- Desinformation und Fake News werden zu einer wachsenden Herausforderung für demokratische Staaten.
- Bei der Umsetzung gezielter Desinformationskampagnen spielen oft Trollfabriken eine entscheidende Rolle.
- Was steckt hinter ihnen und wie funktionieren sie?
Kriege werden schon lange nicht mehr nur auf dem Schlachtfeld geführt. Wer die öffentliche Meinung beherrscht, kann Macht sichern oder ganze Systeme destabilisieren. Das haben Machthaber auf der ganzen Welt erkannt. Manche von ihnen versuchen deshalb, auf sozialen Plattformen Einfluss zu gewinnen und Meinungen zu manipulieren.
Sogenannte Trollfabriken arbeiten systematisch daran, den öffentlichen Diskurs – und damit die Stabilität demokratischer Staaten – zu untergraben. Ein "Troll" bezeichnet im Netzjargon jemanden, der absichtlich und aus reiner Freude provoziert und so Diskussionen zerstört. "Trollfabriken" tun dies meist in staatlichem Auftrag. Im Fokus ist dabei immer wieder Russland.
Ein Beispiel: Im September 2022 entfernt das Unternehmen "Meta" 1.633 Nutzerkonten, 703 Seiten mit rund 4.000 Followern auf Facebook und 29 Nutzerkonten mit rund 1.500 Followern auf Instagram – alle Teil eines umfassenden pro-russischen Netzwerks, wie das ZDF berichtete.
Außerdem gehörten 60 gefälschte Webseiten zu dem Netzwerk, die echte Seiten von Medien wie "Der Spiegel", "Bild" oder "The Guardian" kopieren sollten. Das steht in einem von "Meta" veröffentlichten Bericht. Als Teil einer groß angelegten Kampagne sollten diese Seiten offenbar Angst vor den Auswirkungen der Russland-Sanktionen schüren.
EU-Experte: Propaganda ist gut koordinierte Bemühung des Kremls
Bei weitem kein Einzelfall, sondern nur ein weiteres Beispiel für jahrelange Bemühungen. Das sagt Peter Stano, ein Sprecher der EU, im Gespräch mit unserer Redaktion: "Was wir jetzt sehen, ist keine neue Desinformationskampagne, sondern vielmehr kontinuierliche und gut koordinierte Bemühung des Kremls und anderer Akteure, den Westen, seine Institutionen und seine Politik zu untergraben und Keile in unsere Gesellschaft zu treiben."
Stano betont, dass es sich "nicht um eine isolierte Anstrengung handelt, sondern um eine konzertierte Aktion, die vom Kreml geleitet wird." Im Laufe der Jahre habe man Beweise und Beispiele für das Innenleben von Trollfabriken in Russland gesammelt, hauptsächlich dank der Whistleblower, die dort arbeiteten.
Wie sieht es also im Inneren einer solchen Trollfabrik aus? Bereits 2015 berichtete das Magazin "Der Spiegel" von der sogenannten "Internet Research Agency" (IRA) in St. Petersburg, in der ca. 400 Menschen in Zwölf-Stunden-Schichten Propaganda verbreiten. Eine Aussteigerin schildert, dass vor allem junge Menschen dort arbeiten, die von der relativ guten Bezahlung angezogen werden. Dabei gebe es täglich eine Liste mit Themen und Gefühlen, die diese online provozieren sollten.
Wie die Trollfabrik IRA das Internet mit Fake News flutet
Die IRA besteht seit 2013. Laut EU-Angaben arbeiten dort alleine 80 Angestellte daran, die US-Wahlen zu beeinflussen. Das Budget für die Propaganda-Maschine beträgt 1,25 Millionen US-Dollar pro Monat.
Die Hauptfigur hinter der IRA ist Jewgeni Prigoschin, auch bekannt als "Putins Koch". Prigoschin wird die Verantwortung für zahlreiche Propagandakampagnen zugeschrieben, die alle das Ziel verfolgen, Putin und die russische Regierung in ein positiveres Licht zu stellen.
In den USA wurde Prigoschin wegen "Verschwörung zur Störung demokratischer Prozesse in den Vereinigten Staaten" angeklagt. Unter anderem geht es um die Präsidentschaftswahl von 2016, die
Auch bei der Unterstützung einer Revolte in Afrika soll Prigoschin eine Rolle gespielt haben. In der EU steht er – wie auch die IRA selbst – auf der Sanktionsliste.
Von Trump bis Brexit: Wie stark ist der Einfluss der Propaganda aus den Trollfabriken?
Wie groß der Einfluss der Desinformationskampagnen ist, lässt sich schwer messen, wie EU-Sprecher Peter Stano betont. Jedoch hätten unabhängige Untersuchungen gezeigt, dass "diese Operationen die öffentliche Meinung beeinflusst haben könnten, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Wahlen". Beispiele hierfür sind das Brexit-Referendum oder die Wahl von Donald Trump. Aber auch bei der Bundestagswahl 2017 soll die IRA kräftig mitgemischt haben, indem sie politisch rechte Themen in der öffentlichen Wahrnehmung gepusht hat.
Um Einmischungen dieser Art entgegenzuwirken, hat der Europäische Auswärtige Dienst seine Investitionen in die Bekämpfung ausländischer Desinformationen erhöht, sagt Stano. Dabei wurden auch Task Forces eingerichtet, die sich mit dem Westbalkan, dem Nahen Osten und Nordafrika befassen.
Wie sich jeder einzelne vor Fake News schützen kann
Doch Fake News gehen auch jeden einzelnen Mediennutzer an. Deshalb hat die EU die Kampagne "EU vs Disinformation" ins Leben gerufen. Auf der zugehörigen Website lassen sich zum Beispiel detaillierte wissenschaftliche Analysen oder auch Handlungsanweisungen zum Umgang mit Fake News abrufen.
Peter Stano formuliert den Kern der Aufgabe: "Der Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderung besteht darin, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen und gleichzeitig an der Steigerung der Medienkompetenz zu arbeiten."
- Peter Stano ist Leitender Sprecher für die auswärtigen Angelegenheiten der EU.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Peter Stano
- euvsdisinfo.eu: European elections. The St. Petersburg Troll Factory Targets Elections from Germany to the United States
- about.fb.com: Meta. Removing Coordinated Inauthentic Behavior From China and Russia
- zdf.de: Desinformation auf Facebook : Meta löscht größtes russisches Fake-Netzwerk
- spiegel.de: Russische Propaganda Insiderin berichtet aus der Trollfabrik des Kreml
- www.eeas.europa.eu: Tackling Disinformation, Foreign Information Manipulation & Interference
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