Das Ziel ist eindeutig: Die Agrarpolitik der Europäischen Union soll ökologischer und nachhaltiger werden. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich nun darauf geeinigt, wie das ihrer Meinung nach gelingen soll. Umweltschützer reagieren jedoch entsetzt auf die getroffenen Entscheidungen.
Das Thema ist unter den Abgeordneten im EU-Parlament hoch umstritten: Wie soll die milliardenschwere Agrarpolitik des Staatenbundes reformiert werden?
Die EU-Staaten haben sich bereits auf Änderungen geeinigt. Das Europaparlament will diese Woche seine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) festlegen.
Über die Woche verteilt stimmen die Abgeordneten deshalb über mehr als 2000 Änderungsanträge ab, ein Endergebnis soll spätestens am Freitag vorliegen. Das EU-Parlament hat aber bereits am Dienstagabend mehrheitlich die Grundzüge seiner Position festgezurrt.
Bei den Abstimmungen über Änderungsanträge an dem Gesetzesvorhaben setzte sich ein Kompromissvorschlag der Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen durch. Grüne und Umweltschutzorganisationen bemängeln die Entscheidung.
Wir fassen zusammen, um was es bei der Reform geht und woran sich die Kritik entzündet.
Was wurde bisher beschlossen?
Grundsätzlich sprach sich die Mehrheit der Abgeordneten für eine Beibehaltung des gegenwärtigen Systems aus. Dieses beruht vor allem auf flächenabhängigen Direktzahlungen für landwirtschaftliche Betriebe. Künftig sollen die Mittel aber mehr als bisher an Umweltauflagen geknüpft werden.
Für eine grünere Landwirtschaft sollen in den kommenden Jahren vor allem Umweltvorgaben sorgen, sogenannte Eco-Schemes. Sie gehen über die verpflichtenden Anforderungen hinaus. Erfüllt ein Landwirt die Öko-Regelungen, bekommt er zusätzliches Geld. So soll klima- und umweltfreundliche Landwirtschaft für die Bauern attraktiver werden.
Insgesamt sollen etwa 30 Prozent der Direktzahlungen nur auf diesen Weg ausgezahlt werden. Auf eine solche Regelung verständigten sich am frühen Mittwochmorgen auch die Agrarminister der Mitgliedstaaten. Deren Einigung sieht aber nur 20 Prozent für die Eco-Schemes und eine zweijährige "Lernphase" vor.
Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen die Staaten zudem mehr Freiheiten bekommen, wie sie eine Reihe vorgegebener Ziele erreichen wollen – etwa die Erhaltung der Natur, den Klimaschutz und die Sicherung der Lebensmittelqualität. Dazu sollen sie jeweils nationale Pläne erstellen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssten.
Welche Rolle spielt die Agrarpolitik innerhalb der EU?
Das Budget für die Agrarpolitik ist der größte Posten im EU-Haushalt. Bis 2027 haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Viele Landwirte sind von den Zahlungen aus Brüssel abhängig, fürchten aber zugleich zu hohe Umweltauflagen.
Was sagen die Landwirtschaftsministerinnen Deutschlands und Österreichs?
Deutschlands Landwirtschaftsministerin
In Deutschland wäre demnach eine Milliarde Euro im Agrarbudget für die sogenannten Eco-Schemes vorgesehen, wie Klöckner sagte.
Die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger zeigte sich nach der Einigung erleichtert: "Verpflichtende Öko-Regelungen von 20 Prozent bei den Direktzahlungen sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte sie.
Wie reagieren Umweltschützer auf die Reform?
Die Umweltverbände WWF und Greenpeace kritisieren den Kompromiss zur GAP-Reform scharf. Der WWF erklärte am Mittwoch, die Reform werde "zur Katastrophe für Natur- und Klimaschutz". Die EU-Landwirtschaftsminister setzten die "zerstörerische Subventionspolitik zugunsten großer Agrarkonzerne fort".
Umweltschützer halten es für notwendig, Subventionen streng an messbare Leistungen für die Ökosysteme zu koppeln. Die nun festgelegte Position der EU-Staaten, dass mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen in jedem Staat für strengere Öko-Vorgaben reserviert werden sollen, biete keinen ökologischen Mehrwert im Vergleich zu vorigen Förderperioden, sagte der Naturschutzvorstand des WWF, Christoph Heinrich.
"Um ausreichende Wirkung zu entfalten, müssten es eigentlich verbindliche 50 Prozent sein, als minimaler Einstieg wären gerade noch mindestens 30 Prozent akzeptabel", erklärte der WWF-Experte.
Auch Greenpeace monierte, die Minister betrieben "klassische Klientelpolitik für Großbetriebe und Agrarwirtschaft zulasten bäuerlicher Familienbetriebe und der Umwelt". Demnach werden 390 Milliarden Euro Agrarsubventionen weiterhin weitgehend bedingungslos verteilt, statt damit gezielt Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu fördern.
Aus Sicht von Grünen-Chef Robert Habeck reichen die Beschlüsse "hinten und vorne nicht, um die selbstgesteckten Ziele der EU zu erreichen und den Bäuerinnen und Bauern Sicherheit zu geben". Er sagte am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur: "Das klare Ziel sollte sein: Direkte Zuschüsse für die Fläche, egal was auf dem Acker passiert, werden abgeschafft."
Stattdessen müssten Bauern Geld bekommen, die gesellschaftliche Leistungen erbringen. Eine solche "Gemeinwohlprämie" müsse jetzt schrittweise und mit klaren Etappenzielen eingeführt werden. Habeck fehle bei der Einigung "Weitsicht und Konsequenz". Besonders die Grünen hatten im Voraus gegen den Kompromiss von Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen mobil gemacht.
Wie geht es jetzt weiter?
Am Mittwoch und Donnerstag stehen weitere Änderungsanträge zu Detailfragen auf der Parlamentsagenda. Unter anderem geht es dabei um ein geplantes Vermarktungsverbot von Fleischersatzprodukten als "Veggie-Burger", "vegane Wurst" und Ähnlichem.
Erst danach stimmen die Abgeordneten über den gesamten Text und die endgültige Linie ab. Anschließend könnten beide Seiten – das Parlament und die EU-Staaten – miteinander über die Agrarreform verhandeln. (dpa/afp/mf)
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