US-Präsident Donald Trump stiftet Chaos, auch bei der Nato. Unter dem Strich kann er mit seinem Kurs aber erste Erfolge verbuchen. Ist ihm das Bündnis am Ende vielleicht sogar dankbar?
Erst wirft er Deutschland vor, sich von Russland kontrollieren zu lassen. Dann nennt er die deutsch-amerikanischen Beziehungen "hervorragend". Schließlich twittert er, die Nato-Partner müssten sofort zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben und nicht erst 2025 - und nimmt damit wieder Deutschland in den Blick. Und dann bringt er auch noch eine Verdoppelung des Nato-Ziels auf vier Prozent ins Spiel.
Ja, was denn nun? Ganz überraschend kommt Donald Trumps Auftreten in Brüssel nicht. Aber die 28 Partner wissen trotzdem nicht so recht, was sie damit anfangen sollen.
Was will Trump mit seinem Hin und Her bewirken?
Vor seinen Anhängern in der Heimat kann er sich als Macher präsentieren, der sich erfolgreich dagegen wehrt, dass die USA über den Tisch gezogen werden. Und das an mehreren Fronten.
Während Trump in Brüssel den Grundstein für seine neuerliche Schelte legte, veröffentlichte sein Handelsbeauftragter Robert Lighthizer eine fast 200 Seiten lange Liste mit weiteren Waren aus China, die mit Strafzöllen von zehn Prozent belegt werden könnten. Mit diesem Dauerfeuer an Drohungen unterfüttert Trump außenpolitisch sein Image als unberechenbarer Machtpolitiker, der andere vor sich hertreibt und sie unter Zugzwang setzt.
Was ist das Ergebnis?
Chaos. Die Geschlossenheit der Nato wird infrage gestellt. Durch den Westen ziehen sich Risse. Ob es Trump aber gelingt, die Nato dauerhaft zu beschädigen, wird erst die Zeit zeigen.
Wo stehen die anderen Nato-Partner im deutsch-amerikanischen Streit?
Zumindest fallen sie Kanzlerin Angela Merkel bislang nicht in der Öffentlichkeit in den Rücken. Das mag auch daran liegen, dass es vielleicht nicht jeder europäische Nato-Partner uneingeschränkt positiv sehen würde, wenn Deutschland auf einmal doppelt so viel Geld für Verteidigung ausgeben würde und damit in Europa noch einflussreicher und mächtiger werden würde.
Im Streit um die deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 steht Merkel allerdings ziemlich allein da. Bei den Gipfelberatungen am Mittwoch machten neben Trump auch noch andere Staats- und Regierungschefs deutlich, dass sie das Projekt als Gefahr für die Energiesicherheit sehen.
Wird sich etwas an der deutschen Haltung ändern?
Deutschland ist Trump schon ein Stück entgegengekommen. Kanzlerin Angela Merkel verspricht jetzt immerhin, die Verteidigungsausgaben bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Derzeit sind es 1,24 Prozent. Die bisherige Finanzplanung bis 2022 gibt das allerdings nicht her. Da muss dann in den Haushaltsberatungen für 2019 wohl noch nachgesteuert werden. Aber 1,5 Prozent reicht den Amerikanern ohnehin nicht aus.
Eine weitere Erhöhung ist aber in Deutschland kaum vermittelbar. 60 Prozent sprachen sich in einer aktuellen Yougov-Umfrage dagegen aus, nur 15 Prozent dafür. Beim Thema Nord Stream 2 hat Merkel bereits im April einen sehr engen Austausch über die politische und strategische Dimension des Projekts versprochen.
Wird Trump irgendwann Ruhe geben?
Wenn man sich seine bisherige Amtszeit anschaut, gilt das als unwahrscheinlich. Hat Trump sich einmal in ein Thema verbissen, lässt er nicht locker. Beim Handelskonflikt mit China etwa legt er immer noch eine Schippe drauf und lässt den Zollstreit weiter eskalieren.
Auch bei der Nato gehen ihm die Drohungen und Forderungen bislang nicht aus. So brachte er am Dienstag erneut die Forderung ins Spiel, dass die anderen Mitglieder ihre Verteidigungsausgaben auf vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigern sollten und nicht nur auf zwei Prozent.
Hat er noch andere Möglichkeiten, Druck auf Deutschland ausüben?
Er könnte eine Reduzierung oder einen teilweisen Abzug der in Deutschland stationierten US-Truppen in Erwägung ziehen - auch wenn er damit eigenen strategischen Interessen zuwiderlaufen würde.
Er könnte auch die Beistandspflicht der Nato ernsthaft in Frage stellen, den Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. Darin haben die Mitgliedstaaten vereinbart, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen als ein Angriff gegen alle angesehen werden wird und sie sich gegenseitig unterstützen. (mgb/dpa)
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