Die als Bewegung gestartete Partei "La République en Marche" von Präsident Emmanuel Macron hat am Sonntag auch die erste Runde der Parlamentswahlen in Frankreich klar gewonnen. Was bedeutet die starke Stellung des Präsidenten für Frankreich, Deutschland und Europa?
Es war ein Erdrutschsieg für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine neue Partei "La République en Marche". Im ersten Wahlgang erreichte Macrons Partei mehr als 32 Prozent der Stimmen.
Wenn die Vorhersagen für die zweite Runde der Parlamentswahlen am kommenden Sonntag zutreffen, kann der französische Präsident mit einer überwältigenden Mehrheit rechnen.
Experten erwarten, dass seine Partei mehr als 400 der 577 Sitze in der Nationalversammlung erobern kann.
"La République en Marche" scheint also in der Tat auf dem Durchmarsch zu sein.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den möglichen Konsequenzen im Überblick:
Wie verändert Macrons Sieg im ersten Wahlgang die französische Politik?
Große Mehrheiten seien in Frankreich nichts Ungewöhnliches, sagt Dr. Eileen Keller, Politikwissenschaftlerin am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Zudem sei das französische Parteiensystem weniger starr als etwa das deutsche. Politische Bewegungen, die sich um eine Person herum bilden, sind in Frankreich nicht gänzlich neu.
"Aber es wird eine sehr große Erneuerung im Parlament geben, und weniger als die Hälfte von Macrons Kandidaten haben politische Erfahrung."
Der Präsident hatte auf viele Bewerber aus der Zivilgesellschaft anstatt nur auf erfahrene Politiker gesetzt. "Bei ihnen ist offen, wie sie ihr Mandat ausführen werden", sagt Keller.
Wie will Macron Frankreich verändern?
Der 39-Jährige hat eine ganze Reihe von Reformen angekündigt - vom Umbau des Bildungssystems bis zur Einstellung von 10.000 zusätzlichen Polizisten.
Zwei wichtige Vorhaben sind bereits in Umsetzung: Unter dem Schlagwort "Moralisierung des politischen Lebens" will Macron Ämterhäufung und parallele Beratertätigkeiten von Abgeordneten verbieten.
Vor allem aber will der Sozialliberale das Arbeitsrecht flexibilisieren, Unternehmen mehr Entscheidungsfreiheit einräumen und damit die seit Jahren hohe Arbeitslosigkeit in Frankreich senken.
Kann Macron seine Reformvorhaben durchsetzen?
Die Franzosen sind traditionell ein streik- und demonstrierfreudiges Volk - an tiefgreifenden Arbeitsmarktreformen haben sich schon andere Präsidenten die Zähne ausgebissen.
"Parlamentarische Hürden stehen Macron für seine Reformen kaum noch im Weg", erklärt Frankreich-Expertin Keller. "Entscheidend wird jetzt eher sein, wie groß der Widerstand auf der Straße ist - und ob Macron auch die französische Bevölkerung von seinen Plänen überzeugen kann."
Was bedeutet seine mächtige Stellung für das deutsch-französische Verhältnis?
Seine erste Auslandsreise als Präsident hat Emmanuel Macron Mitte Mai nach Berlin geführt.
Er hat sich immer wieder für eine enge deutsch-französische Partnerschaft ausgesprochen.
Der jugendliche Macron dürfte den Beziehungen beider Länder in der Tat wieder mehr Leben einhauchen als sein oft zögerlich agierender und innenpolitisch angeschlagener Vorgänger Hollande. Unterwürfig aber wird er wohl kaum auftreten.
"Dass Macron der kleine Schüler von Merkel sein wird, ist nicht zu erwarten", sagt Eileen Keller.
Denn nicht überall liegen er und die Kanzlerin auf einer Linie. Der Präsident hat schon vor seiner Wahl den deutschen Handelsüberschuss kritisiert - und zudem für die EU Reformpläne vorgelegt, die nicht jedem in der Bundesregierung gefallen.
Wie will Macron die EU reformieren?
"Macron hat die Ansage gemacht, dass er Europa gestalten will. Man kann erwarten, dass er konstruktiv daran arbeiten wird", sagt Politikwissenschaftlerin Keller.
Sein wichtigster Vorschlag: ein eigener Haushalt für die Euro-Zone, über den ein Euro-Parlament abstimmt - zum Beispiel um Investitionen zu erleichtern.
Ob er von dieser Idee auch die anderen EU-Länder überzeugen kann, ist offen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble zum Beispiel lehnt sie ab.
Wie stehen Macrons Chancen, am kommenden Wochenende wirklich eine große Mehrheit zu erringen?
Zwei Runden in der Präsidentenwahl, nun noch zwei Wahlgänge für die Nationalversammlung: "Es gibt in Frankreich eine gewisse Wahlmüdigkeit", erklärt Eileen Keller.
Das sei zum Beispiel an der niedrigen Wahlbeteiligung am vergangenen Sonntag auszumachen: weniger als 50 Prozent - ein Negativrekord.
Wenn viele Wähler am Sonntag zu Hause bleiben, weil sie die Wahl ohnehin als gelaufen betrachten, könnte das für Macron gefährlich werden.
Die Frankreich-Expertin rechnet trotzdem mit einer großen Mehrheit seiner Partei: "Im ersten Wahlgang haben es vor allem die etablierten Parteien nicht geschafft, ihre Wähler zu mobilisieren."
Bei den Stichwahlen am kommenden Sonntag sind die Kandidaten von Macron in einer komfortablen Situation, glaubt Keller: "Seine Bewegung steht für die politische Mitte und ist damit für viele Franzosen das kleinere Übel."
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