Eine letzte Hürde steht zwischen Verkehrsminister Andreas Scheuer und der Pkw-Maut in Deutschland. Der jahrelange Streit nimmt ein Ende: Der Europäische Gerichtshof entscheidet. Von seinem Urteil hängt viel ab.

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Für den Bundesmautminister geht es buchstäblich ums Ganze: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verkündet am Dienstag sein Urteil, ob die geplante Pkw-Maut in Deutschland nun gegen EU-Recht verstößt oder nicht. Das Ergebnis: Das Gericht erklärte die Pkw-Maut für nicht rechtens.

Dann soll nach jahrelangem Gezerre endlich klar sein, ob Andreas Scheuer und seine CSU triumphieren. Oder ob die von etlichen Kritikern bekämpfte "Ausländermaut" doch noch vor dem angepeilten Start im Oktober 2020 mit Totalschaden scheitert.

Die wichtigsten Fragen & Antworten zur Pkw-Maut im Überblick:

Wieso befasst sich der EuGH überhaupt mit der Maut?

Dass das Prestigeprojekt der Christsozialen in der Bundesregierung am Ende beim EuGH landen wird, hatten die meisten erwartet. Auch wenn es eine Zeit lang so aussah, als könne Deutschland diesem langwierigen Rechtsstreit entgehen.

Die EU-Kommission, die schon mit Klage gedroht hatte, ließ sich 2016 von einem leicht geänderten Modell überzeugen, das der erste CSU-Mautminister Alexander Dobrindt durchbrachte.

Österreich sah das aber anders und zog vor den EuGH. Bei der Klage wird Österreich von den Niederlanden unterstützt, die ebenfalls Bedenken haben.

Worüber genau urteilt der EuGH?

Österreich beanstandet mehrere Punkte. So würden Autobesitzer aus dem Ausland verbotenerweise wegen der Staatsangehörigkeit benachteiligt. Das zielt darauf, dass laut deutschem Modell nur Inländer über eine geringere Kfz-Steuer voll für Mautzahlungen entlastet werden sollen.

Österreich kassiert zwar selbst auch Maut, diese ist jedoch von Inländern wie Ausländern gleichermaßen zu bezahlen.

Zudem werde der europäische Binnenmarkt beeinträchtigt - vor allem der Waren- und Dienstleistungsverkehr. Schließlich führt Wien eine "Stillhalteklausel" in der Verkehrspolitik an, wonach es EU-Staaten untersagt ist, Regelungen einzuführen, die sich negativ auf die Verkehrsunternehmen anderer EU-Länder auswirken. Die Richter müssen nun umfassend urteilen, ob die Maut mit EU-Recht vereinbar ist.

Was bedeutet es, wenn die Maut vor Gericht durchfällt?

Der EuGH ist die oberste Instanz in der EU-Rechtssprechung. Lässt er die Maut komplett durchfallen, müsste Deutschland sie in dieser Form begraben.

Das wäre ein Debakel für die CSU. Und auch der Bund bekäme Ärger, weil schon vorab Fakten für die Einführung der Maut geschaffen wurden.

Da sind vor allem die Zuschläge für die privaten Betreiber der Maut, von denen Entschädigungsforderungen drohen würden. Darunter ist übrigens auch der österreichische Mautsystem-Anbieter Kapsch.

Theoretisch ist es auch möglich, dass die EU-Richter die Klage nur teilweise abweisen oder annehmen. Dann kommt es auf die Details an.

Was passiert, wenn die Maut vor Gericht durchkommt?

Mit dem Euro-Siegel aus Luxemburg wäre der Weg für die konkrete Einführung der Maut endgültig frei. Scheuer hätte die ersehnte Trophäe für seine Partei in der Hand und könnte gleich mit weiteren Vorbereitungen loslegen.

Bis zum geplanten Start im Oktober 2020 sind es noch 16 Monate. Und der Minister will nach dem langen Gezerre erklärtermaßen ein System einführen, das auch "gut funktioniert".

Technische Tücken, die einst den Start der Lkw-Maut hinauszögerten, will man nicht riskieren. Das Mautgesetz verlangt nun auch eigens die amtliche Feststellung der "technischen Einsatzbereitschaft".

Und wie stehen die Chancen?

Deutschland kann sich berechtigte Hoffnungen machen, dass es am EuGH positiv ausgeht. Ein wichtiger Gutachter, der Generalanwalt, empfahl im Februar, die Klage Österreichs abzuweisen.

Sie basiere auf einem grundlegenden Missverständnis des Begriffs "Diskriminierung", meinte er. Die Gutachten sind nicht verbindlich, in der Mehrzahl der Fälle orientieren sich die Richter aber an ihnen.

Wie sieht die Maut aus?

Auch wenn vor allem über Fahrer aus dem Ausland gestritten wurde - zahlen sollen die Pkw-Maut alle. Autobesitzer aus dem Inland müssten eine Jahresmaut für Autobahnen und Bundesstraßen zahlen, die vom Konto abgebucht wird.

Sie richtet sich nach Umweltfreundlichkeit und Größe des Motors. Im Schnitt soll sie 67 Euro kosten, maximal 130 Euro.

Autofahrer aus dem Ausland sollen zum Schutz des Grenzverkehrs nur für Autobahnen zahlen. Sie sollen neben der Jahresmaut auch zwei Kurzzeittarife für zehn Tage oder zwei Monate buchen können. Unterm Strich sollen nach Abzug der Kosten knapp 500 Millionen Euro im Jahr für Straßen-Investitionen übrig bleiben. Ob diese Summe realistisch ist, daran gibt es aber Zweifel.

(dpa/ank)

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