Bundeskanzlerin Angela Merkel wirbt in Ägypten und Tunesien um Unterstützung in der Flüchtlingsfrage. Dabei liegt das eigentliche Problem in einem Nachbarland. Warum Deutschland und Europa von einer raschen Lösung noch weit entfernt sind.
Angela Merkel ist auf schwieriger Mission. Auf ihrer Nordafrikareise wird die Kanzlerin vor der Bundestagswahl 2017 kritisch beäugt. Die CDU-Chefin will Lösungen in der Flüchtlingsfrage präsentieren.
Diese stellt sich Anfang 2017 vor allem in Nordafrika. So beriet sich
Libyen ist das Problem für Angela Merkel
Doch damit ist längst keine Lösung gefunden. Das Problem ist Ägyptens instabiler Nachbar Libyen, erklären die Maghreb-Experten Dr. Canan Atilgan und Beat Stauffer unisono im Gespräch mit unserer Redaktion.
"Die nordafrikanischen Staaten sind eine Transitregion für Flüchtlinge aus dem Subsahara-Afrika. Über die östliche Mittelmeerroute passiert bekanntlich derzeit nicht viel aufgrund des Abkommens mit der Türkei", sagt Atilgan.
"Die westliche Mittelmeerroute ist unter Kontrolle gebracht worden. Marokko hat mit Unterstützung Spaniens den Übergang nach Europa blockiert."
"Es geht hauptsächlich um Libyen"
Atilgan arbeitet in Tunis für die Konrad-Adenauer-Stiftung, reist regelmäßig zu Forschungszwecken durch die Maghreb-Staaten. "Es geht hauptsächlich um Libyen, also die zentrale Mittelmeerroute", sagt sie. "Von den Flüchtlingen, die 2016 nach Italien kamen, kamen über 90 Prozent über Libyen."
Im Frühling würden noch mehr Flüchtlinge diese Route wählen, meint Maghreb-Experte Beat Stauffer, der die Region schon mehrmals für seine Recherchen bereist hat. "Die Menschen kommen dabei mehrheitlich aus westafrikanischen Staaten, etwa dem Senegal, aus Nigeria sowie aus Eritrea und Somalia". Migranten aus den Maghreb-Staaten selbst, sprich Marokko, Algerien und Tunesien, stellten nur einen kleinen Anteil dar.
Die meisten der Flüchtlinge kämen über Niger, erklärt Stauffer, in Libyen würden die Boote dann im Westen zwischen Tripolis und Sabratha in Richtung Sizilien und Lampedusa ablegen.
Vor den Maghreb-Staaten funktioniert die Küstenwache
Doch wie viele versuchen über diese Route nach Europa zu gelangen? Laut der Grenzschutzagentur Frontex waren im vergangenen Jahr über 181.000 Menschen aus Afrika über die zentrale Mittelmeer-Route nach Italien geflüchtet.
Es sei auch für 2017 von ähnlichen Zahlen auszugehen, "wenn die Grenzen nach wie vor durchlässig bleiben", meint Atilgan und sieht in diesem Punkt regional signifikante Unterschiede: Vor den Maghreb-Staaten funktioniere die Küstenwache, vor Libyen aber nicht.
Die Frage, wer von diesen Menschen denn nun ein Recht auf Asyl in Deutschland habe, müsse für jede Einzelpersonen geprüft werden.
"Das ist schwierig zu differenzieren. Wenn jetzt ein Flüchtling aus Eritrea kommt, hätte diese Person nach unserem Recht eigentlich ein Anspruch darauf, einen Asylantrag zu stellen. Gleichzeitig kommen viele aus Bürgerkriegsregionen, in denen Hungersnöte herrschen", meint Atilgan. "Eine klare Trennlinie zu ziehen, zwischen denen, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen und denen, die politisch verfolgt werden, ist fast nicht möglich."
Maghreb-Staaten wollen keine Aufnahmelager
Doch was bedeutet dies nun für die Kontrolle und Lenkung der Flüchtlinge in Nordafrika? Auch hier sollte der Fokus auf Libyen gerichtet werden.
Angela Merkel sagte Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi weitere Hilfe bei der Sicherung der Grenze zu Libyen zu. "In Europa hofft man auf kurzfristige Lösungen. Aber: Libyen ist kein Staat. Gerade diese fragile Staatlichkeit hat Libyen zum Haupttransitland gemacht", erklärt Atilgan.
"Dementsprechend fehlt der legale Rahmen um Vereinbarungen umzusetzen." Ein Abkommen wie mit der Türkei sei deshalb nicht realistisch. Auch diskutierte Aufnahmelager sind für sie keine Lösung.
Atilgan betont die kritische humanitäre Lage in Libyen. "Die Situation in den 34 bekannten "Detention Centers" ist katastrophal", erzählt sie und verweist auf einen entsprechenden UN-Bericht (den vollständigen Bericht zum Download finden Sie hier).
Ebenfalls unrealistisch seien Aufnahmelager in Tunesien, Algerien und Ägypten, weil diese Staaten solche ablehnten. Auch Beat Stauffer ist skeptisch: "Die EU setzt Tunesien unter Druck, aber die tunesische Regierung hat Angst, diese Leute würden in Tunesien bleiben." Sind der EU also die Hände gebinden?
Nein, meint Atilgan. Sie nennt die Möglichkeit des "Resettlements". Eine solche freiwillige Rückkehr aus Libyen in Heimatländer werde durch die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in kleinerer Zahl bereits ermöglicht. Dabei sei es wichtig, meint die Expertin, vorab in den Herkunftsstaaten eine Perspektive zu schaffen.
Erste Erfolge solcher Maßnahmen seien zum Beispiel in Niger messbar. Auf lange Sicht helfe nur eine längerfristig angelegte Politik zur Stabilisierung Afrikas, meint Atilgan.
"Hier gibt es Ansätze wie den Afrika-Trust-Fund der EU und die Debatte um einen Marshallplan. Aber mit schnellen Ergebnissen kann man nicht rechnen."
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