Das Ende des Syrien-Konflikts ist ein wichtiger Baustein, um die Flüchtlingskrise in Europa in den Griff zu bekommen – die meisten Asylanträge in Deutschland werden von Syrern gestellt. Russland wird dabei als Verhandlungspartner immer wichtiger. Eine Lösung ohne Moskau scheint kaum noch denkbar.
Für Russlands Präsident
"Putin versucht die Aktivitäten in Syrien dazu zu nutzen, um aus der internationalen Isolation zu kommen, die die Krim-Annexion und der Krieg in der Ostukraine bewirkt haben", erklärt Dr. Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Der Politologe sieht darin eine klare Kosten-Nutzen-Kalkulation: "Im Moment gibt Assad Moskau Prestige, er kann dabei behilflich sein, Putins Rolle gegenüber den USA zu erhöhen." Offenbar mit Erfolg: Kommenden Montag wollen sich US-Präsident Barack Obama und Putin am Rande der UN-Generaldebatte in New York treffen, um über den Syrien-Konflikt zu beraten. US-Verteidigungsminister Ashton Carter schließt eine Kooperation der beiden Länder nicht aus, wenn Moskau eine politische Lösung anstrebe.
Russland will auf Augenhöhe mit den USA verhandeln
Russland hat sein Comeback auf der internationalen Bühne nicht abgewartet, sondern aktiv vorangetrieben. Mit der Stationierung von Soldaten und dem Aufbau eines Luftwaffenstützpunktes an Syriens Mittelmeerküste wurden Fakten geschaffen. Hinter der deutlich verstärkten Unterstützung des syrischen Diktators Baschar al-Assad, einem langjährigen Verbündeten, steckt geopolitisches Kalkül. "Für die USA sind die Ukraine und Europa eher von zweitrangiger Bedeutung. Doch der Nahe Osten und Syrien sind neben China zentral für die US-Außenpolitik", sagt Stefan Meister. "Wenn Russland auf Augenhöhe mit den USA verhandeln möchte, dann muss es in diesen Regionen aktiv werden." Das ist nun passiert.
Zudem sind die Russen überzeugt, dass der Machterhalt des syrischen Diktators die Bedingung für einen Sieg gegen den Islamischen Staat ist. In einem vorab veröffentlichten Interview mit dem US-Fernsehsender CBS sagte Putin, er wolle "Assad retten". Für ihn gebe es "keine andere Lösung der syrischen Krise als eine Stärkung der tatsächlichen Regierungsstrukturen und Hilfe für sie, um den Terrorismus zu bekämpfen".
Wladimir Putin: "Flüchtlingskrise war vorhersehbar"
Insofern ist die Flüchtlingskrise für Russland ein gefundener Anlass. Moskau kann damit seine weltpolitische Bedeutung testen. Ohne die russische Unterstützung in Syrien wäre die Lage "noch schlimmer und es gäbe noch mehr Flüchtlinge", behauptete Putin kürzlich auf einem Gipfeltreffen in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe – und erklärte die Krise für "absolut vorhersehbar". Seine Begründung? Die westliche Interventionspolitik im Nahen Osten und die Destabilisierung der Region durch die USA.
Das Machtvakuum versucht Russland nun auszufüllen. Wobei noch offen ist, ob es Luftangriffe, eine Bodenoffensive oder nur logistische Unterstützung und militärische Beratung für Assad geben wird. Für Stefan Meister ein taktisches Manöver: "Indem die russische Führung keine Klarheit über ihre Ziele und den Umfang des Einsatzes schafft, erhöht sie die Aufmerksamkeit auf westlicher Seite für ihre Aktivitäten. Das verbessert die russische Verhandlungsposition, ohne dass Moskau in vollem Umfang tätig werden muss." Allerdings ist man sich auch in der US-geführten Koalition noch uneins, ob und wie Russland in Luftangriffe eingebunden werden könnte. Ein getrenntes Vorgehen gegen den IS wäre aber vermutlich weniger effektiv.
So oder so hat der größte Flächenstaat der Erde wieder an Gewicht gewonnen. Selbst Angela Merkel schließt Gespräche mit Assad zur Lösung der Syrien-Krise nicht mehr aus. Assad als Teil der Lösung – darauf beharrte bisher vor allem Wladimir Putin. Dass es ohne Russland keinen Frieden geben wird, daran hegt der russische Präsident sowieso keinen Zweifel. Und auch im Westen wird seine Position allmählich stärker.
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