Die EU-Abgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana wird Zeugin eines mutmaßlich rassistischen Übergriffs der Brüsseler Polizei. Als sie diesen dokumentieren will, wird sie selbst angegriffen. Die Behörde verteidigt ihr Vorgehen.

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Als die deutsche Europaabgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana einen mutmaßlich rassistischen Übergriff der Polizei in Brüssel mit ihrem Handy dokumentiert, wird sie selbst zum Opfer. Im Europaparlament machte sie den Vorfall später öffentlich.

Sie habe gerade den Brüsseler Nordbahnhof verlassen, als neun Polizisten zwei schwarze Männer belästigt hätten, schilderte die Grünen-Politikerin. Sie habe die Szene fotografiert, "was völlig legal ist", dann seien vier der Polizisten auf sie zugegangen und hätten ihr das Handy aus der Hand genommen.

"Sie haben gewaltsam meine Handtasche weggenommen. Sie haben mich mit gespreizten Beinen an die Wand gepresst und durchsucht", beschrieb Herzberger-Fofana den Vorfall. "Diese Erfahrung, zu einem Zeitpunkt, an dem die ganze Welt die leidigen Konsequenzen von polizeilicher Brutalität sieht, ist für mich traumatisierend", fügte die 71-Jährige hinzu.

Dass sie EU-Abgeordnete sei, habe ihr die Polizei nicht geglaubt - obwohl sie ihren Parlamentsausweis, ihre beiden Pässe - den deutschen und den malischen - sowie ihre belgische Aufenthaltsgenehmigung vorgezeigt habe. Herzberger-Fofana stammt ursprünglich aus Westafrika.

Anzeige gegen die beteiligten Polizisten

Herzberger-Fofana erstattete nach eigener Angabe Anzeige gegen die Polizisten. Sie wirft den Männern vorsätzliche Verletzungen, erniedrigende Behandlung, Autoritätsmissbrauch und Rassismus vor. "Das war sehr demütigend für mich", sagte sie dem ZDF-"heute journal" (ab Minute 15:44).

Die Polizisten hätten ihr nicht geglaubt, dass sie eine Abgeordnete sei. Ein Beamter habe sie gefragt, ob sie vielleicht im Parlament putze. Erst als ihr Fahrer - ein Weißer - gekommen sei, hätten die Polizisten von ihr abgelassen.

"Ich habe Anzeige erstattet, weil wir diese Polizeigewalt nicht durchgehen lassen können", sagte die sichtlich erschütterte Politikerin vor dem EU-Parlament. "Wir müssen viele Maßnahmen ergreifen – um viele Menschen zu schützen, die nicht hier sein können und der Gewalt der Polizei nicht entkommen konnten."

Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts und weitere Abgeordnete verurteilten das Vorgehen der Polizisten. Parlamentspräsident David Sassoli betonte, der Vorfall müsse mit den belgischen Behörden geklärt werden, und sicherte Herzberger-Fofana seine Unterstützung zu. "Wir sind natürlich an Ihrer Seite", sagte er.

Die Debatte des EU-Parlaments zu Rassismus und Polizeigewalt war mit einer Trauerminute eröffnet worden, um des wegen Polizeigewalt verstorbenen Afroamerikaners George Floyd "und aller Opfer von Gewalt, Rassismus und Diskriminierung" zu gedenken.

Brüsseler Polizei verteidigt Vorgehen

Die Brüsseler Polizei bestätigte, dass Beamte infolge eines gewaltsamen Angriffs in der Nähe am Dienstag am Nordbahnhof zwei Verdächtige kontrolliert hätten. Herzberger-Fofana habe "sich in den Einsatz einmischen" wollen, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP.

Sie habe den Vorfall gefilmt und sich zunächst geweigert, sich auszuweisen. Daraufhin hätten die Beamten sie vorübergehend festgehalten, um ihre Identität festzustellen. Dies sei ein normaler Vorgang entsprechend den Vorschriften. Eine Polizistin habe die Grünen-Politikerin aus Sicherheitsgründen abgetastet.

Eine Anzeige gegen die Beamten liege bisher nicht vor, sagte der Sprecher. Die Polizei habe ihrerseits wegen des "aggressiven Verhaltens" der Politikerin einen Strafzettel ausgestellt. Der dpa sagte eine Sprecherin der Behörde, die Polizei habe zu dem Vorfall eine interne Untersuchung eingeleitet und die Staatsanwaltschaft darüber informiert.

Von der Leyen: EU-Institutionen sind zu wenig divers

EU-Kommisionspräsidentin Ursula Von der Leyen gestand bei der Parlamentsdebatte ein, dass es zuwenig Diversität in den EU-Institutionen gebe. "Schauen wir uns um, hier im Plenarsaal. Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist nicht repräsentiert", sagte von der Leyen. In ihrer eigenen Behörde sei die Situation kaum besser.

"Ich weiß nicht, wie es ist, schwarz oder Mitglied einer anderen ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheit zu sein", betonte von der Leyen. Sie wisse auch nicht, wie es sich anfühle, täglich unter Vorurteilen und grundlosen Verdächtigungen zu leiden. "Aber viele Menschen - Frauen und Männer - kennen das. Und sie sagen uns mit lauter Stimme, dass wir den Rassismus seit viel zu langer Zeit tolerieren."

Dabei sei die Gesetzeslage in der EU klar: Rassismus habe keinen Platz. Aber: "Wir müssen mehr tun". In der kommenden Woche werde sie in der Kommission eine entsprechende Debatte auf die Tagesordnung setzen.

Verwendete Quellen:

  • dpa
  • AFP
  • ZDF heute journal
  • Europarl.europa.eu: Debatte zum Tod von George Floyd: EU-Abgeordnete verurteilen Rassismus und Polizeigewalt
  • Twitter-Konten von David Sassoli und den europäischen Grünen

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