Der Migrationsexperte Gerald Knaus hält die Einführung von Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen zur Eindämmung der illegalen Migration für nutzlos. "Migranten lassen sich so nicht von Grenzübertritten abhalten. Sie werden es immer wieder versuchen, denn sie bleiben ja in der EU", sagte Knaus der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigten temporären stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien seien "im besten Fall ein Placebo".

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Bislang seien alle Binnenkontrollkonzepte in der EU gescheitert, sagte der Soziologe, der den Thinktank Europäische Stabilitätsinitiative leitet weiter. "Sie reduzieren keine Asylanträge. Wir brauchen eine andere Politik, die dazu führt, dass grundsätzlich weniger Menschen irregulär in die EU kommen."

Die angedachte Reform des EU-Asylsystems löse die Probleme allerdings nicht. "Fortschritte in der Politik der EU sehe ich nirgends", sagte er der "RP". "Nach Italien kommen 2023 mehr Menschen in Booten als 2022, und es sterben auch mehr." Es gebe keine Strategie um die irreguläre Migration im Mittelmeer zu begrenzen und zugleich keine Durchsetzung von EU-Recht, weshalb ein Großteil der Asylantragsteller nach Deutschland und Österreich komme.

Der Weg zu weniger Bootsflüchtlingen: Schnelle Rückführungen und attraktive Angebote in sichere Staaten

"Wenn wir ohne Gewalt erreichen wollen, dass weniger Menschen in Boote steigen, geht das nur durch schnelle Rückführungen in sichere Staaten", schlug der Soziologe vor. Diesen Staaten müssten Angebote gemacht werden, die für sie attraktiv seien. "Das können mehr Mobilität und erleichterte EU-Visa für die Bürger dieser Länder sein, erleichterte Zugänge zum Arbeitsmarkt in EU-Staaten, die Arbeitskräfte suchen, die reguläre Aufnahme von Flüchtlingen und finanzielle Unterstützung."

Dass das Konzept der sicheren Drittstaaten an sich bereits problematisch ist, gestand auch Knaus ein. "Kritiker sagen zurecht, dass es derzeit keinen sicheren Drittstaat in Afrika gibt." Aber zu sagen, das lasse sich auch nicht ändern und deshalb müssen eben alle Schutzsuchenden nach Deutschland oder Frankreich kommen "ist absurd defätistisch".



  © AFP

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