Donald Trump wird Teil einer besonderen Runde: Er reiht sich als Dritter in die Liste der US-Präsidenten ein, gegen die ein Impeachment-Verfahren eingeleitet wurde. Zuletzt musste sich Bill Clinton vor 21 Jahren einem Amtsenthebungsprozess im Senat stellen. Doch was unterscheidet die Verfahren? Und welche Gemeinsamkeiten gibt es?
55 Kongressabgeordnete dürften gerade ein Déjà-vu erleben. 1998, fast auf den Tag genau vor 21 Jahren, waren sie laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schon einmal bei einem Amtsenthebungsverfahren dabei: bei dem gegen den damaligen US-Präsidenten
In jedem Fall ist die Eröffnung des Verfahrens ein großer Makel für den aktuellen US-Präsidenten
Den 55 Abgeordneten wird nun wohl einiges bekannt vorkommen, gibt es doch Parallelen zwischen den Verfahren gegen Clinton 1998 und Trump 2019. Wir haben zusammengefasst, was die beiden Prozesse gemeinsam haben – und was sie unterscheidet.
Die Ursache für das Impeachment-Verfahren
Bill Clinton: Das Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton wurde 1998 eingeleitet, weil er seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky zu verschleiern versucht hatte. Die Anschuldigungen lauteten auf Meineid und Behinderung der Justiz.
Donald Trump: Gegen den Republikaner wurde nun ein Amtsenthebungsverfahren wegen der Ukraine-Affäre eingeleitet. Trump hatte Kiew zu Ermittlungen gegen den früheren US-Vizepräsidenten
Die Ausgangslage
Sitzverteilung bei Bill Clinton:
- Repräsentantenhaus: 207 Demokraten – 227 Republikaner – 1 Unabhängiger
- Senat: 45 Demokraten – 55 Republikaner
Sitzverteilung bei Donald Trump:
- Repräsentantenhaus: 233 Demokraten – 197 Republikaner – 1 Unabhängiger – 4 vakant
- Senat: 45 Demokraten – 53 Republikaner – 2 Unabhängige (formell den Demokraten zugehörig)
Das Impeachment-Verfahren steht und fällt mit dem Abstimmungsverhalten der Abgeordneten im Repräsentantenhaus und im Senat. Grundsätzlich votieren die Abgeordneten zwar entlang ihrer Parteilinien, doch gerade Clinton bekam während des Prozesses auch Gegenwind aus den eigenen Reihen. Aufgrund der zunehmenden Polarisierung der US-Politik sind Abweichler hingegen bei Trumps Verfahren kaum zu erwarten.
Für ein erfolgreiches Amtsenthebungsverfahren wird im Repräsentantenhaus nur eine einfache Mehrheit benötigt, im Senat hingegen eine Zweidrittel-Mehrheit – eine durch die Gründungsväter der Vereinigten Staaten bewusst hoch angesetzte Hürde.
Stimmt das Repräsentantenhaus – wie bei Clinton und Trump – für die Eröffnung eines Impeachment-Verfahrens gegen den Präsidenten, nimmt der Senat die Rolle eines Gerichts ein und entscheidet in einem Prozess über den Ausgang des Verfahrens.
Sowohl bei Clinton als auch bei Trump hatte beziehungsweise hat die jeweilige Opposition eine klare Mehrheit im Repräsentantenhaus, im Falle Clintons sogar im Senat. Trump ist hier im Vorteil, da er im Senat von Vornherein zumindest formal die Mehrheit der Abgeordneten aus der eigenen Partei hinter sich hat.
Der Verlauf
Bill Clinton: Die oppositionellen Republikaner brachten am 19. Dezember 1998 zwei Verfahren in den Senat, in dem sie die Mehrheit hatten. Clinton wurde zum einen Meineid, zum anderen Behinderung der Justiz vorgeworfen. Dem ersten Verfahren stimmten 228 Abgeordnete des Repräsentantenhauses zu (206 dagegen), dem zweiten 221 (212 dagegen). Trotz der Anklage weigerte sich Clinton, zurückzutreten.
Donald Trump: Im Repräsentantenhaus stimmte eine Mehrheit von 230 zu 197 der Abgeordneten für die Eröffnung eines Impeachments-Verfahrens wegen mutmaßlichen Machtmissbrauchs. Anschließend sprach sich auch eine Mehrheit von 229 zu 198 der Abgeordneten für das Verfahren wegen Behinderung des Kongresses durch Trump aus. Der Prozess liegt damit jetzt beim Senat. Einige führende republikanische Senatoren streben einen kurzen Prozess ganz ohne Zeugen an, der nur zwei Wochen dauern könnte.
Die Geschwindigkeit, mit der die Demokraten das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump vorantreiben, ist in jedem Fall erstaunlich. Laut der US-Nachrichtenseite „Axios“ dauerte es nur 11 Tage von der Vorladung der Whistleblower bis zum Amtsenthebungsverfahren gegen Trump – bei Clinton waren es 260 Tage, von den ersten Berichten über die Lewinsky-Affäre bis zum Beginn des Verfahrens.
Der Ausgang
Bill Clinton: Der Impeachment-Prozess gegen Clinton dauerte knapp fünf Wochen. Im Dezember 1998 wurde Bill Clinton angeklagt, der Senat sprach ihn im Februar 1999 frei. Bemerkenswert: Im Verfahren gegen Clinton wegen Behinderung der Justiz wechselten fünf Republikaner die Seite, im Verfahren wegen Meineids sogar zehn. Die Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung wurde damit deutlich verfehlt.
Donald Trump: Anfang Januar wird der Senat Trump höchstwahrscheinlich freisprechen. Denn mindestens 20 Republikaner müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit (67 Abgeordnete) zu erreichen. Das ist nicht in Sicht.
Die Bevölkerungsmeinung
Bill Clinton: Beim Verfahren von Clinton stand eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung hinter ihm. Umfragen von 1999 zeigen, dass die Öffentlichkeit zwar eine Form der Bestrafung wollte, sie lehnte es aber ab, dass Clinton aus dem Amt entfernt wird. Nur ein Drittel der Befragten unterstützte überhaupt die Einleitung des Impeachment-Verfahrens durch das republikanisch geführte Repräsentantenhaus.
Donald Trump: Das Verfahren gegen Trump spaltet die US-Gesellschaft, der Riss verläuft entlang der Parteigrenzen beziehungsweise -präferenzen. Aktuell befürworten 47,4 Prozent der Befragten eine Amtsenthebung und damit ein Ende der Trump-Präsidentschaft, 46,3 Prozent lehnen das ab. Das Verfahren wird hingegen von 82,7 der Anhänger der Demokraten unterstützt, aber nur von jedem Zehnten Republikaner-Wähler.
Die Gemeinsamkeiten
Während sich die Wege zu den Impeachment-Verfahren und deren Hintergründe bei beiden Präsidenten deutlich unterscheiden, gibt es auch einige Gemeinsamkeiten. Wie der Historiker Russell Riley von der University of Virginia dem US-National-Public-Radio (NPR) erklärte, hatten sowohl Clinton als auch Trump frühere, politisch heikle Vorfälle überstanden – um dann den jeweils gleichen Fehler zu wiederholen.
So gab es bei Clinton bereits während seines Wahlkampfes 1992 Vorwürfe wegen sexueller Affären oder Belästigung. So verklagte Clintons ehemalige Mitarbeiterin Paula Jones den US-Präsidenten 1994 wegen sexueller Belästigung. „Und in einem Moment der Schwäche verhält er sich unpassend gegenüber einer Mitarbeiterin des Weißen Hauses“, bemerkte Riley im Interview mit dem NPR mit Blick auf die Lewinsky-Affäre.
Bei Trump hingegen ist es der Verdacht einer ausländischen Einflussnahme auf den Wahlkampf 2016 und damit in Verbindung stehende Kontakte seines Wahlkampfteams mit Russland. Das Amtsenthebungsverfahren kam durch die Veröffentlichung des Telefongesprächs mit dem ukrainischen Präsidenten ins Rollen. Nachdem Trump also nach viel Kritik und tiefgründigen Untersuchungen die Russland-Affäre überstanden hatte, „tut er genau das, was ihm vorher vorgeworfen wurde“, erklärt Riley.
Ebenso gibt es in beiden Fällen physische Beweise: Bei Clinton war es ein Kleid Lewinskys mit den DNA-Spuren des US-Präsidenten, bei Trump sind es die Aufnahmen seines Telefonats mit dem Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj – „das moderne Äquivalent zu dem blauen Kleid“, wie Riley erläutert.
Eine weitere Parallele ist die Hartnäckigkeit der jeweiligen Sprecher des Repräsentantenhauses – und das Abstreiten eines politischen Verfahrens. Bei Clinton war es der Republikaner Newt Gingrich, der bereits 1994 beschlossen haben soll, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton einzuleiten. Bei Trump ist es die Demokratin Nancy Pelosi, die bereits seit Monaten dieses Ziel verfolgt. Sie hob in der Anklageerhebung hervor, dass die Demokraten den Fakten und nicht der Politik folgen würden. „Es ist eine politische Dynamik und eine politische Entscheidung von zwei verschiedenen Sprechern für zwei verschiedene Präsidenten“, betont jedoch der republikanische Politiker Ray LaHood im NPR. LaHood hatte den Vorsitz im Repräsentantenhaus während des Impeachments gegen Clinton inne.
Und nicht zuletzt gleicht sich bei beiden Präsidenten auch der Umgang mit der Anklageerhebung: Sowohl Clinton als auch Trump tauchten nicht unter, sie suchten vielmehr die Öffentlichkeit und behaupteten, nicht durch das Verfahren beeinträchtigt zu werden.
Die Folgen
Bill Clinton: Kurz vor den Kongresswahlen 1998 wurden die Impeachment-Ermittlungen gegen Clinton eingeleitet. Seine Anhänger trieb das in so großer Zahl an die Urnen, dass die Demokraten fünf Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen und die Zahl ihrer Senatoren halten konnten. Erstmals seit 1934 legte damals die Partei des Präsidenten bei Zwischenwahlen zu, anstatt Sitze zu verlieren.
Donald Trump: Trump hat immer wieder erklärt, das Vorgehen der Demokraten werde ihm für die Wahl 2020 nutzen, weil er so seine Partei und seine Anhänger besser mobilisieren könne. Das hatten auch führende Demokraten befürchtet und deswegen lange vor einem Impeachment zurückgeschreckt.
Trump könnte sich nun weiter als Opfer einer parteipolitischen Kampagne der Demokraten inszenieren. Impeachment hin oder her: Die meisten Republikaner und auch Trumps Kernwähler halten weiterhin fest zum Präsidenten. Trumps Zustimmungswerte haben sich im Zuge der Ukraine-Affäre nicht nennenswert verändert. Wie die Präsidentschaftswahl 2020 ausgeht, bleibt dennoch wohl bis zuletzt offen.
Verwendete Quellen:
- dpa
- AFP
- "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Schon Bill Clinton musste eine Amtsanklage überstehen"
- "Axios": "Trump's speedy impeachment process"
- "FiveThirtyEight": "Do Americans Support Impeaching Trump?"
CNN: "A year after Clinton impeachment, public approval grows of House decision" - National Public Radio: "President Clinton Was Impeached 21 Years Ago. Some Parallels Run Deep"
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