Nach Ansicht eines Gutachters des Europäischen Gerichtshofes verstößt Deutschland mit dem Rundfunkbeitrag nicht gegen EU-Recht. Auch säumige Zahler aufzuspüren sei legitim, erklärte Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona am Mittwoch. Seine Einschätzung dürfte großen Einfluss auf das Urteil des EuGH haben.
Die Erhebung des Rundfunkbeitrags in Deutschland verstößt nach Ansicht eines Gutachters des Europäischen Gerichtshofes nicht gegen EU-Recht.
Die 2013 geänderten Regeln, nach denen der Beitrag pauschal für jede Wohnung erhoben wird, stelle keine rechtswidrige staatliche Beihilfe dar, befand Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in einem am Mittwoch veröffentlichten Gutachten.
Die Einschätzung des Gutachters ist für die Richter nicht bindend, häufig folgen sie seiner Argumentation jedoch. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen.
Landgericht Tübingen rief EuGH an
Bereits im Juli hatte das Bundesverfassungsgericht dem Rundfunkbeitrag weitgehend seinen Segen erteilt. Die Richter urteilten jedoch, dass Menschen mit zwei oder mehr Wohnungen künftig nur einmal zur Kasse gebeten werden dürfen - nicht für jede Wohnung.
Der Rundfunkbeitrag ist die wichtigste Einnahmequelle für ARD, ZDF und Deutschlandradio. 2017 kamen knapp acht Milliarden Euro zusammen. Seit 2013 wird der Rundfunkbeitrag allerdings pauschal für jede Wohnung kassiert - egal, wie viele Leute dort leben und ob sie überhaupt einen Fernseher haben oder ein Radio.
Früher, als es noch die geräteabhängige Rundfunkgebühr gab, zogen Kontrolleure von Haus zu Haus, um Nichtzahler aufzuspüren. Gegen die geänderten Regeln klagten eine Reihe von Beitragszahlern vor deutschen Gerichten. Das Landgericht Tübingen rief daraufhin den EuGH an.
Dabei vertrat es die Ansicht, die Neuregelung stelle eine wesentliche Umgestaltung des Einzugssystems dar und hätte der EU-Kommission deshalb mitgeteilt werden müssen. Seitdem habe das Beitragsaufkommen deutlich zugenommen.
Außerdem befanden die Tübinger Richter, den Rundfunkanbietern werde eine staatliche Beihilfe gewährt, weil sie säumige Zahlungen selbst eintreiben dürfen - und nicht ordentliche Gerichte anrufen müssten.
Neuregelung als Folge des technischen Fortschritts
Nach Ansicht von Sánchez-Bordona handelt es sich bei der Neuregelung hingegen nicht um eine wesentliche Änderung, die der EU-Kommission hätte vorgelegt werden müssen. Ohnehin bestehe kein automatischer Zusammenhang zwischen einer eventuellen Erhöhung des Beitragsaufkommens und der Summe, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten später erhalten.
Sánchez-Bordona merkt außerdem an, dass die Neuregelung unter anderem eine Folge des technischen Fortschritts sei. Wären die Beiträge weiterhin pro Gerät eingetrieben worden, hätte angesichts der Verbreitung neuer Geräte - wie Computer, an denen Rundfunkempfang möglich ist - das Risiko einer Vervielfachung der Einnahmen bestanden. Die Änderung habe die Beitragserhebung stattdessen vereinfachen sollen.
Zudem sei es rechtens, dass die Rundfunkanstalten eigenständig säumige Zahlungen eintreiben. Dieses Recht habe die EU-Kommission bereits 2007 geprüft und eine Genehmigung dafür erteilt. Seitdem sei das Verfahren nicht geändert worden. (mcf/dpa)
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