Die amerikanischen Sicherheitsbehörden schlagen Alarm. Die US-Armee hat die Bedrohungslage auf mehreren ihrer Stützpunkte in Deutschland in dieser Woche heraufgestuft. Es handelt sich dabei um die zweithöchste von insgesamt fünf Warnstufen, genannt "Charlie".
Betroffen sind etwa Einrichtungen der US-Streitkräfte in Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern. Zuerst hatten die US-Sender ABC News und CNN über die Entwicklung berichtet. Inzwischen bestätigt ein Regierungssprecher: "Es gibt glaubwürdige Informationen, die auf einen Angriff auf US-Stützpunkte in der kommenden Woche oder so hinweisen."
Nach dem islamistischen Terror-Anschlag auf eine Moskauer Konzerthalle sowie den letztwöchigen Anschlägen in Dagestan auf Kirchen und Synagogen fürchten Polizei und Bundesregierung, dass auch Deutschland in den Wochen der Fußballeuropameisterschaft besonders im Visier der IS-Terrorgruppen aus Zentralasien steht.
Bundesinnenministerin
Die ISPK hält die Taliban für zu moderat und plant offenbar medienwirksame Massenermordungen von Christen – so wie in der Moskauer Konzerthalle und jetzt in Dagestan. Bei dem Überfall bewaffneter Angreifer auf eine Konzerthalle im Moskauer Vorort Krasnogorsk waren nach Angaben der russischen Ermittler mindestens 133 Menschen getötet worden, in Dagestan starben mindestens 20 Menschen.
Die Geheimdienstberichte listen neben US-Stützpunkten als akute Anschlagsziele Synagogen, den Kölner Dom und den Stephansdom in Wien auf. Auch die Fußballeuropameisterschaft sei im Visier der Islamisten. Mehrere Verdächtige wurden bereits vorübergehend festgesetzt, ein 30-jähriger Tadschike hatte den Kölner Dom ausspioniert und wurde im niederrheinischen Wesel festgesetzt. Bereits im vergangenen Juli hatte die Bundesanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen eine mutmaßliche islamistische Terrorzelle aufgedeckt und sieben verdächtigen Tadschiken festnehmen lassen. Auch sie waren Mitglieder des IS-Ablegers ISPK.
Im Frühjahr waren in Gera zwei ISPK-Verdächtige aus Afghanistan festgenommen worden, die einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant haben sollen. Anfang Januar hatte es bei einem Anschlag auf eine Gedenkfeier für den iranischen General Kassem Soleimani im Südosten des Landes viele 100 Tote gegeben – auch hier reklamierte ISPK die Täterschaft für sich. Laut dem Washington Institute for Near-East Policy plante der ISPK 2023 insgesamt 21 Angriffe in neun verschiedenen Ländern.
Abu Walaa: Der IS-Mann in Deutschland
Die Rückkehr des IS-Terrors alarmiert die deutschen Behörden auch deshalb, weil in Deutschland mehrere Dutzend aktive Kämpfer vermutet werden. Ihr ideologischer Anführer ist der 40-jährige Abu Walaa, dessen richtiger Name Ahmad Abdulaziz Abdullah A. lautet. Der salafistische Prediger stammt aus Kirkuk/Irak und reiste 2001 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag.
Er scheiterte beruflich als Kleinhändler von Jeans und Softdrinks und verlegte sich zusehends auf radikale Predigten und den Aufbau einer Terrorvorfeldorganisation rund um die Moschee in Hildesheim. Seine Followerschaft geht in die Zehntausende, auch Anis Amri, der 2016 den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche verübte, gehörte zum Netzwerke Abu Walaas.
Am 8. November 2016 nahm die Polizei Abu Walaa in Bad Salzdetfurth und vier mutmaßliche Komplizen in Hildesheim sowie Nordrhein-Westfalen fest. Der NRW-Innenminister Ralf Jäger sagte nach der Festnahme: "Uns ist ein empfindlicher Schlag gegen Chefideologen der salafistischen Szene in Deutschland gelungen." Am 24. Februar 2021 wurde er wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt.
Heute sitzt Abu Walaa in der Justizvollzugsanstalt Willich hinter Gittern. Er gilt noch immer als Deutschlandchef der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) – und das Ende seiner Gefängnisstrafe naht. Nach sechs Jahren U-Haft verbüßt er nun seit zwei Jahren seine Haftstrafe. Es steht im Raum, dass er bald Freigänge bekommt, zumal er sieben Kinder von zwei Frauen hat. Mit seiner Hauptfrau vier Kinder, mit seiner Zweitfrau drei Kindern – alle leben in Deutschland.
Die Sicherheitsbehörden fürchten, dass Abu Walaa sofort wieder für den IS aktiv werden könnte. Sie haben daher seine Ausweisung in den Irak beantragt. Doch Abu Walaa wehrt sich dagegen. Er hat eine Klage und einen Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereicht. Mit dem Eilantrag gegen seine Abschiebung ist er kurz vor der EM gescheitert. Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf entschied, dass die nationale Sicherheit ein ausreichender Grund für eine Ausweisung sei, doch ausgewiesen ist er immer noch nicht.
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