In der Flüchtlingskrise werden derzeit viele Maßnahmen diskutiert. Darunter ist auch immer wieder der Vorschlag, die Außengrenzen Deutschlands dicht zu machen - zur Not auch mit Zäunen. Aktuell greift ihn eine Gruppe von Unions-Abgeordneten auf.
Es handelt sich um den Parlamentskreis Mittelstand (PKM), dem die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU angehört. Laut einem "Bild"-Bericht arbeitet die Gruppe an einem Antrag zur Grenzschließung.
Dabei dürfe auch die "Prüfung einer Grenzbefestigung kein Tabu sein", sagte der CDU-Politiker Christian von Stetten der Zeitung. Flüchtlinge sollen also offenbar direkt an der Grenze aufgehalten und zurückgeschickt werden - und wenn es sein muss, sollen Zäune errichtet werden, um die Grenze dicht zu machen.
Kritische Reaktionen auf Zaun-Vorschlag
Die Reaktionen auf diesen Vorstoß waren vielfach kritisch - ebenso wie es zuvor die Reaktionen auf den Zaun-Vorschlag des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, gewesen waren. Wendt hatte der "Welt am Sonntag" gesagt, er fände es einen guten ersten Schritt, "wenn wir das wieder aufbauen würden, was an den deutschen Grenzen stand, als es noch richtige Einreisekontrollen gab". Wenn Deutschland "ernst gemeinte" Grenzkontrollen durchführen wolle, "müssen wir einen Zaun entlang der deutschen Grenze bauen".
"Flüchtlinge keine Gefahr für die öffentliche Ordnung"
Es gibt viele Einwände gegen ein solches Vorhaben - moralischer und rechtlicher Natur. Als Mitglied des Schengen-Abkommens hat Deutschland seine Grenzen zunächst einmal grundsätzlich offen zu halten. Vorübergehend sind Grenzkontrollen möglich, wenn die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit schwerwiegend bedroht wären.
Deutschland führt seit Mitte September und wohl mindestens bis Anfang November Kontrollen durch. Dass eine Bedrohung vorliegt, wird jedoch von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bezweifelt: "Flüchtlinge sind Schutzsuchende, sie sind keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit."
Frage nach der Machbarkeit
Bei einer kompletten Abriegelung der Grenzen würde sich darüber hinaus die Frage nach der Machbarkeit stellen. Patrouillen wären denkbar, aber "auch mit noch so viel Personal (…) kann man keine Grenzen schließen", sagt etwa der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek.
Und was passiert mit den Flüchtlingen, die vor den geschlossenen Grenzen stehen? Nach europäischem Recht dürfen sie nicht direkt abgewiesen werden. Sie können zwar in den Staat, über den sie in die EU eingereist sind, zurückgeschickt werden - aber nicht, ohne dass der Fall bearbeitet wurde. "Es handelt sich ganz überwiegend um Menschen, die einen Anspruch haben, in Deutschland und in Europa zumindest angehört zu werden", stellte der Vorstand der Hilfsorganisation Borderline Europe, Elias Bierdel, kürzlich in einem Radiointerview klar.
Gefährlichere Ausweichrouten
Bierdel und viele andere Fachleute sind zudem der festen Überzeugung, dass Grenzschließungen gar nicht den erwünschten Effekt haben. "Das Schließen von Grenzen - das wissen wir auch aus der Migrationsforschung - ist auf gar keinen Fall eine Lösung", sagt Bierdel. "Natürlich finden diese Menschen - beraten oft von sogenannten Schleppern - wieder neue Routen, wieder neue Wege in Richtung auf ihr großes Ziel." Und diese neuen Routen seien mitunter noch gefährlicher als die alten. "Wenn Sie im Dunkeln der Nacht irgendeinen Fluss durchschwimmen müssen, dann ist das eben ein Risiko", sagt Bierdel. Zudem würden auf diese Art Schlepper, die man ja eigentlich bekämpfen will, sogar noch unterstützt.
Stimmung machen - gegen Fremde und gegen Merkel
Zu diesen Einwänden kommt noch, dass Vorschläge wie der Ruf nach einem Grenzzaun nach innen wirken und, wie unter anderem der Kriminalhauptkommissar André Schulz in einem Zeitungskommentar schreibt, fremdenfeindlichen Stimmungen Vorschub leisten.
All diese Argumente kennen sicher auch die Grenzschließungs- und -befestigungsbefürworter. Einigen von ihnen geht es bei ihren Vorstößen wohl schlicht um mediale Aufmerksamkeit, wie GdP-Vize Jörg Radek vermutet.
Der Politikwissenschaftler Carsten Koschmieder von der FU Berlin sieht aber noch andere Motive, solche Vorschläge immer wieder einzubringen, selbst wenn eine Umsetzung unwahrscheinlich ist: "Man hat damit seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, seine Wähler beeindruckt oder auch symbolisch Opposition gegen die Kanzlerin betrieben."
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