Donald Trump treibt seine "America-First"-Strategie voran. Neueste und elementare Maßnahme im Protektionismus-Gebaren der USA: Der US-Präsident kündigte Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte an. Mit vielleicht fatalen Folgen für die Weltwirtschaft – und die amerikanische. Ein Experte vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag erklärt, weshalb.
Dem Welthandel droht eine neue Protektionswelle. Der Grund:
25 Prozent sollen auf Stahl- und zehn Prozent auf Aluminiumimporte erhoben werden.
Mit den Strafzöllen will die US-Regierung vor allem Billigimporte verhindern und US-Unternehmen stärken.
Welche Folgen diese neue Maßnahme in Trumps "American First"-Strategie haben könnte, erklärt Wirtschafts-Experte Ilja Nothnagel vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
Herr Nothnagel, US-Präsident Donald Trump will mit Strafzöllen auf Stahl und Aluminium die US-Industrie schützen. Ist diese Maßnahme nachvollziehbar?
Ilja Nothnagel: Als Vertreter der deutschen Wirtschaft ist das nicht nachvollziehbar. Diese Handelsauseinandersetzungen haben eine andere Dimension. Normalerweise richten sich Strafzölle gegen das Preisdumping. Das macht die EU gegen China zum Beispiel. Das machen aber auch die USA.
Und das ist hier nicht der Fall …
Was jetzt passiert, ist etwas anderes. Die Trump-Administration bezieht sich auf einen Paragrafen der Richtlinien der Welthandelsorganisation (WTO), das Leitwerk für den internationalen Handel.
Dieser Paragraf ist eigentlich für öffentliche Sicherheit und Ordnung gedacht. Sieht ein Land seine Sicherheit etwa im Kriegsfall gefährdet, kann es Zölle erheben. Diese Argumentation treibt uns Sorgenfalten auf die Stirn.
Denn damit öffnen die USA ein Kapitel, das zur Erosion des Freihandels führen kann. Andere Länder könnten folgen und das neu geschaffene Schlupfloch ebenfalls nutzen.
Sind alle in Washington auf Trumps Linie?
In Washington gab es anscheinend heftige Diskussionen. Der Kampf im Weißen Haus war sehr stark.
Inwiefern helfen oder schaden die Strafzölle der US-Wirtschaft?
Kurzfristig mag es ein Gewinn für die US-Stahlindustrie sein. Aber für alle anderen werden die Stahlpreise steigen. Denn Stahl wird zur Produktion für Autos, Computer, zum Bau von Häusern und Brücken gebraucht.
Die Zeche zahlen letztendlich die Verbraucher und andere Industriezweige. Außerdem stehen möglicherweise durch die Gegenmaßnahmen, die jetzt weltweit folgen, durchaus andere Arbeitsplätze in den USA auf dem Spiel.
Zum Schutz einer einzelnen Branche besteht also die Gefahr, dass überhöhte Preise auch weitere Wirtschaftsbereiche der USA treffen und die dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Welchen Einfluss hat dies auf die Börse, konkret auf den Dow Jones?
Die Reaktionen zeigen die Besorgnis darüber, wie es weitergeht. Jetzt geht es um harte handelspolitische Fakten. Es geht um die Frage: Wie reagieren die Handelspartner weltweit? Die EU hat bereits angekündigt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen – also bestimmte US-Produkte mit Zöllen zu belegen.
Der US-Präsident hat getwittert: Wenn ein Land wie die USA durch Handel mit fast jedem Land viele Milliarden Dollar verlören, "sind Handelskriege gut und leicht zu gewinnen". Wie ist diese Aussage zu bewerten?
Mit allergrößter Sorge. Vom internationalen Warenaustausch und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit profitieren unter Strich alle. Die internationale Arbeitsteilung ist sehr weit fortgeschritten.
Unsere Wirtschaften leben davon. Im Übrigen lebt auch die US-Wirtschaft davon, dass in den USA zum Beispel deutsche oder kanadische Firmen aktiv sind. Solche Aussagen des US-Präsidenten beunruhigen jedoch zu tiefst. Denn die Herausforderungen im internationalen Markt kann man nicht durch einseitige Maßnahmen angehen, sondern durch heimische Wirtschaftspolitik.
In Deutschland zum Beispiel hängt jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab. Also, dass deutsche Produkte auf den Weltmärkten zu fairen Wettbewerbsbedingungen abgesetzt werden. Es steht viel auf dem Spiel, wenn der Präsident der größten Volkswirtschaft der Welt solche Aussagen twittert.
Das kann durchaus zu etwas führen, was niemandem etwas nützt – einer Spirale an Handelshemmnissen, die am Ende nur Verlierer kennt: Verbraucher, die das bezahlen; Unternehmen, die ineffizient wirtschaften; Arbeitsplätze, die verloren gehen.
"America First" als Leitmotiv nimmt Trump sehr ernst. Wie weit, befürchten Sie, geht der US-Präsident noch?
Es ist nicht so, dass die gesamte Trump-Administration den US-Präsidenten in puncto Handelspolitik unterstützt. Ganz klar scheint, dass unter Trump "America First" gilt und dafür gearbeitet wird.
Es ist schwer einzuschätzen, ob das noch weiter fortgeführt oder der Prozess gestoppt wird. Das hängt auch davon ab, wie die internationale Gemeinschaft darauf reagieren wird, welche Gegenmaßnahmen es geben wird. "America First" kann ganz schnell bedeuten America Alone.
Was würde diese Isolation bedeuten?
Der US-Wirtschaft wäre damit relativ wenig gedient. Momentan haben die USA ein starkes Wirtschaftswachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit. Die Unternehmensgewinne sprudeln.
Die Frage ist aber, welches Verständnis hinter "America First" eigentlich steht und ob das dazu passt, wie die internationale Wirtschaft momentan arbeitet. Und da haben wir als Vertreter der deutschen Wirtschaft große Fragezeichen.
Sie sagten, andere Länder könnten den USA folgen. Welche wären das?
Das ist noch nicht abzuschätzen. Momentan wird erst einmal abgewartet. Die EU hat sich sehr deutlich positioniert. Auch China hat relativ stark reagiert.
Wie viel steht für Deutschland auf dem Spiel?
Die USA sind unser wichtigster Exportmarkt. Da hängen etliche Arbeitsplätze dran. Für Deutschland wird daher wichtig, dass es ein regelbasiertes internationales Handelssystem gibt, an das sich alle halten. Deshalb ist die Rolle der WTO so wichtig. Wir hoffen, dass keine Negativspirale in Gang gesetzt wird.
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