Einst war die Linke die Partei des Ostens. Heute ist sie auch dort schwach. Dabei sollten die drei Landtagswahlen in diesem Jahr den Wiederaufstieg einläuten. Nur: Danach sieht es nicht aus. War's das für die Linke?

Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Hartmann und Rebecca Sawicki sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

In Brandenburg besinnt sich die Linke auf ihre Wurzeln. "Die Friedensfrage ist für uns entscheidend", sagt Sebastian Walter. Der 34-Jährige führt seine Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl am 22. September. Und es ist wohl nicht übertrieben zu sagen: Es gibt leichtere Jobs. In den Umfragen liegt die Linke bei fünf Prozent, sie kämpft um den Wiedereinzug in den Landtag.

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Walter setzt daher auf das, was er die "Brot-und-Butter-Themen" der Linken nennt: soziale Gerechtigkeit, Friedenspolitik, die Linke als Stimme des Ostens. "Wir müssen uns auf die Themen konzentrieren, die die Menschen wirklich bewegen." Walter spricht von bezahlbaren Mieten, guten Renten, Jobs, die anständig bezahlt sind, genügend Kita-Plätzen und einer flächendeckenden Arzt-Versorgung. Der Brandenburger Landeschef setzt auf einen pragmatischen Kurs.

Die Frage ist nur: Dringt er mit seinen Themen überhaupt durch?

Die Krise der Linken geht auch ohne Sahra Wagenknecht weiter

Der bundesweite Trend spricht gegen Walter und seine Genossen. Die Linke befindet sich im Abwärtssog und es ist nicht klar, wie sie da herauskommen will. Auch nach dem Abgang von Parteirebellin Sahra Wagenknecht und ihrer Getreuen ist es nicht besser geworden – im Gegenteil.

Bei der Europawahl im Mai kam die Linke gerade noch auf 2,7 Prozent, ein Debakel. In der Partei waren nicht alle begeistert über die Personalie Carola Rackete. Die Flüchtlingshelferin und Aktivistin war Co-Spitzenkandidatin bei der Europawahl. Mit Rackete wollte die Partei sich für soziale Bewegungen öffnen. Doch Rackete wirkte im Wahlkampf distanziert, mitunter lustlos. Klassische Linken-Wähler schien sie eher abzuschrecken.

Inzwischen haben auch die Parteichefs erkannt: So geht es nicht weiter. Die Doppel-Spitze aus Janine Wissler und Martin Schirdewan hat angekündigt, beim Parteitag im Oktober nicht noch einmal zu kandidieren. Sie habe während ihrer Zeit als Vorsitzende feststellen müssen, dass viele Brücken, die sie bauen wollte, "bereits mehrfach eingerissen waren", sagt Janine Wissler. Auch Noch-Co-Chef Martin Schirdewan meint, dass es nun neue Perspektiven für die Linke brauche.

Eine Erkenntnis, die möglicherweise zu spät kommt?

Die letzten Abstimmungen haben den Wahlkämpfern im Osten jedenfalls keinen Auftrieb gegeben. Dabei sind die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg für die Linke entscheidend. Sie sollten, so lautete zumindest die Hoffnung, den Wiederaufstieg der Partei einläuten. "Wir wollen an alte Erfolge anknüpfen", sagte der frühere Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch noch zu Beginn des Jahres im Interview dieser Redaktion.

Im Osten hat die Linke ihre größten Erfolge gefeiert

Die Linke und der Osten. Hier hat die Partei ihre größten Erfolge gefeiert. Sie hat in Berlin regiert, in Brandenburg. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Linke Teil einer rot-roten Koalition. Noch immer stellt sie Bürgermeister, Landräte, in Thüringen mit Bodo Ramelow sogar den Ministerpräsidenten. Sie sitzt auch in allen ostdeutschen Landtagen. Noch.

Denn auch im Osten geht es inzwischen ums nackte Überleben. Neben Brandenburg wird es auch in Sachsen eng. Hier sehen die Umfragen die Partei bei vier bis fünf Prozent – es droht das parlamentarische Aus. "Ich wünsche den sächsischen Parteifreunden unbedingt, dass sie es schaffen, denn sie gehören in den Landtag", sagt der brandenburgische Wahlkämpfer Walter. Früher hat die Linke dort 20 Prozent und mehr geholt.

Politikwissenschaftler: "Die Linke ist bald Geschichte"

Wie konnte es soweit kommen? Ist der Niedergang der Linken noch zu stoppen? Ein Anruf bei Klaus Schroeder. Er ist Zeithistoriker und Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin (FU). Schroeder muss nicht lange überlegen. "Die Linke ist in ein paar Jahren Geschichte", sagt er. Aus Sicht von Schroeder ist klar: Die ehemalige PDS hat ihre historische Mission erfüllt. Sie hat die Ostdeutschen – vor allem die DDR-Funktionäre – ins westdeutsche System überführt. Doch jetzt werde es im Parteiensystem eng für die Linke.

Es fehle ein klares Profil, sagt Schroeder. Umverteilung wollen alle. Identitätspolitik – also die Fixierung auf Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht – stoße ab. Und im Westen sei die Partei ohnehin nie in der Fläche angekommen. Protestwähler machen ihr Kreuz inzwischen bei der AfD. Und zwischen Grünen, SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gebe es keinen Platz für eine weitere linke Partei, sagt Schroeder.

Wagenknecht zieht frühere Linken-Wähler

Vor allem das BSW trifft die Linke hart. Bei der Europawahl holte die Wagenknecht-Truppe aus dem Stand 6,2 Prozent. Im Osten könnte die neue Partei im September richtig abräumen: In Sachsen steht sie in Umfragen bei 11 Prozent, in Brandenburg sind es 17 Prozent und in Thüringen sogar 19 Prozent. "Viele enttäuschte Linken-Wähler können sich vorstellen, das BSW zu wählen", sagt der Brandenburger Sebastian Walter. Um die will er kämpfen. Doch Walter weiß auch: Einfach wird das nicht.

In Sachsen und Brandenburg kann die Linke froh sein, wenn sie nochmal in den Landtag kommt. In Thüringen ist Bodo Ramelow zwar Ministerpräsident, doch der Trend spricht gegen ihn. Bei der letzten Wahl holte die Linke noch 31 Prozent, aktuell steht sie bei 15 Prozent. Die rechtsextreme Höcke-AfD ist mit 30 Prozent in Umfragen die mit Abstand stärkste Kraft, vor Ramelow liegen noch die CDU und knapp dahinter das BSW. Die personelle Zuspitzung auf ein Duell Björn Höcke gegen CDU-Mann Mario Voigt schadet Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Hinzu kommt ein strukturelles Problem: Die Wählerschaft der Linken im Osten ist tendenziell älter. Und sie schrumpft, schon aus demografischen Gründen. Was die Wahlkämpfer im Osten jetzt bräuchten, wäre Rückenwind aus Berlin. Doch den gibt es nicht. In der Partei kursieren zwar bereits Namen, wer das unglückliche Führungs-Duo Wissler/Schirdewan ablösen könnte. Laut "Spiegel" immer wieder genannt: der frühere Abgeordnete Jan von Aken, der als versierter Außenpolitiker gilt. Nur: Das hilft den Ost-Wahlkämpfern im Moment nicht.

Wahlkämpfer: "Es geht um Brandenburg"

In Brandenburg setzt Sebastian Walter daher auf Landesthemen – und die letzten Wochen vor der Wahl. Dann erst beginnen die Menschen, sich zu informieren. "Wir machen klar, dass es um Brandenburg geht", sagt er. Die Durchschnittsrenten im Land lägen zwischen 1400 und 1500 Euro. Der Eigenanteil fürs Pflegeheim hingegen bei 2900 Euro. "Darauf braucht es doch eine linke Antwort", sagt Walter.

Und was ist, wenn die Wähler mit der Linken – zumindest so, wie sich aktuell präsentiert – schon abgeschlossen haben? Wenn auch die Abstimmungen im Osten verloren gehen?

"Egal, was bei den Landtagswahlen passiert: Die Linke braucht beim Bundesparteitag im Herbst eine inhaltliche und auch personelle Erneuerung", sagt Walter. Es klingt so, als wolle er seine Partei noch nicht gänzlich aufgeben.

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