Nachdem die CIA den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman hinter Khashoggis Tod sieht, kommt US-Präsident Trump in Bedrängnis.
Neue Erkenntnisse in der Affäre um den getöteten Journalisten Jamal Khashoggi bringen US-Präsident
Dies sei das Ergebnis der Auswertung mehrerer Quellen, berichtete die "Washington Post". Die Affäre hatte vor allem Saudi-Arabiens mächtigen Thronfolger - auch "MbS" genannt - in den vergangenen Wochen international in die Defensive gedrängt. Trump hingegen hatte sich bislang unter Verweis auf die guten Geschäfte, Waffendeals und die Stabilität in Nahost zögerlich gezeigt, gegen den Thronfolger vorzugehen.
Trump noch nicht offiziell informiert
An dieser Linie schien der US-Präsident auch am Samstagmorgen festzuhalten. Trump sagte vor seinem Abflug nach Kalifornien, er sei noch nicht von der CIA über die Einschätzung zur Ermordung Khashoggis unterrichtet worden. Dies sollte aber noch am selben Tag passieren. Bislang sei ihm gesagt worden, dass der saudische Kronprinz keine Rolle bei der Tötung gespielt habe. Seine Sprecherin Sarah Sanders sagte später, Trump habe während des Flugs mit CIA-Chefin Gina Haspel und Außenminister Mike Pompeo telefoniert.
Auf die Frage, ob es Konsequenzen haben werde, sollte Mohammed bin Salman verantwortlich sein, hatte Trump gesagt, er werde sich das anschauen. Der Republikaner bezeichnete Saudi-Arabien sogleich als "großartigen Verbündeten" und pries die wirtschaftlichen Beziehungen zu dem Königreich. "Sie sind ein wirklich spektakulärer Verbündeter, was Jobs und die wirtschaftliche Entwicklung angeht." Als Präsident müsse er "viele Dinge" berücksichtigen, fügte Trump hinzu.
Die "Washington Post" hatte zuvor berichtet, Trump seien Erkenntnisse über die Beteiligung des Kronprinzen gezeigt worden, er bleibe aber skeptisch, dass dieser die Tötung angeordnet habe.
Reihe von Hinweisen deuten auf Kronprinz
Der im US-Exil lebende Khashoggi wurde am 2. Oktober in dem Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul umgebracht. Dort wollte er Dokumente für seine Hochzeit abholen. Unter immensem internationalen Druck gab Riad erst viel später den Tod des "Washington Post"-Kolumnisten zu. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt hochrangige Regierungsmitarbeiter.
Gleichzeitig deuten aber eine Reihe von Hinweisen auf eine direkte Beteiligung des 33 Jahre alten Thronfolgers:
Die "Washington Post" berichtete unter Berufung auf Geheimdienstler über ein Telefonat zwischen dem Bruder des Kronprinzen und Khashoggi. Dabei habe Chalid bin Salman dem Journalisten vorgeschlagen, er solle in das saudische Konsulat nach Istanbul gehen, um die Dokumente abzuholen. Chalid bin Salman ist saudischer Botschafter in den USA. Er habe den Anruf auf Anordnung seines Bruders getätigt, sagten die Geheimdienstquellen. Die Zeitung schrieb aber, dass es unklar sei, ob der Botschafter davon gewusst habe, dass Khashoggi ermordet werden würde.
Chalid bin Salman selbst bestreitet die Darstellung der Zeitung vehement. Er schrieb auf Twitter, ein solches Gespräch habe es nicht gegeben. Sein letzter Kontakt mit dem Journalisten sei am 26. Oktober 2017 per Textnachricht gewesen. Die "Washington Post" schrieb, der Anruf sei von US-Geheimdiensten abgehört worden. Chalid bin Salman war gut eine Woche nach dem Verschwinden Khashoggis überraschend nach Riad geflogen. Er kehrte nicht nach Washington zurück.
Absolute Kontrolle
Die CIA, Experten und westliche Diplomaten bezweifeln, dass eine Mission mit einer solchen Tragweite in Saudi-Arabien ohne Wissen des fast allmächtigen Kronprinzen möglich gewesen wäre. Dieser hat eine enorme Machtfülle angehäuft und enge Vertraute an allen Schaltstellen platziert. Dass Untergebene eine riskante Operation gegen den wohl prominentesten Journalisten des Landes ohne Wissen des Kronprinzen befehligen, gilt vielen als undenkbar.
-Unbestritten ist die Entsendung eines Spezialteams mit 15 Mitgliedern nach Istanbul. Allerdings wurde bei einer Reihe dieser Männer eine direkte Verbindung zu Mohammed bin Salman hergestellt. So tauchten einige von ihnen auf Bildern von Auslandsbesuchen des Thronerben, als Teil seines Sicherheitsteams, auf. Auch die CIA stellte diese Verbindungen laut "Washington Post" mit dem Abgleich der Pässe der Verdächtigen her.
"Sag´s Deinem Chef"
Der Anführer des "Kill Teams", Maher Mutreb, rief der "New York Times" zufolge nach der Tat jemanden an und sagte, dieser solle seinem "Chef" Bescheid geben, dass die Mission abgeschlossen sei. Die Zeitung stützte sich dabei auf US-Geheimdienstangaben zu einer Audio-Aufnahme. Die CIA gehe davon aus, dass das Telefonat mit einem Berater von Mohammed bin Salman geführt wurde und mit "Chef" der Thronfolger selbst gemeint ist.
Das Verschwinden Khashoggis ist zudem kein Einzelfall. In der Zeit der Herrschaft von Mohammed bin Salman häuften sich die Berichte über aus dem Ausland verschwundene, kritische Prinzen und über Versuche der Regierung, Dissidenten habhaft zu werden. So sagte ein in Deutschland lebender saudischer Prinz der dpa, auch er habe nur wenige Wochen vor dem Tod Khashoggis mit Millionen Dollar in die saudische Botschaft in Kairo gelockt werden sollen.
Angesicht dieser vielfältigen Indizien auf eine direkte Beteiligung des Kronprinzen könnte US-Präsident Trump sich gezwungen sehen, weitere Sanktionen gegen den engen Verbündeten ins Auge zu fassen. Die US-Regierung hatte am Donnerstag bereits Strafen gegen 17 ehemalige saudische Regierungsmitarbeiter verhängt, aber nicht gegen den Thronfolger. Washington schien damit der Darstellung Riads zu folgen, das die von den USA Bestraften zuvor als Schuldige präsentiert hatte. Experten sehen diese Männer als Bauernopfer.
Situation sei eskaliert
Am Donnerstag forderte der saudische Generalstaatsanwalt die Todesstrafe für fünf mutmaßlich Beteiligte - insgesamt seien elf Verdächtige angeklagt. Nach saudischer Darstellung sollte das 15-köpfige Kommando Khashoggi überzeugen, mit nach Saudi-Arabien zu reisen. Die Situation sei eskaliert, Khashoggi sei eine Injektion verabreicht worden, an der er starb. Seine Leiche sei zerstückelt und aus dem Konsulat gebracht worden.
Riad hat seine Version der Ereignisse seit Anfang Oktober wieder und wieder geändert. Auch die jüngste Erklärung wirft einige Fragen auf. So bleibt unklar, warum ein Forensiker mit dem Spezialgebiet der Obduktion Teil des Teams war, wenn es gar keinen Tötungsauftrag gab. Auch die Leiche Khashoggis bleibt verschwunden.
Trump war wegen des Falls unter Druck geraten. Auch bei den Republikanern wurden die Stimmen immer lauter, die forderten, die Regierung müsse Sanktionen gegen Verantwortliche verhängen. Trump - der Riad für seine Anti-Iran-Strategie braucht - hatte lange Zeit einen Zick-Zack-Kurs hingelegt und einen Bruch mit Riad vermieden.
(dpa / af)
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