Es ist ein Dilemma, vor dem die westlichen Staaten immer häufiger stehen: Sollen von Terroristen entführte Bürger freigekauft werden oder nicht? Was für Lösegeldzahlungen spricht, was dagegen – und welche Alternativen es gibt.

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Im Fall des entführten Journalisten James Foley war die US-Regierung hart geblieben. Mehr als 100 Millionen Dollar soll die Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS) für seine Freilassung gefordert haben. Die USA zahlten nicht – Foley wurde grausam hingerichtet. Das Argument der Amerikaner: Man wolle den Terroristen keine Anreize für weitere Entführungen liefern.

Die aktuellen Fälle machen das Dilemma deutlich, vor das Regierungen gestellt werden, wenn ihre Staatsbürger von Terroristen entführt werden: Sollen sie den Forderungen nachgeben oder hart bleiben? Die Länder haben keine einheitliche Antwort darauf. Eine Handvoll Staaten, allen voran die USA und Großbritannien, verfolgen eine klare Linie: kein Lösegeld. Die meisten anderen europäischen Länder – inklusive Deutschland – sind weniger konsequent.

Offiziell zahlt Deutschland kein Lösegeld. Die Bundesregierung ist nicht erpressbar, so die Botschaft. In der Praxis sieht das oft anderes aus. Je nach Entführungsfall und Forderung zahle Deutschland durchaus, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter einer deutschen Sicherheitsbehörde unserem Portal in einem Interview. Es gebe eine Verpflichtung, Deutsche im In- und Ausland zu schützen. Oberstes Ziel bei jeder Entführung sei, dass deutsche Bürger diese unbeschadet überstehen.

Das ist das entscheidende Argument für Lösegeld: Die Zahlungen können Leben retten. Ein eindrückliches Beispiel: 2009 entführte al-Kaida in Mali eine Gruppe Europäer. Aus London kam die Botschaft, es werde kein Lösegeld gezahlt. Die Terroristen brachten die britische Geisel um. Die deutschen und Schweizer Geiseln dagegen kamen gegen die Zahlung von mehreren Millionen Euro frei.

Auf der anderen Seite führt das Nachgeben einiger Staaten zu einem Teufelskreis. Die Terroristen lernen schnell dazu – und wissen mittlerweile offenbar genau, aus welchen Ländern man am besten Geiseln nimmt, um an Geld zu kommen. Laut Recherchen der "New York Times" waren in den vergangen fünf Jahren bei den 53 bekannt gewordenen Fällen von Entführungen durch al-Kaida nur drei Amerikaner und zwei Briten dabei. Der Rest der Geiseln stammte vor allem aus europäischen Ländern – Länder, die in der Vergangenheit Lösegeld zahlten. "Es ist offensichtlich, dass al-Kaida sie nach Nationalität aussucht", sagte der Schweizer Terrorismus-Experte Jean-Paul Rouiller der Zeitung.

Ein weiteres Argument gegen die Zahlung von Lösegeld: Es unterstützt den Terrorismus und ist inzwischen zu einer seiner wichtigsten Einnahmequellen geworden. Laut der "New York Times" hat Europa seit 2008 mindestens 125 Millionen Dollar gezahlt, oft indirekt über Mittelsmänner oder getarnt als Entwicklungshilfe. "Es ist ein ganz schwerer Fehler europäischer Politik, auf diesem Weg faktisch Terroristen zu finanzieren", sagte der Terrorismus-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik bei "Süddeutsche.de".

Was also tun? Briten und Amerikaner, die Lösegeldzahlungen ausschließen, greifen nicht selten zu einem anderen Mittel: einer geplanten Befreiungsaktion. Auch im Fall von James Foley soll es einen solchen Versuch gegeben haben. Der scheiterte jedoch. Untätig zu sein oder gar Schwäche zu zeigen, das will sich keine Regierung vorwerfen lassen – ein Grund übrigens, warum fast immer mit den Entführern verhandelt wird, auch wenn am Ende kein Geld fließt.

Befreiungsaktionen bieten die Chance, die Geiseln zu retten, ohne die Terroristen zu unterstützen. Auch im aktuellen Entführungsfall auf den Philippinen soll die Armee eingeschritten sein. Solche Einsätze sind jedoch nicht immer möglich: Deutschland greife nur mit der Zustimmung des betroffenen Landes ein, sagte der ehemalige Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde im Interview. Die Amerikaner seien da weniger zimperlich. Zudem müsse das Einsatzgebiet genau ausgekundschaftet werden. Wird die Gefahr als zu groß eingeschätzt, werde hierzulande weiter auf den Verhandlungsweg gesetzt – und damit immer wieder auch auf die Option Lösegeld.

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