Deutschland muss ein in Polen ausgesprochenes Strafurteil nicht in jedem Fall anerkennen. Das gilt insbesondere dann, wenn das polnische Gericht nicht unabhängig war und sich dies möglicherweise auf das betreffende Strafverfahren auswirkte, wie am Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschied. (Az. C-819/21)
Hintergrund sind mehrere Justizreformen in Polen. In mehreren Verfahren warf die EU-Kommission seit 2016 der jetzt noch amtierenden nationalkonservativen Regierung in Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben. Der EuGH entschied mehrmals, dass Polen mehrfach gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstieß. Zu großen Teilen wurden die Reformen daraufhin wieder rückgängig gemacht.
Mit Blick auf die jedenfalls früheren Missstände lehnte die Staatsanwaltschaft Köln es ab, einen zu sechs Monaten Haft verurteilten Mann zu übergeben, gegen den Polen einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt hatte. Der Mann lebe seit langem in Deutschland und habe der Auslieferung widersprochen. Daraufhin ersuchte das polnische Gericht Deutschland, die Strafe hier zu vollstrecken.
Das Landgericht Aachen ist der Ansicht, dass zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung in Polen erhebliche Mängel im dortigen Justizsystem bestanden. Es fragte daher beim EuGH an, ob Deutschland nach der Übergabe des Verurteilten nun auch die Vollstreckung der Strafe ablehnen kann.
Nach dem Luxemburger Urteil ist dies zulässig, wenn es Hinweise auf eine fehlende Unabhängigkeit des betreffenden Gerichts oder andere Mängel hinsichtlich eines fairen Verfahrens gibt und wenn gleichzeitig "ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass sich diese Mängel konkret auf das Strafverfahren gegen die betroffene Person auswirken konnten". Dies müsse zunächst die jeweilige Staatsanwaltschaft beurteilen. © AFP
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