Am Mittwoch startet in Regensburg der 99. Deutsche Katholikentag. 80.000 Besucher werden erwartet. Über 1.000 Veranstaltungen sind geplant. Aber welchen Stellenwert hat der Glaube in Deutschland eigentlich noch?
"Mit Christus Brücken bauen" – so lautet das Motto des diesjährigen Deutschen Katholikentags (DKT). Und tatsächlich sieht es auf den ersten Blick so aus, als würden die Organisatoren genau das tun. Immerhin eröffnet mit Bundespräsident
Man gibt sich weltoffen und modern und erhofft sich eine entsprechende Resonanz. Doch noch ist die Stimmung wenig euphorisch, hat der Twitter-Account zum Event bei erwarteten 80.000 Besuchern gerade mal 2.000 Follower.
Nicht nur ein geistliches Event
Geht es nach dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, soll der DKT nicht nur ein geistliches Ereignis werden, sondern auch ein "Forum des offenen und kultivierten Gesprächs". Dafür sorgen neben dem offiziellen Programm kirchliche Reformgruppen, die mit dem unabhängigen Ökumenischen Zentrum "Katholikentag plus" das fünftägige Großevent drei Tage aktiv mitgestalten. Der kirchliche Umgang mit Geld wird dabei ebenso diskutiert wie die Frage nach der katholischen Sexualmoral, nach der Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen. Auch Alternativen zum Kapitalismus oder existenzielle Fragen von Gewalt und Versöhnung kommen zur Sprache, heißt es.
Als aufgeklärter Katholik weiß Christian Weisner von der Reformbewegung "Wir sind Kirche" jedoch, dass die Kirche heute für viele keine soziale und kulturelle Heimstätte mehr ist und schon gar nicht als Diskussionsforum angesehen wird. "Die lebenslange Bindung an eine organisierte Glaubensgemeinschaft, die früher selbstverständlich war, gibt es heute nicht mehr", sagt der 62-Jährige. Andererseits seien heute viele Menschen in ihrer Gemeinde viel engagierter als früher. Zumindest, wenn sie der Kirche überhaupt erhalten bleiben.
Auch wenn die Katholische Kirche eigentlich keine Kirchenaustritte kennt – denn eine Taufe kann nicht rückgängig gemacht werden und die Katholische Kirche definiert sich als Gemeinschaft der Getauften – laut Informationen der Deutschen Bischofskonferenz gab es allein im Jahr 2012 immerhin 118.335 Kirchenaustritte. Auch aus der Evangelischen Kirche traten zuletzt pro Jahr mehr als 100.000 Gläubige aus. Beide Kirchen sollen 2013 jeweils etwa 23 Millionen Mitglieder gehabt haben.
Raum für alle?
Das erste Problem besteht laut Weisner darin, dass immer mehr Christen ihren Glauben außerhalb der etablierten Kirchen suchen, wenn sich diese zu Moralanstalten entwickelten, anstatt auch in psychischen und sozialen Nöten zu helfen. "Wenn Menschen, die nach ihrer Scheidung wieder heiraten, nicht mehr zur Kommunion gehen dürfen, oder wenn eine Gemeinde jemanden nicht willkommen heißt, weil er oder sie in einer homosexuellen Beziehung lebt", erläutert Weisner, "dann wirkt Kirche aus- statt einladend." Gottgläubige werden so zu Konfessionslosen, weil sie sich in ihrer Kirche nicht mehr aufgehoben fühlen.
Auch den Umgang mit der Kirchensteuer nennt Weisner als Ursache für die Unzufriedenheit vieler mit dem System Kirche. Wer nicht weiß, was mit dem Geld geschieht, geschweige denn Einfluss darauf hat, entscheidet sich schließlich irgendwann gegen die Zwangsabgabe – und die Mitgliedschaft in einer landeskirchlichen Gemeinde. "Hier brauchen wir viel mehr Transparenz", fordert Weisner "und ein Mitspracherecht darüber, wo die Schwerpunkte in den Kirchen und Gemeinden gesetzt werden sollen."
Alternative Kirchengemeinden
Wie wichtig Integration und Beteiligung sind, beweist der Zulauf zu Freikirchen der Baptisten, Methodisten und Adventisten. Sie bekommen keine Kirchensteuer, kennen aber dank der Spendenbereitschaft ihrer Mitglieder kaum Geldsorgen. Ob auch die Zeugen Jehovas oder Scientology den Landeskirchen Mitglieder streitig machen, bezweifelt Weisner zwar. Andererseits müsse im Religionsunterricht weiterhin über Sekten aufgeklärt werden. Tatsächlich beunruhigen ihn aber die Freikirchen. "Das sind gemeindeorientierte Kirchen, die ihren Mitgliedern vor allem eine emotionale Heimat bieten." Sie gelten gemeinhin als "näher dran" an der Lebenswelt ihrer Mitglieder, anders als viele Landeskirchen. Gefährlich wird es immer erst dann, wenn daraus eine emotionale Abhängigkeit erwächst. Weisner glaubt: "Solange man mitmacht, ist man gut. Kommen jedoch irgendwann Zweifel auf, wird starker Druck ausgeübt."
Wie auf die sich verändernde Kirchenlandschaft reagiert werden soll und welche Möglichkeiten es gibt, den Glauben weiterzugeben, auch das sind drängende Fragen in den kommenden Tagen. Mögliche Antworten gibt es spätestens am Sonntag – dann endet der DKT.
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