Deutschland war 2016 wieder mal Exportweltmeister, doch von ausländischen Staatschefs wie Donald Trump oder Marine Le Pen wird der Handelsüberschuss stark kritisiert. Deutschland mache andere Volkswirtschaften kaputt, behaupten sie. Der Wirtschaftsexperte Thore Schlaak erklärt die positiven und negativen Folgen des Exportwunders.

Ein Interview

Herr Schlaak, US-Präsident Donald Trump und die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen übten zuletzt scharfe Kritik am deutsche Exportüberschuss. Wie erklären Sie den Begriff einem Laien?

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Thore Schlaak: Ein Exportüberschuss ergibt sich in einer Volkswirtschaft, wenn mehr im Inland produzierte Güter und Dienstleistungen ins Ausland verkauft werden als im Ausland produzierte Güter eingeführt werden.

Es geht also um die Differenz der Exporte und Importe: Ist der Wert der ausgeführten Waren größer als der Wert der eingeführten Waren, spricht man von einem Exportüberschuss oder einer positiven Handelsbilanz, im umgekehrten Fall liegt eine negative Handelsbilanz vor.

Was sind negative Auswirkungen des Exportüberschusses?

Deutsche Exportüberschüsse haben immer auch ausländische Defizite zur Folge – und diese Defizite müssen finanziert werden.

Dies geschieht dadurch, dass ein Exportüberschuss von einem gleichzeitigen Kapitalexport ins Ausland begleitet wird. Deutschland verleiht also Kapital an ausländische Regierungen, Unternehmen und Konsumenten anstatt es im Inland zu investieren, beispielsweise in bessere Verkehrsinfrastruktur, den Ausbau der digitalen Infrastruktur oder Forschung und Entwicklung.

So wird Deutschland Gläubiger jener Länder, die negative Handelsbilanzen aufweisen. Bestehen die Handelsungleichgewichte dauerhaft, kann das zu einem Problem werden.

Inwiefern?

Wenn Sie anderen Ländern immer weiter Geld leihen, könnten sich diese Staaten überschulden, wie das Beispiel Griechenland zeigt. Das führt im schlimmsten Fall zu einem Staatsbankrott mit extrem schädlichen, weltweiten Folgen.

Ein weiterer Kritikpunkt ausländischer Politiker: Es gehen Marktanteile an deutsche Unternehmen verloren, die sonst heimische Produzenten in den jeweiligen Ländern hätten. Deutschland saugt quasi die ganze Nachfrage an, andere Länder kommen nicht mehr zum Zug.

Wie ist der deutsche Überschuss zu erklären?

Trump kritisiert, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit künstlich zustande käme. Richtig ist einerseits: Ein Teil der hohen deutschen Wettbewerbsfähigkeit beruht darauf, dass es in den 2000er Jahren hierzulande eine nahezu stagnierende Reallohnentwicklung gab. Niedrige Löhne halten die Produktionskosten gering und erleichtern den Export deutscher Waren.

Andererseits wird in Deutschland, auch aufgrund des demographischen Wandels, sehr viel gespart. Diese Ersparnisse werden zur Zeit wohl zu großen Teilen im Ausland investiert oder angelegt.

Ist das Label "Made in Germany" ein Grund für die Beliebtheit deutscher Waren?

Ja. Das ist ganz klar das Qualitätsargument. Deutsche Waren sind hochwertig produziert und weltweit stark gefragt. Hinzu kommen weitere Gründe für den hohen Exportüberschuss wie der Wechselkurs des Euro, der wohl für Deutschland seit geraumer Zeit zu niedrig ist und deutsche Produkte auf dem Weltmarkt billig hält.

Allerdings hat die Bundesregierung darauf – anders als von Trump behauptet – nur geringen Einfluss. Der Euro ist ein Gemeinschaftsprojekt.

Was sind die deutschen Exportschlager?

Den größten Anteil haben Fahrzeuge mit rund 23 Prozent an den deutschen Gesamtausfuhren, danach kommen Maschinen und Geräte mit einem Anteil von 20 Prozent. Wichtig sind auch pharmazeutische und chemische Erzeugnisse mit 15 Prozent.

Trump stellt die USA angesichts der negativen Handelsbilanz mit Deutschland oder China ein wenig als Opfer dar. Welche Möglichkeiten hätte der US-Präsident, an diesem Zustand etwas zu ändern?

Es bedarf dort einer Wirtschaftspolitik, die es ermöglicht, sich der Konkurrenz der deutschen Produkte zu stellen. Trump will allerdings durch Importzölle ausländische Waren auf dem US-Markt teurer machen, um die Nachfrage nach einheimischen Produkten anzukurbeln. Das würde theoretisch zu weniger Einfuhren aus Deutschland führen.

Ob diese Politik überhaupt umgesetzt wird und ob sie dann funktioniert, ist wieder eine andere Frage.

Ist der Handelsüberschuss Deutschlands wirklich eine Gefahr für die Weltwirtschaft, wie Kritiker behaupten?

Nein, der Handelsüberschuss ist zunächst nur Ausdruck vom Zusammenspiel ganz normaler Wirtschaftsmechanismen und trägt zum wirtschaftlichen Wachstum und somit zum Wohlstand bei – bei uns und im Ausland. Jedoch sollte stets überprüft werden, ob in Deutschland weiterhin die wirtschaftlichen Bedingungen für Bürger und Unternehmen stimmen.

Mit Investitionen in Bildung und Infrastruktur könnte die hiesige Konjunktur angekurbelt werden, höhere Löhne dürften wiederum den Konsum und die Importe steigen lassen. Dies würde dann auch die Handelsüberschüsse sinken lassen.

Zur Person: Thore Schlaak (30) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Der „Master of Science“ beschäftigt sich dort schwerpunktmäßig mit dem deutschen Außenhandel.
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