Mehr als 100.000 Asylanträge wurden allein im August in Deutschland gestellt. Wie das Leben der Flüchtlinge nach ihrer Ankunft weitergeht, können sie erst einmal nicht selbst bestimmen. Bis zu einem normalen Alltag kann es lange dauern. Aber was passiert mit all den Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben zu uns kommen? Wir zeichnen den typischen Weg eines Asylbewerbers nach.
Ankunft und Registrierung
Wer in Deutschland nicht als illegal gelten will, muss sich nach der Einreise einer Behörde, zum Beispiel der Polizei, als asylsuchend zu erkennen geben. Die Flüchtlinge werden dann an die nächstgelegene Erstaufnahmeeinrichtung verwiesen.
Am Münchner Hauptbahnhof beispielsweise haben allein am Sonntag mehr als 10.000 Flüchtlinge deutschen Boden betreten. Eigentlich war der Plan, sie im Starnberger Flügel des Gebäudes zu registrieren, also ihre Personalien aufzunehmen. Dann sollten sie mit Bussen in die Aufnahmelager in Bayern gebracht werden. Wegen des großen Andrangs setzten die Behörden die Registrierung allerdings aus.
Verteilung in Erstaufnahmeeinrichtungen
Normalerweise wird nach der Registrierung mithilfe des Computerprogramms EASY (Erstverteilung von Asylbegehrenden) ermittelt, wo in Deutschland gerade Kapazitäten frei sind. Welches Bundesland wie viele Flüchtlinge aufnimmt, bestimmt der Königsteiner Schlüssel. Dabei werden Steueraufkommen und Bevölkerungszahl berücksichtigt: Nordrhein-Westfalen muss demnach beispielsweise 21 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen, Bayern 15 Prozent, Sachsen 5 Prozent und Bremen 1 Prozent.
EASY braucht rund 20 Minuten für die Verarbeitung der Daten eines Asylbewerbers. In München hätte das in den vergangenen Tagen schlicht zu lange Wartezeiten verursacht. Also konnten einige Flüchtlinge einfach auf eigene Faust weiterreisen. Laut den bayerischen Behörden kein Problem: Sie würden eine Unterkunft aufsuchen und sich dort erfassen lassen, meinte Oberbayerns Regierungspräsident Christoph Hillenbrand.
Normalerweise können sich die Flüchtlinge aber nicht aussuchen, wo sie in Deutschland bleiben. Eine Ausnahme gilt im Rahmen der Familienzusammenführung - wenn Ehepartner oder minderjährige Kinder bereits an einem Ort untergebracht sind.
Wo wohnen die Flüchtlinge?
Zunächst einmal in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder. Wegen der stark gestiegenen Zahl der Ankömmlinge sind dies vielerorts Notunterkünfte - Zeltstädte oder eben Baumärkte wie in Heidenau. Dort leben die Flüchtlinge in der Regel für die ersten drei Monate, danach werden sie meist in Gemeinschaftsunterkünften der Städte und Gemeinden untergebracht, ebenfalls nach einer bestimmten Quote. Ihr Aufenthaltsrecht gilt für die Dauer des Asylverfahrens. In den drei Monaten sind sie übrigens auch an die Residenzpflicht gebunden: Erst danach dürfen sich Asylbewerber frei in Deutschland bewegen. Sozialleistungen erhalten sie allerdings nur an ihrem Wohnort.
Das Asylverfahren
In der Aufnahmeeinrichtung können die Flüchtlinge nun ihren Asylantrag an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellen. Durchschnittlich dauert das Verfahren derzeit etwas über fünf Monate, teilte das Bundesamt jüngst mit. Ein Drittel aller Anträge wird gar nicht inhaltlich geprüft, sondern aus formalen Gründen abgewiesen – etwa, weil nach der Dublin-Verordnung ein anderer Staat zuständig ist. Wenn inhaltlich geprüft wird, liegt die Anerkennungsquote bei rund 50 Prozent.
Entscheidend ist die mündliche Anhörung, in der der Flüchtling die Gründe für seinen Asylantrag vorträgt. Hauptsächlich auf dieser Grundlage wird der Antrag abgelehnt oder bewilligt. Es gibt drei Arten von Schutz: "klassisches" Asyl für politisch Verfolgte; Asyl nach der Genfer Konvention aus Furcht vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität; oder der subsidiäre Schutz, wenn dem Flüchtling "ernsthafter Schaden" in seinem Heimatland droht. Dieser Schutz gilt zunächst für ein Jahr, kann allerdings verlängert werden.
Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, die bei Wegfall der Asylgründe widerrufen werden kann. Ist das nicht der Fall, kann nach Ablauf der drei Jahre eine Niederlassungserlaubnis gewährt werden – die ist dann endgültig.
Wovon leben Asylbewerber?
In jedem Fall gilt: Die grundlegenden Bedürfnisse wie Nahrung, Wohnung, Kleidung, Hygiene sollen sichergestellt werden, ebenso die medizinische Versorgung. Darin entspricht das Asylbewerberleistungsgesetz den "Hilfen zum Lebensunterhalt" im Hartz-IV-System.
Asylbewerber erhalten ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse. Die Höhe hängt davon ab, wo und wie der Asylbewerber lebt. In der Erstaufnahme bekommt ein alleinstehender Erwachsener 143 Euro im Monat, bei Paaren sind es je 129 Euro, für Kinder unter sechs Jahren gibt es 84 Euro. Weil in den Folgeunterkünften meist kein Essen mehr gestellt wird, erhöht sich der Betrag auf 359 Euro. Für die Erstausstattung mit Haushaltsartikeln erhalten die Asylbewerber Gutscheine mit Maximalbetrag und Angabe der geförderten Gegenstände – darunter fallen nach Beschluss des Bundessozialgerichts weder Computer noch Fernseher.
Wenn die Menschen einen positiven Asylbescheid erhalten oder 15 Monate in Deutschland leben, haben sie im Bedarfsfall Anrecht auf dieselben Leistungen wie Hartz-IV-Empfänger: 399 Euro für Alleinstehende plus die Kosten für die Wohnung.
Dürfen Asylbewerber arbeiten?
In den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes dürfen Asylbewerber nicht arbeiten, in ihren Papieren steht der Hinweis "Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Eine Ausnahme gibt es nur für 1-Euro-Jobs bei öffentlichen und gemeinnützigen Stellen.
Ab dem vierten Monat gilt ein beschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt, solange das Asylverfahren läuft. Die Arbeitserlaubnis muss bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden. Sie wird nur erteilt, wenn die Stelle nicht von einem Deutschen, einem EU-Ausländer oder einem anerkannten Flüchtling besetzt werden kann. Die uneingeschränkte Arbeitserlaubnis gibt es erst mit einem positiven Asylbescheid oder, wenn man von den Behörden als "geduldet" eingestuft wurde, nach vier Jahren Aufenthalt in Deutschland.
Was, wenn der Asylantrag abgewiesen wird?
Die Betroffenen sind dann ausreisepflichtig. Meistens haben sie einen Monat Zeit. Verlassen sie Deutschland nicht freiwillig, droht ihnen die Abschiebung. Wenn die Menschen nicht reisefähig sind oder ihnen Papiere fehlen, werden sie bis zur Abschiebung geduldet – dies gilt jeweils nur für ein halbes Jahr und kann ständig widerrufen werden. Die Zahl der Geduldeten beziffert Pro Asyl derzeit auf 88.000, einige leben schon über zehn Jahre in diesem unsicheren Zustand. Sie unterliegen der Residenzpflicht.
Bis zum September wurden in diesem Jahr schon 10.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben, die meisten stammten vom Balkan. Bis zur Jahreshälfte reisten über 12.000 Menschen freiwillig aus.
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