Angesichts der Annäherung zwischen den USA und Russland ist klar, dass die Europäer künftig überwiegend selbst für ihre Verteidigung und die Sicherheit der Ukraine sorgen müssen. Die EU ist auf diese Aufgabe nur unzureichend vorbereitet.
Donald Trump verhandelt über den Kopf der Ukraine und der Europäischen Union mit Russland. Für die EU ein diplomatischer Stoß vor den Kopf. Das Verhalten der Trump-Administration lässt kaum einen Zweifel daran: Die Sicherheitsgarantien, die Europa aus den USA gewohnt ist, gelten so nicht mehr.
Europa wird bei der Verteidigung künftig deutlich stärker auf eigenen Beinen stehen müssen. Doch die Zeit drängt – und gerüstet ist man dafür bei weitem noch nicht. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was steht auf dem Spiel?
EU-Kommissionspräsidentin
Trump will sich möglichst noch in diesem Monat mit dem russischen Staatschef
Was ist mit den Ukraine-Hilfen?
Die USA drängen Europa, künftig den "überwiegenden Anteil" der militärischen wie zivilen Hilfen für die Ukraine zu übernehmen. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte deshalb in einem internen Diskussionspapier weitere Ukraine-Hilfen "so bald wie möglich".
Ihr Vorschlag sieht mindestens 1,5 Millionen Schuss Munition für die Ukraine vor sowie weitere Luftabwehrsysteme, Raketen und Drohnen.
Wie steht es um Sicherheitsgarantien für die Ukraine?
Einer Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine hat die US-Regierung eine Absage erteilt, Trump ist Putin damit vorab entgegengekommen. Zudem lehnt Trump US-Truppen in der Ukraine ab.
Die Europäer müssten einen möglichen Waffenstillstand zwischen Kiew und Moskau voraussichtlich selbst absichern.
Wie viele Truppen wären dafür nötig?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert 200.000 Soldaten. Frankreich hat europäische Friedenstruppen mit bis zu 100.000 Kräften ins Gespräch gebracht.
Großbritannien ist zur Truppenentsendung grundsätzlich bereit, Polen hat sich dagegen ausgesprochen.
Wäre Deutschland dabei?
Die Bundesregierung nennt die Debatte verfrüht. "Weder der Bundeskanzler noch ich haben das jemals ausgeschlossen", sagte Verteidigungsminister
Deutschland werde sich ihm zufolge "an jeder sinnvollen friedenssichernden Maßnahme beteiligen. Aber die Betonung liegt auf sinnvoll und abgesichert." Pistorius kritisierte das Vorpreschen der anderen Staatschef dabei indirekt. Solange Deutschland nicht Teil des Friedensprozesses sei, werde er "weder Donald Trump noch Wladimir Putin jetzt auf den Tisch legen, was ich bereit bin zu tun und was nicht."
Sollte sich in den Gesprächen zwischen Trump und Putin ein konkreter Friedensplan abzeichnen, müsste die neue Berliner Koalition nach der Wahl am Sonntag aber womöglich rasch über eine Bundeswehr-Beteiligung nachdenken. Allerdings ist Moskau bisher gegen die Stationierung von Soldaten der Nato-Länder in der Ukraine.
Was ist mit den Russland-Sanktionen?
Zum dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine am kommenden Montag hat die EU ein neues Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Es umfasst unter anderem einen Importstopp für russisches Aluminium und Maßnahmen gegen die Umgehung des bestehenden Ölembargos.
In Brüssel wird befürchtet, Trump könne die US-Sanktionen gegen Moskau teilweise oder ganz aufheben und die EU und Großbritannien damit weiter unter Druck setzen.
Wie steht es um die Verteidigung Europas?
Bisher sind die Europäer nicht ausreichend für die Bedrohung durch Russland gewappnet. Geheimdienste rechnen in wenigen Jahren mit einem möglichen Angriff Putins auf ein europäisches Nato-Land.
Auf Vorschlag der EU-Kommission beraten die Mitgliedsländer zwar bereits über eine stärkere Zusammenarbeit bei der Rüstungsbeschaffung und der Stärkung der Industrie, doch dies reicht nicht aus.
Was müsste noch geschehen?
Sollten die USA einen Teil ihrer konventionellen Truppen aus Europa abziehen, müssten die Europäer die Lücke füllen. Bisher sind 100.000 US-Soldaten in Europa stationiert.
Auch der US-Atomschirm könnte irgendwann infrage stehen. Experten mahnen deshalb zur Diskussion über eine erweiterte nukleare Abschreckung über die Atomländer Frankreich und Großbritannien hinaus.
Was kostet die Aufrüstung?
Die EU-Kommission geht von 500 Milliarden Euro Zusatzbedarf binnen zehn Jahren aus. Ungeklärt ist die Finanzierung. Kommissionschefin von der Leyen will die europäischen Schuldenregeln lockern, um den Mitgliedsländern mehr nationale Investitionen in die Verteidigung zu erlauben.
Zudem soll es Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) geben. Einen über Gemeinschaftsschulden finanzierten EU-Verteidigungsfonds lehnt Deutschland bisher ab. (afp/bearbeitet durch thp)