Innerhalb eines Jahres hat jeder zehnte Betrieb die Schweinehaltung aufgegeben. Die Gründe sind vielfältig, die Hauptursache jedoch: fehlende Planungssicherheit und Perspektive. Schweinebauer Heinrich G. erklärt, vor welchen existenziellen Fragen viele Bauern derzeit stehen.
Warum Heinrich G. (51) Schweinebauer geworden ist, kann er sofort beantworten: "Natürlich hätte ich nach meinem Abitur auch etwas anderes als Landwirtschaft studieren können", sagt er. Aber die Landwirtschaft habe ihn interessiert, weil er sich dort mit ganz unterschiedlichen Themen auseinandersetzen muss.
"Es stellen sich biologische Fragen ebenso wie technische und ökonomische. Es gibt strategische Entscheidungen, die sehr weitreichende Folgen haben und in anderen Situationen muss ich sehr schnell reagieren", erklärt er. Schließlich sei praktisches Können ebenso gefragt wie theoretisches Wissen. Kurzum: "Zwischen Schweinen zu stehen, die gut drauf sind, ist ein schönes Gefühl", sagt der Landwirt.
Aufwändige Stallsanierung
Umso größer ist der Wermutstropfen, dass seine Ställe derzeit leer stehen. Der Betrieb, den G. vor über 20 Jahren von seinen Eltern übernommen hat, stützt sich neben der Schweinemast auch auf Ackerbau und Forstwirtschaft. "Wirtschaftlich gesehen war die Schweinemast jedoch die tragende Säule", sagt der Bauer aus dem Münsterland.
Grund für die leerstehenden Ställe: G. denkt daran, die Schweinemast aufzugeben. "Unsere Stallgebäude sind eher alt - der jüngste Stall ist im Jahr 2001 gebaut worden. Das heißt, wir haben höhere Reparaturkosten und brauchen pro Schwein mehr Arbeitszeit als in einem Stall, der nach neuesten Vorstellungen gebaut wurde", erklärt der 51-Jährige.
Wenn G. in diesen Gebäuden weiter Schweine halten wollte, müsste er sie aufwändig auf einen aktuellen technischen Stand bringen. "Dann hätte ich aber immer noch nicht die Bedingungen wie in einem Neubau", sagt er.
Konkurrenz aus Spanien
Bislang hat er diese Investition gescheut. "Im preisgünstigen Fleisch-Segment wird in Ländern wie Spanien immer günstiger produziert als in Deutschland", sagt er. Während die Anzahl der insgesamt gehaltenen Schweine in Deutschland innerhalb von drei Jahren um fast 20 Prozent auf rund 20,8 Millionen gesunken ist, haben die spanischen Produzenten ihren Schweinebestand aufgestockt und treten im europäischen Wettbewerb zunehmend als preisaggressive Konkurrenten auf.
G. geht deshalb davon aus, dass er nur im hochpreisigen Bereich Chancen hätte. "Allerdings sind die Baukosten hoch, das heißt wir sind auf eine Förderung bei den Baukosten ebenso angewiesen wie auf Sicherheit beim Verkauf beziehungsweise bei den Verkaufspreisen in den nächsten Jahren - und nicht nur punktuell", sagt er. Wenn er sehe, wie klein der Fördertopf für den Umbau der Tierhaltung werden soll, scheine das eher eine Alibi-Veranstaltung zu sein.
Immer mehr Schweinebetrieb geben auf
So wie G. geht es vielen Schweinebauern in Deutschland. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Gab es im Mai 2020 noch 20.400 schweinehaltende Betriebe, rechnet die Branche in diesem Jahr nur noch mit 16.100 Betrieben. Etwa jeder fünfte Betrieb hätte damit in den vergangenen drei Jahren die Schweinehaltung eingestellt. Auch im vergangenen Jahr soll jeder zehnte Betrieb die Schweinehaltung aufgegeben haben.
Zu den Ursachen zählen die Corona-Pandemie, das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland und zuletzt die steigenden Preise durch den Ukraine-Krieg. Laut Zahlen der Interessensgemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e.V. hat sich die Zahl der Halter in den vergangenen zehn Jahren knapp halbiert.
Politische und finanzielle Unsicherheit
Politische und finanzielle Unsicherheit machen die Schweinehalter als Hauptursachen für die rollende Ausstiegswelle aus. Denn das politische Ziel ist zwar klar – ein nachhaltiger und artgerechter Umbau der Tierhaltung –, doch der Weg dahin nicht. Beschlüsse zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und zum Baugesetzbuch gibt es zwar bereits, jedoch sind Umwelt- und Emissionsrecht noch nicht entsprechend angepasst. Ungeklärt sind Genehmigungs- und Finanzierungsfragen.
Bei G. sieht die Situation so aus: "Ich habe einen Antrag auf einen Ersatz-Neubau gestellt, der fast genehmigungsreif ist." In dem neuen Stall könnte er statt 1700 Tiere auf Spaltenboden und im geschlossenen Stall entweder 1200 Tiere konventionell, aber mit Auslauf und auf Stroh halten, oder 800 Tiere auf Bio-Standard. "Ein Neubau ist allerdings nur zu finanzieren, wenn die Baumaßnahme gefördert wird und ich zusätzlich einen Vertrag schließen kann, in dem mir der Absatz gesichert wird", betont er.
Anders seien die immensen Baukosten nicht zu stemmen. Dass der Bauantrag so weit gediehen ist, ist die letzte Hoffnung, an die G. sich klammert. Denn er wäre einer der wenigen, die die Förderung beantragen könnte – wenn sie denn kommt.
Nachfrage sinkt seit Jahren
Von anderen Landwirten hört G. zum Teil Ähnliches. "Die, die noch Schweine haben, bekommen seit einigen Wochen endlich bessere Preise", sagt er. Strukturell habe sich aber nichts geändert, die Produktionskosten seien in Deutschland immer noch deutlich höher als anderswo. "Ich habe selten eine so pessimistische Stimmung erlebt", gibt er zu.
Denn: Ab März 2020 waren die Preise für Schweinefleisch stark gefallen und bewegten sich bis Anfang Februar 2022 auf einem äußerst niedrigen Niveau. Der jetzige Anstieg geht jedoch mit einem Anstieg auf der Kostenseite einher – vor allem bei Futter und Energie. Aktuell kostet Schweinefutter etwa 25 bis 35 Prozent mehr als noch vor knapp drei Jahren.
Diese Preissteigerung spüren auch die Verbraucher. Die hohe Inflation schwächt die ohnehin rückläufige Nachfrage nach Schweinefleisch zusätzlich. Im letzten Jahrzehnt ist der Pro-Kopf-Verzehr von 38,7 Kilogramm auf 29 Kilogramm gesunken.
Wunsch nach mehr Ehrlichkeit
G. wünscht sich vor allem Ehrlichkeit von Politik und Gesellschaft. "Wenn Politik und Verbrauchern die Lebensbedingungen unserer Tiere wirklich am Herzen liegen würden, dürften Verschärfungen des Ordnungsrechts – also Auflagen, wie viel Platz, welches Beschäftigungsmaterial und so weiter – nicht beschlossen werden, ohne dass gleichzeitig entweder die Umstrukturierung gefördert wird oder Importe unterbunden werden, wenn die Produkte zu geringeren Standards erzeugt wurden", ärgert er sich.
Genau das sei aber passiert. "Die Landwirtschaft wird hier gegängelt - und statt heimischer Produkte wird mehr und mehr importiert", beobachtet er. Allein 2022 wurde etwa ein Viertel des in Deutschland verzehrten Schweinefleischs importiert. "Durch die Betriebsaufgaben ist dieser Wert seitdem sicherlich gestiegen", meint G.
Statt Absichtserklärungen und Dialogen, die vor allem auf dem Papier stattfinden, fordern die Schweinehalter: echter fachlicher Austausch und eine ressortübergreifende Koordination. Ebenso brauche es ein Finanzierungskonzept, welches den Schweinehaltern langfristig eine wirtschaftliche Umsetzung höherer Tierwohlstandards ermöglicht.
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