Dass Markus Söder fürs Erste an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger festhält, stößt bei den Grünen in Bayern auf Kritik. Sie sehen Bayerns Ruf durch die Affäre um angebliche antisemitische Flugblätter des Freie-Wähler-Chefs in Gefahr. Dem Ministerpräsidenten werfen sie derweil vor, nicht die Verantwortung zu übernehmen.
Die Grünen in Bayern sehen das Ansehen Bayerns durch die Flugblatt-Affäre um Freie-Wähler-Chef
Auch die Ankündigung Söders, dass Aiwanger sich nun in einem Fragebogen zu der Affäre schriftlich äußern soll, kritisierte das Grünen-Spitzenduo. "Söder duckt sich weg", sagte
Katharina Schulze und Ludwig Hartmann: CSU muss Fragenkatalog öffentlich machen
Weiter kritisiert Hartmann, dass die Opposition auf die Fragen, die Markus Söder seinem Stellvertreter stellen will, "keinen Einfluss nehmen" könne. "Wir fordern aber, dass der Fragenkatalog und Aiwangers Antworten offengelegt werden." Die Bürger im Freistaat hätten ein Recht "auf lückenlose Aufklärung der Vorwürfe. Das sind längst keine Koalitions-Interna mehr."
Wie Hartmann erklärte, sei man sich mit SPD und FDP bereits einig, eine Sondersitzung des bayerischen Landtages einzuberufen. Bei diesem Zwischenausschuss werde man "einen Entschließungsantrag einreichen und seine Entlassung fordern", sagte Hartmann in Bezug auf Aiwanger. "Wenn Markus Söder sich aus der Verantwortung stiehlt, wenn er nicht den Mumm hat, Konsequenzen zu ziehen, dann geben wir die Verantwortung an das Parlament."
Aktuell befindet sich der Landtag in Bayern in der Sommerpause. Der sogenannte Zwischenausschuss dient im Landtag "zur Wahrung seiner Rechte gegenüber der Staatsregierung und zur Behandlung dringlicher Staatsangelegenheiten für die Zeit außerhalb der Tagung", wie es auf der Webseite des bayerischen Parlaments heißt. In Bayern fasst er 51 Mitglieder sowie 51 stellvertretende Mitglieder.
Söder hält vorerst an Aiwanger fest
Hintergrund ist die Affäre um antisemitische Flugblätter, die Hubert Aiwanger in den 1980er-Jahren geschrieben haben soll. Ein entsprechender Bericht wurde am Samstag von der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlicht. Aiwanger wies die Anschuldigungen von sich, gab aber am Wochenende zu, dass "ein oder wenige Exemplare" des Flugblattes damals in seinem Besitz gefunden worden waren. Wenig später erklärte Aiwangers Bruder, der Verfasser des Schreibens zu sein.
Söder hatte das Flugblatt am Wochenende als "menschenverachtend, geradezu eklig" bezeichnet. Wie die Regierungskoalition mit den Vorwürfen genau umgehen wird, war aber zunächst unklar. Für Dienstag hatte Söder eine Sondersitzung des Koalitionsausschusses einberufen, in der sich Aiwanger erklären sollte. Bei einer anschließenden Pressekonferenz verurteilte Söder das Schreiben erneut.
Gleichzeitig erklärte er, zunächst weiter an Aiwanger festzuhalten. Aiwanger aktuell zu entlassen, sei laut Söder nicht angemessen, da in der Affäre noch viele Fragen offen seien. Unter anderem sprach er davon, dass sich die "Süddeutsche Zeitung" bislang lediglich auf anonyme Quellen berufe. Freie-Wähler-Chef Aiwanger soll nun einen Katalog aus 25 Fragen schriftlich beantworten. Erst danach wolle man eine abschließende Entscheidung treffen, sagte Söder.
Aiwanger ist das politische Aushängeschild der Freien Wähler
Die Affäre ist sowohl für die Freien Wählern als auch für Söder und die CSU politischer Sprengstoff. Am 8. Oktober wählt Bayern einen neuen Landtag. Söders ausgewiesenes Ziel ist es bislang, die Koalition aus CSU und Freien Wählern fortzusetzen.
Aiwanger ist das stärkste politische Zugpferd und das Aushängeschild der Freien Wähler. Sollte er tatsächlich über die Affäre seinen Posten räumen müssen, könnte das die Partei in den Umfragen deutlich nach hinten werfen und dadurch eventuell eine Fortsetzung der Koalition verhindern.
Söder betonte nach dem Koalitionsausschuss auch: „Die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern als Ganzes hat sich bewährt und ist gut, und wir wollen sie auch fortsetzen. Es gibt auch keinen Anlass, etwas an der Zusammenarbeit zu ändern.“
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