Wenn es auf ehemaligen Truppenübungsplätzen der Bundeswehr brennt, behindern Munitionsaltlasten das Löschen und Brände breiten sich unkontrolliert aus. Und für die Natur ist es ein Desaster.

Mehr aktuelle News

Auf den ehemaligen Truppenübungsplätzen Lübtheen und Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern hat es vergangenen Monat gebrannt. Insgesamt sind dabei circa 145 Hektar Natur betroffen. Ebenso auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Jüterbog. Dort waren es 718 Hektar. Man kann sich das vorstellen, als würden circa 1.000 Fußballfelder in Flammen stehen. Und das sind keine neuen Entwicklungen. Im Jahr 2019 wütete der bis dahin größte Waldbrand in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns auf 1.000 Hektar.

Fragt man bei der Bundeswehr nach, ob das möglicherweise mit liegen gebliebenen Munitionsresten zu tun hat, erklärt ein Sprecher des Territorialen Führungskommandos: "Grundsätzlich gibt es zwischen Munitionsresten und der erhöhten Brandgefahr keinen zwangsläufigen kausalen Zusammenhang."

Fragt man beim Deutschen Feuerwehrverband nach, klingt das anders. Ulrich Cimolino ist Sachverständiger dort und Leiter des Arbeitskreises Waldbrand. Dass ehemalige Truppenübungsplätze besonders betroffen sind, hänge nämlich besonders mit der liegen gebliebenen Munition zusammen. "Munitionsverdachtsflächen" nennt er diese Gebiete. Also Flächen, auf denen Armeen mal gekämpft oder den Kampf geübt haben, oder mit Munition hantiert oder diese transportiert wurde. "Nicht explodierte Munition ist ein großes Problem."

"Löschgeräte, die aus einem Kilometer Entfernung arbeiten, gibt es nicht"

Niemand weiß, wie viel Munition sich noch auf diesen Flächen befinden. Die kommt teilweise aus Schlachten der beiden Weltkriege, aus schlecht gesprengten Munitionslagern oder schlecht zerstörten Produktionsstätten der Wehrmacht. Auch Phosphormunition liegt noch versteckt im Boden, die sich leicht selbst entzünden kann, wenn sie rostet und in der Sonne liegt. Außerdem Panzer- oder Personenminen, die theoretisch auch von Wildschweinen zum Explodieren gebracht werden können. Er hält es für wahrscheinlich, dass auf diese Art schon Brände entzündet wurden.

Es kommt immer wieder vor, dass Granaten inmitten eines Vegetationsbrandes explodieren. Das macht die Bekämpfung des Feuers zu einer Sisyphusaufgabe. Denn wenn ein Brand in einer "Munitionsverdachtsfläche" ausbricht, so Cimolino, wird ein Sicherheitsbereich verhängt, "zum Beispiel von 1.000 Metern im Radius und in der Höhe".

Ein normaler Wasserwerfer kann bis auf eine Entfernung von 30 bis 40 Metern löschen. Dann gibt es noch besondere Löschgeräte mit Düsentriebwerken, die 130 Meter weit kommen. Löschen aus der Luft? Das Wasser verdunstet, bevor es den Boden erreicht hat, sagt Cimolino. Löschgeräte, die aus einem Kilometer Entfernung arbeiten, gibt es nicht.

Das Feuer kann sich unkontrolliert ausbreiten

Das Problem mit dem Löschen wiederum führt dazu, dass sich das Feuer unkontrolliert ausbreiten kann. So wie es im Jahr 2018 beim Truppenübungsplatz Meppen passiert ist. Dort hat die Bundeswehr Raketentests durchgeführt. Dabei hat das Torf im Moor Feuer gefangen. Eine unglückliche Verkettung von Zufällen und falscher Entscheidungen sorgte dann dafür, dass das Feuer wochenlang nicht unter Kontrolle zu bringen war. Es hat die Menschen noch in Bremen, in über 100 Kilometern Entfernung, erreicht.

Wobei aktive Truppenübungsplätze eine gute Infrastruktur haben, um gegen Brände vorzugehen. Jeder Truppenübungsplatz hat eine eigene Bundeswehr-Feuerwehr. "Zudem wird von der Bundeswehr ein Wegenetz unterhalten, das als Brandschutzstreifen wirken kann", schreibt der Sprecher des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr. "Daneben werden Löschwasserentnahmestelle auf dem Truppenübungsplatz eingerichtet."

Laut Cimolino müssten solche Brandschutzstreifen doppelt so breit sein, wie die Bäume an der Seite hoch sind. Sonst werde das Feuer auf die andere Seite der Schneise getragen, etwa durch fliegende Glutteile. In der Sächsischen Schweiz verursachten 2022 die Glutteile allerdings noch in fünf Kilometern Entfernung neue Brände. Solche Brandschutzstreifen gibt es auf ehemaligen Truppenübungsplätzen aber nicht, weil sie in der Regel zu Naturschutzgebieten erklärt werden. Dann können diese Schutzstreifen nicht mehr gewartet werden und sie wachsen einfach wieder zu.

Diese Streifen könnten auch dazu dienen, dass gepanzerte Löschfahrzeuge an die Feuer herankommen – von denen es in Deutschland aber praktisch keine gebe, sagt Cimolino.

Naturschützer und Waldbrandexperte: Unterschiedliche Interessen

Ehemalige Truppenübungsplätze sind Oasen für Tiere und Pflanzen. Wenn Panzer den Boden verdichtet haben, dann sind dort nicht selten kleine Tümpel entstanden, in denen sich seltene Kröten oder Gelbbauchunken tummeln. Silbergras wächst und der Ziegenmelker, ein nachtaktiver Vogel, kann in Ruhe seine Insekten jagen. Da der Naturschutz aber jegliches Eingreifen verbietet, versiegen auch irgendwann die Löschwasserentnahmestellen. "Wenn man das so will, dann sind solche riesigen Brände eben das Ergebnis", sagt Cimolino.

Unterschiedliche Interessen treffen da aufeinander. Naturschützer sind tendenziell eher der Ansicht, dass diese Flächen unbewirtschaftet bleiben sollen. Der Waldbrandexperte Cimolino plädiert dafür, dass die Bundeswehr sich noch einige besonders geschützte Löschfahrzeuge anschaffe. Das seien dann gepanzerte Rad- oder Kettenfahrzeuge, die auf Panzern wie dem Boxer oder dem Marder basieren, die für das Gefecht ausgelegt sind. So komme man näher an die Brände heran und könne die Feuer unter Kontrolle bringen. Solche Panzer sollten im Falle eines Brandes auf ehemaligen Truppenübungsplätzen den örtlichen Feuerwehren auf Anforderung zur Verfügung gestellt werden.

Weitere Forderungen lauten: Die Flächen von Munition zu räumen. Erst die touristisch genutzten Flächen, weil dort die meisten Brände durch den Menschen verursacht werden. Etwa durch weggeworfene Zigarettenstummel oder durch Grillkohle; dann jene, welche noch eine Infrastruktur besitzen, und schlussendlich die Plätze, die schon längst der Natur zurückgegeben worden sind.

Denn meistens sind die Feuerwehren auf einen sehr unkalkulierbaren Faktor angewiesen: Regen.

Zur Person: Ulrich Cimolino ist Sachbuchautor und Branddirektor der Feuerwehr Düsseldorf. Er ist Mitglied in verschiedenen Ausschüssen und entscheidet so über Normen in der Brandbekämpfung. Seit 2006 ist er Mitglied und seit 2019 leitet er den Arbeitskreis Waldbrand im Deutschen Feuerwehrverband. Zudem leitet er die Expertenkommission Starkregen. Im Jahr 2014 promovierte er an der Universität Wuppertal mit einer Arbeit zur Vegetationsbrandbekämpfung in Deutschland.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Ulrich Cimolino
  • Anfrage bei der Bundeswehr
  • berliner-zeitung.de: Waldbrand bei Lübtheen: Wind und Explosionen, Dorf ist weiter in Gefahr
  • wettergefahren.de: Waldbrand-Gefahrenindex WBI
  • natura2000.sachsen.de: Naturschutz auf Militärflächen
  • rp-online.de: Weltkriegs-Granate explodiert bei Waldbrand
  • spektrum.de: Arche Truppenübungsplatz
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.