Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Maas rufen zu verstärkten Anstrengungen im Kampf gegen Rechtsextremisten auf. Innenminister Seehofer will prüfen lassen, ob man Demokratiefeinden die Grundrechte entziehen kann. Doch dagegen gibt es Widerstand.
Mehrere Hundert Menschen haben am Samstag an einer Mahnwache für den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke in dessen Heimatstadt Wolfhagen teilgenommen. Unterdessen geht die Debatte weiter, wie Politik und Behörden den Kampf gegen Rechtsextremismus verstärken können.
Bundesinnenminister
Kritik an Seehofer-Aussagen
Prüfen will der Minister ferner, Demokratiefeinden Grundrechte zu entziehen. Einen entsprechenden Vorstoß hatte vor wenigen Tagen der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber unternommen. "Wir sind das Verfassungsressort. Wir werden die Möglichkeiten ernsthaft prüfen", betonte Seehofer.
Gegen ein solches Vorhaben gibt es jedoch große Widerstände. Thüringens CDU-Chef
Auch SPD, Grüne und FDP lehnen den Vorschlag ab. SPD-Vize Ralf Stegner sagte dem "Tagesspiegel" (Sonntag): "Die Rechtsradikalen wollen unsere Grundrechte aushöhlen und streben ein System an, in dem es solche Grundrechte gar nicht geben würde. Unser demokratischer Rechtsstaat unterscheidet sich von solchen Systemen grundsätzlich auch dadurch, dass diese Grundrechte für alle gelten." Statt Einzelnen die Grundrechte zu entziehen, müsse man die rechten Demokratiefeinde mit allen friedlichen Mitteln bekämpfen und politisch ächten. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem "Tagesspiegel": "Den Rechtsstaat verteidigt man nicht, indem man ihn für einige abschafft." Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, erklärte: "Das Strafrecht besitzt genug harte Instrumente gegen Extremisten. Wichtig ist, dass die Behörden diese entschlossener nutzen." Seehofers Vorschlag hingegen sei falsch und würde eine ideale PR-Bühne für rechte Hetzer bieten.
Aufklärung von rechtsextremen Verwebungen auf allen Ebenen
Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha niedergeschossen worden. Dringend tatverdächtig ist Stephan E., der 45-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft stuft das Verbrechen als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein.
Maas: "Wegsehen kann tödlich sein"
Außenminister
Während der Mahnwache in Lübckes Heimatstadt Wolfhagen entzündete der Dekan des Evangelischen Kirchenkreises, Gernot Gerlach, drei Kerzen - darunter eine "für alle Anwesenden, die dem Zerstörungswahn der Rechtsextremisten widerstehen und sagen: Halt, stopp!". Die Täter hätten Lübcke zwar das Leben genommen, könnten ihm aber nicht seine Würde rauben. "Er ist als Christ ermordet worden", sagte der Geistliche, der Lübcke seit den 1990er Jahren in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder begegnet war. "Diesen Politiker zeichnet aus, dass er sich mit einer klaren Haltung des christlichen Glaubens politisch eingebracht hat.
Proteste gegen Rechtsextremismus
In mehreren deutschen Städten demonstrierten am Samstag Menschen gegen den Rechtsextremismus. In Kassel folgten nach Polizeiangaben rund 2000 Menschen dem Aufruf eines Bündnisses aus Parteien, Gewerkschaften und lokalen Organisationen. "Schon wieder ist es Kassel", hieß es in dem Aufruf mit Blick auf das letzte Mordopfer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU - Halit Yozgat wurde 2006 in Kassel erschossen. Linke-Parteichefin Katja Kipping forderte auf einem Parteitag der Thüringer Linken in Arnstadt, Hessen solle geheime NSU-Akten herausgeben.
In München gingen rund 350 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße, die Veranstalter zählten etwa 500 Teilnehmer. In Hamburg gab es eine Kundgebung vor der AfD-Zentrale mit rund 150 Teilnehmern. In Karlsruhe demonstrierten am Gebäude der Bundesanwaltschaft rund 50 Menschen.
Der Verdächtige Stephan E. hatte möglicherweise noch in diesem Jahr intensiven Kontakt zur rechtsextremen Szene. Stephan E. habe an einem konspirativen Treffen von Mitgliedern von Neonazi-Organisationen teilgenommen, berichtete am Freitag das ARD-Magazin "Monitor". Das Magazin beruft sich auf Fotos, die es mit einem Gutachter ausgewertet hat. Demnach besuchte E. am 23. März eine rechtsextreme Veranstaltung im sächsischen Mücka, wo er mit Mitgliedern der neonazistischen Organisation "Combat 18" und der neonazistischen Vereinigung "Brigade 8" fotografiert wurde. © dpa
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