Der Streit zwischen dem US-Präsidenten und seiner demokratischen Widersacherin steht für die Spaltung der politischen Lager in den USA. Woher kommt der Disput? Und zeichnet sich ausgerechnet zum Ausklang von Trumps Amtszeit ein Ende ab?
Es war der bisherige Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die ein düsteres Bild der politischen Kultur in den Vereinigten Staaten zeichnet: Mehr als eine Stunde lang hatte
Doch kaum war die "Rede zur Lage der Nation" beendet, zerriss Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, mit Ekel im Gesicht ihre Kopie der Ansprache. Die Aktion, die vor den Augen der Weltöffentlichkeit stattfand, war ein beispielloses Zeichen der Missbilligung.
Geschockt haben dürfte sie kaum einen US-Amerikaner. Schließlich ist das Verhältnis zwischen Trump und der mächtigsten Demokratin miserabel, gespeist von gegenseitigen Verletzungen und nicht vorhandenem Respekt. Trump hatte Pelosi an diesem Tag zu einer wütenden Reaktion geradezu herausgefordert, als er der Gastgeberin einen Handschlag verweigerte.
Und so bezeichnete Pelosi die Veranstaltung wenige Stunden später als "Reality Show", die "unter der Würde des Weißen Hauses", ein "Manifest voller Lügen, Unwahrheiten" und "gefährlich für das Wohlbefinden der US-Bevölkerung" gewesen sei. Donald Trump sei womöglich "sediert" gewesen, behauptete sie.
Trump und Pelosi, Pelosi und Trump: Es ist eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe, die zwar ein Medienspektakel ist, aber auch für die unversöhnliche Spaltung der politischen Lager in den USA steht. Beobachter sprechen sogar von der intensivsten und erbittertsten politischen Fehde zweier Politiker in der Geschichte der USA.
An einem Dienstag zerbrach das Verhältnis
Einen genauen Zeitpunkt zu definieren, an dem die Beziehung zwischen Trump und Pelosi zerbrach, ist allerdings gar nicht so einfach. Womöglich trifft es Dienstag, den 29. Januar 2019 ganz gut.
Auch an diesem Tag hätte Donald Trump seine jährliche Rede zur Lage der Nation halten sollen – die zweite in seiner Amtszeit. Es wäre wieder einmal der ganz große Auftritt für Donald Trump geworden, das Highlight im Terminkalender eines jeden US-Präsidenten.
Vor Dutzenden Fernsehkameras und der versammelten Staatsspitze hätte Trump eine Stunde lang seine politischen Initiativen und Erfolge herunterbeten dürfen. Eine Veranstaltung, die den Charakter eines Staatsaktes hat. Kurzum: Wem an einer funktionierenden Beziehung zum US-Präsidenten gelegen ist, stiehlt ihm diese Show ganz sicher nicht.
Donald Trump schlägt zurück
Eine geplante Reise Pelosis nach Brüssel, Ägypten und zu den US-Truppen in Afghanistan sagte der US-Präsident daraufhin ab: Die Demokratin stimme sicherlich zu, dass es angesichts der "800.000 großartigen Amerikaner, die kein Gehalt bekommen", angebracht sei, "diese PR-Veranstaltung" zu verschieben, schrieb Trump in einem Brief. Die siebentägige Reise könne stattfinden, "wenn der Shutdown zu Ende ist". Pelosi stehe es aber "selbstverständlich" frei, mit einer Linienmaschine zu fliegen, fügte der US-Präsident sarkastisch hinzu.
Nachdem Trump am 25. Januar den Shutdown beendet hatte, ging dann doch noch eine Einladung für den 5. Februar im Weißen Haus ein. Doch wer glaubte, dass Pelosi Trump sein Programm einfach abspulen ließ, irrte.
Da war zuerst ihr Kleidungsstil. Pelosi trat nicht, wie üblich, in einem dunklen Kleid auf, sondern trug ein Kleid in Suffragetten-Weiß, womit sie an den 100. Geburtstag der Frauenrechtsbewegung erinnert haben dürfte. Oder aber an das schwierige Verhältnis Donald Trumps zu Frauen. Oder eben beides.
Während der Rede zog Pelosi dann mit abfälliger Mimik die Fernsehkameras auf sich. Und als Trump seine Rede beendet hatte, klatschte die Politikerin mit ausgestreckten Armen vom höchsten Platz im Saal so abfällig, dass sich das halbe Internet über den "PelosiClap" amüsierte. Er wurde zu einem der berühmtesten Internet-Memes seit dem Amtsantritt von Donald Trump.
Diese Machtprobe hatte Pelosi für sich entschieden, das Verhältnis der beiden Politiker war zerrüttet.
Zunächst empfand Trump Respekt
Dabei starteten die beiden gar nicht so schlecht. In den ersten Monaten von Donald Trumps Amtszeit sah es zeitweise so aus, als empfinde der Präsident geradezu Respekt für Pelosi.
Obwohl die Demokratin in der Öffentlichkeit kaum Zweifel an ihrer Abneigung gegenüber dem US-Präsidenten ließ, fuhr Trump auffällig selten Attacken auf seine politische Gegnerin. Das änderte sich zunächst auch nicht, als die Demokratin Trumps Bemühungen um einen Grenzzaun zu Mexiko öffentlich als "Männlichkeitsding" abkanzelte.
Erst als die Demokraten Anfang 2019 die Mehrheit im Repräsentantenhaus erzielten und Pelosi eine der mächtigsten Frauen in der amerikanischen Politik wurde, schaltete Trump auf Angriff um. Die Demokratin war ihm gefährlich geworden.
Das betraf insbesondere das drohende Impeachment-Verfahren. Lange Zeit hatte sich Pelosi wenig Erfolg von einer parlamentarischen Aufarbeitung von Donald Trumps Verstrickungen in die schwelende Russland-Affäre versprochen.
Pelosi leitet Impeachment-Verfahren ein – und betet für den Präsidenten
Im Sommer 2019 revidierte sie diese Meinung und leitete das Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump ein. Auf die Frage eines Reporters während einer Pressekonferenz, ob sie Trump hasse, antwortete Pelosi: "Ich hasse niemanden. Ich wurde katholisch aufgezogen. Wir hassen niemanden. Ich bete für den Präsidenten. Ich bete für den Präsidenten die ganze Zeit."
Pelosi schien ernsthaft entrüstet zu sein, doch viele Amerikaner wunderten sich: Pelosi betet für den Mann, den sie wahrscheinlich am meisten verachtet? Die Aussage wurde als elegante und amüsante Möglichkeit gedacht, den US-Präsidenten öffentlich zu demütigen.
Donald Trump richtete als Reaktion auf das Impeachment ein sechsseitiges Schreiben an die "ehrbare Nancy Pelosi", in dem er das gesamte Verfahren als "parteipolitische Heuchelei" und "offenen Krieg gegen die Demokratie" verurteilte. Er verglich seine Situation mit den Hexenprozessen aus dem 17. Jahrhundert und warf Pelosi vor, ihren Amtseid zu brechen. Immer wieder machte Trump Pelosi persönlich für die Impeachment-Ermittlungen verantwortlich, bevorzugt auf Twitter, wo er der "verrückten Nancy" im Wochentakt wütende Zeilen widmete.
Wahlkampf als Kooperations-Booster
Auch auf anderen politischen Feldern gerieten die beiden Politiker aneinander. Als einzigartiger Wutausbruch in der Geschichte US-amerikanischer Präsidenten dürfte das Treffen zwischen Trump, Pelosi und dem Fraktionschef der Demokraten, Chuck Schumer, im Mai 2019 eingehen.
Eigentlich hatten die Politiker im Kabinettsaal des Weißen Hauses über Amerikas marode Infrastruktur sprechen wollen. Doch Trump stürmte nach rund drei Minuten aus dem Zimmer, berief spontan eine Pressekonferenz im Rosengarten ein und schimpfte auf die Ermittlungen in der Russland-Affäre. Mit der Opposition, so drohte er, werde Trump nicht länger politisch zusammenarbeiten.
Wie ist der Stand der Dinge?
Was hat sich seitdem getan? Oberflächlich scheinen die Fronten zwischen Trump und Pelosi, zwischen Republikanern und Demokraten verhärtet. Vor dem Hintergrund des beginnenden Wahlkampfs liegt beiden Lagern viel daran, den politischen Gegner zu dämonisieren.
Andererseits steht Donald Trump auch unter dem Druck, auf den letzten Metern seiner Amtsperiode Wahlversprechen einzulösen. Und das geht nicht ohne die Demokraten.
So zeichnet sich hinter den Kulissen eine Zusammenarbeit bei dem für Trump so wichtigen Thema, der Infrastruktur, ab. Ein Investitionsprogramm für marode Straßen und den öffentlichen Verkehr könnten schließlich beide Seiten ihren Wählern als Erfolg verkaufen. In seiner Rede vom Mittwoch sprach Trump deshalb Worte, die als Einladung für eine Zusammenarbeit verstanden werden konnten und sich offenbar auf die erbitterten Auseinandersetzungen der vergangenen Monate bezogen.
"Stellt Euch vor was wir tun könnten, wenn wir dieselbe Energie in die Infrastruktur (...) stecken würden." Als Vorbild parteiübergreifender Zusammenarbeit könnte dabei das von beiden Lagern überarbeitete Handelsabkommen mit Mexiko und Kanada dienen, das im vergangenen Monat vom Kongress verabschiedet wurde und eines der zentralen Wahlversprechen Trumps war.
Doch dafür müssten Trump und Pelosi zunächst miteinander sprechen. Das haben sie seit dem Treffen im Mai 2019 nicht mehr getan. Wie es endete, ist bekannt.
Verwendete Quellen:
- Los Angeles Times – "The Trump vs. Pelosi feud just got worse. Can Washington get anything else done?"
- Wall Street Journal - Nancy Pelosi’s 'Trump' Trilogy
- Politico – "The Trump-Pelosi feud spirals out of control"
- REFINERY29 – "A Timeline Of Donald Trump & Nancy Pelosi’s Intense Feud"
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