitzt, brauchen wir solidarische Antworten auf der Straße und keine Spalter und Hetzer.

Zur Person: Christoph Bautz ist Vorstand der Bürgerbewegung "Campact". Er studierte Biologie und belegte einen Master in Politikwissenschaft. Nach dem Studium baute er die Geschäftsstelle des Vereins Attac Deutschland mit auf, der sich für eine höhere Besteuerung von Finanztransaktionen einsetzt.
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