• Mit dem sogenannten Solidaritätsmechanismus will die EU eigentlich Länder entlasten, in denen besonders viele Migranten Zuflucht suchen.
  • Doch nun denkt die SPD offenbar darüber nach, das System zur freiwilligen Umverteilung von Flüchtlingen vorerst auf Eis zu legen.
  • Hintergrund sind Streitigkeiten mit der Regierung in Italien.

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Die SPD denkt darüber nach, den Mechanismus zur freiwilligen Aufnahme von Migranten innerhalb der EU auszusetzen. Das erklärte Lars Castellucci, migrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, gegenüber der "Welt".

Der sogenannte Solidaritätsmechanismus ist erst seit diesem Sommer in Kraft. Die EU-Staaten hatten sich vor dem Hintergrund des bereits seit Jahren schwelenden Streits um das Dublin-Verfahren auf ihn geeinigt.

Denn nach dem Dublin-Verfahren ist grundsätzlich immer das Land für den Asylantrag eines Migranten zuständig, in dem die Person ankommt. Dadurch werden insbesondere Mittelmeerstaaten wie Italien und Griechenland unverhältnismäßig schwer belastet. Durch den Solidaritätsmechanismus soll ein Teil dieser Flüchtlinge auf andere EU-Staaten umverteilt werden – auf freiwilliger Basis.

Italiens Haltung zu Seenotrettern sorgt für Zwist

Anlass dafür, dass die SPD nur wenige Monate nach der Einführung des Mechanismus darüber nachdenkt, ihn außer Kraft zu setzen, sind Streitigkeiten mit der neuen Regierung in Italien. Diese hatte zuletzt Seenotrettern verweigert, in italienischen Häfen anzulegen.


Die Regierung unter Italiens ultrarechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich etwa Anfang November geweigert, das Seenotrettungsschiff "Ocean Viking" mit 234 Migranten an Bord in einen italienischen Hafen einfahren zu lassen. Nach einer Hängepartie nahm Frankreich das Schiff sowie ein Drittel der Menschen auf, warf Italien aber einen Verstoß gegen internationales Recht vor.

SPD-Politiker Castellucci sagte zu den Überlegungen, dass wenn Italien "weiterhin nicht zu einer menschenwürdigen Politik mit Blick auf die Rettungsschiffe" übergehe und diese nach Norden durchleite, müsse der Mechanismus "ausgesetzt" werden.

Nach dem Streit über die "Ocean Viking" ist Frankreich bereits aus dem System zur freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen ausgestiegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hält bislang aber daran fest. Am 25. November wollen die Innenminister der EU-Staaten bei einem Sondertreffen über das Dauerstreitthema Migration und den Solidaritätsmechanismus beraten.

FDP und Grüne wollen bislang an Solidaritätsmechanismus festhalten

Mit ihren Überlegungen zum Ausstieg aus dem Verteilungssystem steht die SPD innerhalb der Ampel bislang alleine da. Die Grünen und die FDP übten zwar ebenfalls Kritik an der Haltung Italiens in der Migrationspolitik, wollen aber trotzdem an der freiwilligen Umverteilung von Flüchtlingen festhalten.

Sollte Deutschland die Vereinbarung aussetzen, sei dies ein "Schritt zurück bei dem Versuch, endlich einen festen, rechtlich bindenden und dauerhaften Verteilmechanismus für die EU zu etablieren", so der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Stephan Thomae gegenüber der Welt.

Der Grünen-Migrationsexperte Julian Pahlke bezeichnete den "Fortbestand des Solidaritätsmechanismus" gegenüber dem Medium sogar als "wesentlich für ein Weiterkommen auf europäischer Ebene".

Bürokratie verlangsamt Umverteilung von Migranten

Aus Sicht Italiens funktioniert das freiwillige Verteilungssystem bislang hingegen nicht gut genug. Italiens Innenminister, Matteo Piantedosi, erklärte unlängst, dass der Solidaritätsmechanismus für sein Land bis heute "absolut unzureichende Ergebnisse" geliefert habe.

Das spiegelt sich in den Zahlen wider. So hatte sich Deutschland im Juni bereit erklärt, im Rahmen des Systems insgesamt 3.500 Migranten aufzunehmen. Bislang sind aber nur 74 davon tatsächlich in der Bundesrepublik angekommen.

Schuld daran ist laut Grünen-Politiker Pahlke das bürokratische Prozedere. Aktuell werden die Migranten sowohl in dem Land, in dem sie ankommen, als auch von deutscher Seite überprüft. Pahlke zufolge ist das nicht zielführend.

"Staaten wie Italien registrieren und überprüfen ankommende Personen bereits, da ist ein weiteres Verzögern durch langwierige Überprüfungen nicht hilfreich", sagte er gegenüber der Welt.

Mit Material der dpa

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur
  • Redaktionsnetzwerk Deutschland: Ist der neue EU-Solidaritätsmechanismus ein fauler Deal?
  • Spiegel: Frankreich setzt Deal mit Italien zur Aufnahme von Migranten aus
  • Tagesschau: EU-Aktionsplan gegen illegale Migration
  • Welt: SPD bringt Aussetzung freiwilliger Migranten-Aufnahme ins Spiel


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