- Einen Monat nach der Bundestagswahl ist der Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen.
- Der Alterspräsident findet deutliche Worte.
Der bisherige Bundestagspräsident
"Wenn uns das etwa beim Wahlrecht gelänge, wäre ich nach der auch für mich persönlich bitteren Erfahrung der vergangenen Legislaturperiode bestimmt nicht traurig", sagte der 79-Jährige. "Eine Wahlrechtsreform, die ihren Namen verdient, ist allerdings keinen Deut leichter geworden – und trotzdem: Sie duldet ersichtlich keinen Aufschub." Der Bundestag ist nach der Bundestagswahl noch einmal gewachsen - von 709 auf 736 Abgeordnete.
Schäuble verlor sein Amt als Bundestagspräsident, nachdem die SPD am 26. September bei der Wahl größte Fraktion geworden ist. Zu seiner Nachfolgerin wurde die bisherige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas, mit der deutlichen Mehrheit der Stimmen aller Abgeordneten gewählt.
Schäuble sagte, der Bundestag habe in der vergangenen Legislaturperiode wenn nötig auch einen überfraktionellen Konsens herstellen können, um die Handlungsfähigkeit des Parlaments zu sichern. "Die Bürgerinnen und Bürger schauen auf uns, ihre Erwartungen an das Parlament sind zurecht groß. Wir sollten weiter alles tun, um dem gemeinsam gerecht zu werden."
AfD scheitert mit Gauland als Alterspräsident
Zuvor war die AfD mit dem Versuch gescheitert, ihren Abgeordneten Alexander Gauland als Alterspräsident des Bundestags durchzusetzen. Ein Antrag der Fraktion zur Änderung der Geschäftsordnung fand keine Mehrheit. Gauland ist mit 80 Jahren der älteste Abgeordnete.
Die Geschäftsordnung wurde vor der Bundestagswahl 2017 allerdings geändert, so dass der Alterspräsident nun der Abgeordnete mit den meisten Parlamentsjahren ist. Alterspräsident ist nun Schäuble. Er ist seit 1972 Mitglied des Parlaments.
Wolfgang Schäuble: Abgeordnete sollen "selbstbewusste Parlamentarier" sein
Schäuble sagte in seiner Rede, der Bundestag sei der Ort, an dem gestritten werden dürfe. Das Parlament sei eine politische Bühne und nicht bloß eine notarielle Veranstaltung, um Koalitionsverträge abzuarbeiten. Im Parlament müsse der Raum sein, in dem die Vielfalt an Meinungen offen zur Sprache komme. Dies werde noch wichtiger, weil in der Gesellschaft die Bereitschaft sinkt, gegensätzliche Standpunkte auszuhalten und Widerspruch überhaupt zuzulassen.
Der CDU-Politiker sagte weiter, das mitunter zähe Ringen um gesellschaftliche Mehrheiten sollte gerade auch denen nahegebracht werden, die mit Blick auf den Klimawandel von der Trägheit demokratischer Prozesse enttäuscht seien und sofortiges Handeln forderten. Ihre Motive seien nachvollziehbar. Aber wissenschaftliche Erkenntnis alleine sei noch keine Politik, und schon gar nicht demokratische Mehrheit.
In der Corona-Pandemie sei es im Großen und Ganzen gelungen, auch unter enormem Entscheidungsdruck kontroverse Debatten zu führen und widerstrebende Werte und Interessen gegeneinander abzuwägen. Die parlamentarische Demokratie habe eine beispiellose Bewährungsprobe bestanden. Schäuble rief die Abgeordneten dazu auf, "selbstbewusste Parlamentarier" zu sein. Er sagte: "Wir haben es in der Hand, ob die Bürgerinnen und Bürger dieser Volksvertretung das schenken, worauf die parlamentarische Demokratie baut: nämlich ihr Vertrauen." (dpa/ari)
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