Im Rahmen der anhaltenden Asyl-Debatte klingt es wie ein Reizwort – dabei hat es mit dem "Flüchtlingsproblem" eigentlich gar nichts zu tun. Die Rede ist vom Einwanderungsgesetz, das auf Druck der SPD Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hatte. Fest steht: die deutsche Wirtschaft braucht qualifizierte Fachkräfte. Das Problem: Die Konkurrenz ist groß.

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Mit einem "Fachkräfteeinwanderungsgesetz" will die Große Koalition den Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland organisieren – das haben Union und SPD auf Seite 16 ihres Koalitionsvertrages angekündigt.

Es solle ein "Regelwerk zur Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt" sein, heißt es an anderer Stelle. Die Begründung: "Unser Land braucht geeignete und qualifizierte Fachkräfte in großer Zahl."

Daran könne es keinen Zweifel geben, bestätigt Dr. Wido Geis, Zuwanderungsexperte beim Institut der Wirtschaft (IW) in Köln.

Schon jetzt seien die Engpässe aufgrund der "sehr positiven wirtschaftlichen Entwicklung" enorm. Dazu komme eine "demografsche Lücke": In den nächsten Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, die Zahl der aktiven Arbeitnehmer sinkt weiter.

Weil zugewanderte Flüchtlinge nicht immer auch die nachgefragten Qualifikationen mitbringen, plant Deutschland eine gesteuerte Zuwanderung beruflich qualifizierter Menschen.

Gleichzeitig werden laut Experte Geis in den nächsten Jahren voraussichtlich "aus den anderen EU-Ländern längst nicht mehr so viele zu uns kommen". Denn auch diese sind vom demografischen Wandel betroffen und die wirtschaftliche Lage hat sich in Osteuropa und auf dem Balkan zunehmend verbessert.

Die Diskussion, so Geis, müsse sich nun nicht mehr darum drehen, ob, sondern wie man gut ausgebildete Arbeitnehmer nach Deutschland holen kann. Denn das ist nicht so einfach, wie es sich anhört.

Zu komplex, zu verwirrend

Die SPD hat sich mit ihren Vorschlägen an Kanada orientiert: Dort werden Einwanderungsbewerber nach einem leicht verständlichen Punktesystem beurteilt.

Aus Kriterien wie etwa Alter, beruflicher Qualifikation oder Sprachkenntnissen werden die Einwanderungschancen errechnet. Ein solches System sieht auch der "Entwurf eines Einwanderungsgesetzes" vor, den die SPD schon Ende 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt hatte.

Im vorgeschlagenen Kriterienkatalog für Hochqualifizierte etwa muss mindestens 65 von möglichen 100 Punkten erreichen, wer im Auswahlverfahren erfolgreich sein will.

Für gute Bildungsabschlüsse gibt es maximal 35 Punkte, gute bis sehr gute Deutschkenntnisse schlagen mit 10 Punkten zu Buche, ehrenamtliches Engagement von mindestens neun Monaten Dauer in Deutschland zahlt sich mit weiteren fünf Punkten aus.

Zu komplex, zu verwirrend, findet Wido Geis. Außerdem seien die föderalen Strukturen der Einwanderung nach Deutschland "sehr schwer verständlich": Weil Institutionen auf Länder-Ebene zuständig sind, können Bewertungen und Auskünfte in Bremen anders ausfallen als in Bayern, in Sachsen anders als in Hessen.

Kanada stellt eine staatliche Online-Plattform bereit, auf der Einwanderungswillige sehr einfach ihre Chancen berechnen können. Wer online ein gutes Resultat erzielt, kann sich anschließend direkt bewerben.

Ähnlich funktioniert es beispielsweise in Neuseeland, Australien und Großbritannien. Anders in Deutschland: Hier gibt es im Netz allenfalls Auskünfte – Online-Bewerbungen sind nicht möglich.

Eine Grundvoraussetzung kann auch das beste Einwanderungsgesetz nicht schaffen: es muss Einwanderungswillige geben.

Schon bei der Einführung der sogenannten "Greencard" für IT-Fachkräfte im Jahr 2000 sei übersehen worden, so Geis, "dass gar nicht so viele Hochqualifizierte zu uns wollen".

Hier hinkt auch der Vergleich mit Kanada. Dessen erfolgreiche Einwanderungspolitik hat das große Land in Zeiten geübt, als es nicht um Lücken im Arbeitsmarkt ging: "Nach dem Zweiten Weltkrieg", daran erinnert Geis, "ging es Kanada einfach darum, "Bevölkerung zu gewinnen, um das Land urbar zu machen und die Gesellschaft zu entwickeln."

In der beruflichen Bildung fehlt es an Unterstützung

Deutschland dagegen sucht Fachkräfte – und gerade bei sehr gut Ausgebildeten steht es in Konkurrenz mit anderen Ländern, vor allem den USA, Neuseeland, Kanada und Australien.

Momentan allerdings fehlen in Deutschland gar nicht die sehr hoch Qualifizierten.

"Unsere Lücken", sagt Geis, "liegen eher im mittleren Ausbildungssegment – Industriemechaniker beispielsweise werden dringend gesucht." Doch einheitliche Regelungen, wie bestimmte Ausbildungsabschlüsse gewertet werden, fehlen.

Zwar schafft das seit 2012 gültige Berufsqualifizierungsfeststellungsgesetz (BQFG) einen Rechtsanspruch auf Prüfung ausländischer Ausbildungsabschlüsse. Aber es sind unterschiedliche Stellen zuständig, die der Bewerber erst einmal ausfindig machen muss.

Das anschließende Prüfverfahren kann mehrere Monate dauern. Dieser bürokratische Hindernislauf ist nicht nur langwierig, sondern auch noch teuer: Der Bewerber muss im Einzelfall mehrere Hundert Euro investieren – um am Ende möglicherweise eine Ablehnung zu erhalten.

Ein weiteres Problem gerade für das "mittlere Ausbildungs-Segment": Während die Universitäten ausländischen Bewerbern Unterstützungs-Infrastruktur vom Studienkolleg bis zu Deutschkursen bieten, gibt es in der beruflichen Bildung nahezu nichts Vergleichbares – auch nicht für Zuwanderer aus anderen EU-Staaten.

Bei derzeit 48.984 unbesetzten Ausbildungsplätzen - so die aktuelle Zahl der Bundesagentur für Arbeit - ein gravierender Missstand, dessen Behebung nicht von heute auf morgen klappen kann: "Hier müsste sich sehr vieles ändern", fordert Geis, "doch das ist eine Sache der kleinen Schritte – das geht nicht schnell."

Wido Geis beurteilt aus diesen Gründen die Dringlichkeit eines Einwanderungsgesetzes für Deutschland zurückhaltend.

Es komme vor allem auf einheitliche und vereinfachte Regelungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt an, die man auch mit einer Verbesserung des Aufenthaltsgesetzes erreichen könne.

Zudem müsse um ausländische Fachkräfte intensiv geworben werden: "Die Wirtschaft braucht dringend Zuwanderung aus Drittstaaten."

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