Es ist beschlossen: Künftig erhalten die Abgeordneten im Bundestag zehn Prozent höhere Diäten. Statt wie bisher im Eigenregie der Parlamentarier festgelegt, soll die Entschädigung an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst werden. Doch das neue Verfahren widerspricht geltendem Recht.
Mit 464 Ja- und 115 Nein-Stimmen sowie zehn Enthaltungen haben die Abgeordneten im Bundestag am Freitagvormittag für höhere Diäten gestimmt. In zwei Schritten soll ihre monatliche Entschädigung bis zum Jahreswechsel von 8.252 Euro um zehn Prozent auf 9.082 Euro steigen – so hoch wie das Gehalt von Bundesrichtern. Denn Bundesrichter, so argumentierte die Expertenkommission um den FDP-Politiker Edzard Schmidt-Jortzig, die den Gesetzesvorschlag eingebracht hatte, hätten ähnlich viel Verantwortung wie Spitzen-Politiker.Dagegen sinkt das Höchstniveau für die Altersbezüge von 67,5 auf 65 Prozent. Wer mit unter 63 Jahren in Pension geht, muss zudem mit Abschlägen rechnen. Doch die wohl wichtigste Neuregelung lautet, dass die Abgeordneten über die Höhe ihrer Diäten künftig nicht mehr selbst entscheiden sollen. Stattdessen soll sie an die Entwicklung der Bruttolöhne gekoppelt werden. Doch derartigen Automatismen hat das Bundesverfassungsgericht 1975 eine klare Absage erteilt. Gehälter sollten "vor den Augen der Öffentlichkeit" festgelegt werden, hieß es damals aus Karlsruhe. Schließlich sei bei dem Verfahren nicht nur Transparenz geboten, sondern auch eine gesellschaftliche Debatte erwünscht.
Da stöhnt der Steuerzahler
Genau das wollen die Abgeordneten von nun an vermeiden. Um den Verdacht der "Selbstbedienung" auszuräumen und peinliche Rechtfertigungsversuche zu beenden. Immerhin kostet die erneute Diäten-Erhöhung nach Angaben der Koalition die Steuerzahler dieses Jahr 1,7 Millionen und nächstes Jahr 3,5 Millionen Euro. 2016 sollen laut dem Bund der Steuerzahler (BdSt) sogar sieben Millionen Mehrkosten fällig werden. Angesichts zusätzlich geplanter, steuerfreier Zulagen und Pensionsansprüche früherer Abgeordneter in Höhe von 39 Millionen alleine im vergangenen Jahr, "verbietet es sich, die Diäten auch nur um einen Euro anzuheben", kritisiert BdST-Präsident Reiner Holznagel.
Auch die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte: "Ich halte das für völlig unangemessen in so kurzer Zeit." Die Linke hatte im Vorfeld angekündigt, gegen das Gesetz zu stimmen. Bei einer Billigung durch das Parlament sollten Mehreinnahmen gespendet werden.
Warum Diäten angemessen sein müssen
Diätenerhöhungen sind immer umstritten. Dabei ist die Angst vor raffgierigen Politikern, die sich nach Belieben aus der Staatskasse bedienen, so unbegründet wie falsch. Unbegründet, weil maßlose Selbstbereicherung in diesem Fall nicht zu verbergen wäre und spätestens bei den nächsten Wahlen abgestraft würde. Falsch, weil nicht mehr Geld, sondern mehr Korruption das Problem ist.
Diäten sollen Verdienstausfälle von Abgeordneten ausgleichen, die während der Ausübung eines Mandats zustande kommen. Dass Diäten im Zweifel das berufsmäßige Durchschnittsgehalt deutlich übersteigen, macht Sinn. Immerhin muss die Unabhängigkeit von Volksvertretern gewahrt und Käuflichkeit, soweit es geht, unterbunden werden. Deshalb wurde heute auch ein zweites angenommen, das Abgeordnetenbestechung erstmals zum Straftatbestand erklärt. Wer sich bestechen lässt oder selbst besticht, erhält eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Statt Politikgehälter ins Visier zu nehmen, sollte die Diskussion um die Begrenzung von Vorstandsgehältern verstärkt werden. Satte 14,5 Millionen Euro verdiente der Vorstands-Vorsitzende von VW, Martin Winterkorn, im Jahr 2012. Auf Position zwei und drei der deutschlandweit höchsten Manager-Einkommen befinden sich Daimler-Chef Dieter Zetsche mit 8,2 Millionen und der frühere Siemens-Vorstand Peter Löscher mit 7,9 Millionen Euro.Zum Vergleich: Der durchschnittliche Geschäftsführer in der Automobilindustrie verdient laut der Hamburger Vergütungsverwaltung Personalmarkt 370.000 Euro pro Jahr. Holger Jentsch, Abteilungsleiter bei Grohe, Europas größtem Hersteller von Badarmaturen, erhielt 2012 rund 80.000 Euro. Und wer sich, wie Angela Merkel, den Job der Kanzlerin zutraut, kann sich immerhin über 220.000 Euro pro Jahr freuen. Obwohl sie damit mehr als 65 Jahresgehälter von Martin Winterkorn entfernt ist.
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