Fast jeder zweite Amerikaner fände ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump richtig. Doch ein Impeachment könnte auch ein hohes Risiko für das Land darstellen – und die gesellschaftlichen Gräben vertiefen.
Die Umfrage dürfte
Das sind zwar weniger als die 48 Prozent, die gegen ein solches Verfahren sind. Doch die Zahl der Befürworter ist demnach im Vergleich zur Vorwoche um fünf Prozent gestiegen.
Könnte der umstrittene Präsident tatsächlich der erste sein, der mit einem "Impeachment" aus dem Weißen Haus geworfen wird?
Impeachment nur bei schwerwiegenden Vergehen
Die amerikanische Verfassung setzt einer Amtsenthebung des Präsidenten hohe Hürden – nicht umsonst ist das Verfahren in der US-Geschichte noch nie zu Ende geführt worden.
Das Repräsentantenhaus müsste mehrheitlich beschließen, Anklage beim Senat zu erheben. Im Senat wäre dann eine Zweidrittelmehrheit nötig, um den Präsidenten aus dem Weißen Haus zu vertreiben.
Für eine Anklage müssten aber schwerwiegende Verfehlungen vorliegen, darauf weist Dr. Tobias Endler vom Heidelberg Center for American Studies im Gespräch mit unserer Redaktion hin.
Trump steht im Verdacht, den später gefeuerten Direktor des Geheimdienstes FBI gedrängt zu haben, Ermittlungen gegen seinen kurzzeitigen Sicherheitsberater einzustellen.
"Wenn ihm eine solche Behinderung der Justiz nachzuweisen ist, wäre das ein Grund, aus dem ein Impeachment Erfolg haben könnte", sagt Endler.
Politisch sei es derzeit aber schwer vorstellbar, dass sich auch genügend republikanische Abgeordnete gegen Trump stellen. "Die müssten dann bei den nächsten Wahlen – wenn es um ihr eigenes Amt geht – erklären, warum sie dabei mitgeholfen haben, den eigenen Präsidenten zu stürzen."
"Seine Anhänger würden mobil machen"
Amerika-Experte Endler betont auch: "Das Land kann bei einem solchen Verfahren schweren Schaden nehmen. Wenn der Präsident angeklagt wird, ist es politisch sozusagen gehandicapt."
Ein Amtsenthebungsverfahren wäre also ein großes Risiko, auch weil es die schon jetzt tiefe gesellschaftliche Spaltung in den USA möglicherweise vergrößern würde.
"Trumps Anhänger würden mobil machen und er selbst würde sie ohne Zweifel auch dazu anstacheln – nach dem Motto: Seht her, die korrupten Eliten stehlen euch euren demokratisch gewählten Präsidenten!"
Das sei hochgefährlich und eine Katastrophe "für das ohnehin arg strapazierte Vertrauen in den Politikbetrieb".
Fred Hiatt, Mitherausgeber der "Washington Post" warnte in seiner Zeitung sogar vor einem Krieg, der sich intensivieren könnte: Trumps Unterstützer würden die Amtsenthebungsverfahren als unrechtmäßige Verkürzung der Amtszeit interpretieren. "Sie würden schwören, einen Staatsstreich rückgängig zu machen."
Auch wenn seine Zustimmungswerte so miserabel sind wie bei noch keinem Präsidenten zu Beginn seiner Amtszeit: Trumps Rückhalt bei seinen Wählern ist weiterhin groß.
"Er hält weiterhin Kontakt zu ihnen", erklärt Tobias Endler, "wenn er jetzt seine Thank-You-Tour fortsetzt, ist das fast schon wieder eine Wahlkampftournee."
Nach Trump käme Pence als Präsident
Und wenn es doch soweit käme? Die amerikanische Verfassung sieht für den Fall eines erfolgreichen Impeachments nicht etwa Neuwahlen vor.
Der Vizepräsident würde stattdessen bis zum Ablauf der Legislaturperiode aufrücken: Mike Pence also, ein Mann, der liberalen Amerikanern wohl ähnliche Bauchschmerzen bereiten würde wie Trump.
"
Aber der erzkonservative Evangelikale wirke harmloser als er ist. Er bezweifelt zum Beispiel den Klimawandel, sieht in der Homo-Ehe eine Bedrohung für die Gesellschaft.
"Allerdings wäre nicht klar, ob ein Präsident Pence wirklich die Autorität hätte, das Amt auszufüllen und das Land dauerhaft zu führen" erklärt der USA-Experte. "Trump würde ja nicht sang- und klanglos verschwinden."
Da es eben kein historisches Vorbild gibt, sind Voraussagen für den Fall der Fälle schwierig.
"Eine denkbare Variante wäre auch, dass Trump seinen Vizepräsidenten mit in den Abgrund zieht", erklärt Endler. Schließlich sei Pence mit dem Präsidenten eng verbunden.
In diesem – sehr hypothetischen – Fall würde dann der Sprecher des Repräsentantenhauses ins Weiße Haus einziehen. Derzeit ist das Paul Ryan, ebenfalls ein erzkonservativer Republikaner.
Was wären die Lehren?
Was aber würde das für die Demokratie bedeuten: der erste Präsident, den ein Amtsenthebungsverfahren aus dem Weißen Haus befördert?
Tobias Endler glaubt, dass die USA dann über Konsequenzen aus diesem "Fiasko" diskutieren müssten.
"Generell ist schon fragwürdig, ob eine so große Konzentration der Macht beim Präsidenten wirklich sinnvoll ist." Schließlich habe schon Barack Obama mit einer Vielzahl von Dekreten regiert.
Eine bessere Kontrolle der Regierung wäre laut Endler sinnvoll. Genau wie Gesetze für mehr Transparenz im politischen Geschäft – etwa was die Finanzen künftiger Staatsoberhäupter betrifft.
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