Vier Tage vor Sommerbeginn und bei 22 Grad feierte die FPÖ am 17. Juni ihren "Patriotischen Frühling". Wohl auch ein symbolischer Frühling: Die Rechten sind in ihrer Blütezeit.
In sämtlichen Umfragen zur Nationalratswahl liegt die FPÖ auf Platz 1, ihrem Präsidentschaftskandidaten
Nicht nur in Österreich sind die Rechten im Aufschwung.
Auch in Frankreich, wo 2017 ein neuer Präsident gewählt wird, hat die Rechtspartei "Front National" gute Chancen auf einen Sieg. In Deutschland steht die Alternative für Deutschland in Umfragen auf 15 Prozent, auch die italienischen und die belgischen Rechten dürften bei den nächsten Wahlen dazugewinnen. Und währenddessen will das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union austreten. Die FPÖ lädt also nicht umsonst zum Fest ein.
Beziehungspflege unter Rechten
In Vösendorf treffen sich nicht nur die FPÖ und ihre Anhänger, sondern auch die Rechten Europas. Nach einstündigem "Warmmachen" mit der John Otti Band werden die zahlreichen Politiker mit großem Pathos empfangen. Angekündigt werden sie als jene, die "gegen die Zentralisierung Europas kämpfen". Flaggen wehen. Österreichisch, deutsch, britisch, sogar tirolerisch – aber keine EU-Fahne ist im Saal zu sehen.
Die Einleitung macht Harald Vilimsky, Spitzenkandidat der FPÖ bei den EU-Wahlen 2014. Nur kurz spricht er über Politik. Die europäische Politik solle nicht den "Großkonzernen", sondern der "heimischen Landwirtschaft" nutzen. Aber nach wenigen Schlagworten wie diesen stellt Vilimsky die heutigen Gäste vor. Sie kommen aus neun verschiedenen Ländern. Es ist, paradoxerweise, auch eine europäische Veranstaltung.
"Patrioten" unter sich
Europäisch, aber nicht pro-europäisch. In einer Diskussionsrunde besprechen die Politiker der osteuropäischen Rechten die aktuellen Entwicklungen in Europa. Laurenţiu Rebega, der rumänische Vertreter der ENF, spricht von der wachsenden Europaskepsis der Rumänen, die sich in den letzten Jahren etabliert habe.
Tonio Okamura, halb Tscheche, halb Japaner, spricht vom Widerspruch zwischen Zentralisierung und direkter Demokratie. Michał Marusik aus Polen wird im Ton härter und meint, Europa dürfe sich nicht von Einwanderern "das Blut aussaugen" lassen. Und Lorenzo Fontana aus Italien beschwört das "Europa der Tradition, der Identität".
Nach der Runde der Osteuropäer kommt Markus Pretzell von der Alternative für Deutschland auf die Bühne. Es gibt tosenden Applaus. "Und jetzt stellen Sie sich vor, sie müssten ein Land lieben, das von Angela Merkel regiert wird. Ein deutscher Patriot liebt, was Deutschland einmal war. Er liebt, was Deutschland einmal sein könnte. Aber er weint um den Zustand, in dem sich Europa gerade befindet."
Er spricht davon, dass 50 Prozent der in Deutschland lebenden Türken die Scharia über das Wertesystem stellen würden. Und: Die Patrioten seien eine Drohung und ein Versprechen an Juncker, Schulz und das "EU-Establishment".
"Unsere Länder", so Fontana, "haben gemeinsam gegen die Türken gekämpft". Kein Mensch dürfe illegal nach Europa kommen. Und wenn man komme, müsse sich integrieren – dazu gehöre es, keine "Moscheen zu wollen".
Gernot Annemans betont die langjährige Freundschaft zwischen Vlaams Belang und FPÖ. Es mache ihn stolz, dass die FPÖ so stark geworden sei. "Wir sind alle Parteien, die einen besonderen Weg gehen".
Die neuen Rechten
Zu viel wird den Zuschauern nicht zugemutet. Denn zwischendurch wird ausgeatmet. Es gibt Musik, Shows, "Schuachplattler". Dennoch ist die Veranstaltung im Kern hochpolitisch. Immer wieder wird die "Zusammenarbeit trotz Souveränität" beschworen, "Brüssel" als "Diktatur" bezeichnet. Und dann wird wieder schuachplattlt.
Es ist ein merkwürdiger Kontrast. Die möglicherweise gefährlichste Bewegung Europas trifft sich, um zu trinken, zu lachen, zu tanzen – und Europa zu hassen. Die Gäste genießen die Reisefreizügigkeit und reisen auf Kosten europäischer Fördergelder, um in Bierzeltatmosphäre gegen das Establishment und ihre nationalen Regierungen anzureden. Belohnt wird das mit Applaus – und mit Wählerstimmen.
Die Grande Madame der Rechten
Und apropos Wählerstimmen: Der letzte ausländische Gast ist Marine Le Pen. 2017 wird sie zur Präsidentschaftswahl in Frankreich antreten, Umfragen prognostizieren ihr gute Chancen. Schon 2014 wurde ihr "Front National" bei den EU-Wahlen stärkste Partei. Und an diesem Abend, in der Pyramide Vösendorf, zeigt sie, warum.
Le Pen ist Rechtspopulismus par excellence. Den Spagat zwischen links und rechts, der oft auch der FPÖ zugesprochen wird, hat sie perfektioniert. Schnell spricht sie die klassisch rechten Themen Europas an. Souveränitätsverlust. Bürokratiewut. "Verschwinden der Völker". Aber dann klingt Le Pen teilweise, als wäre sie eine sozialdemokratische Kandidatin.
TTIP und die europäische Sparpolitik lehnt sie ab. Mit den Arbeitern und Angestellten solidarisiert sie sich, da die Regierungen Europas nicht mehr auf sie hören könnten. Die momentane EU schüre einen Wettbewerb darüber, wer die niedrigsten sozialen Standards habe. Und die Konzerne und die Union seien schuld an allem.
Die Stimmung, die am Ende von Le Pens (untertitelgestützter) Rede ausbricht, ist unglaublich. So oft Norbert Hofers NLP-geschulter Stil im Wahlkampf gelobt wurde – das ist eine ganz andere Liga.
Zukunft rechtes Europa
Das zeigt sich auch am Vergleich zur nächsten Rede: Erst am Ende der Veranstaltung meldet sich FPÖ-Chef Strache zu Wort. Die Wahlanfechtung der eigenen Partei erwähnt er nur beiläufig – vielmehr schlachtet er das 50-Prozent-Ergebnis noch einmal aus. "Alleine gegen das System" nennt Strache das, was bei der Präsidentschaftswahl passiert ist.
Die Stimmung im Saal wird allerdings immer unruhiger. Strache kann die Mengen mit seinen bekannten Inhalten nicht so begeistern wie Le Pen – auch, wenn ihm der Applaus natürlich sicher ist.
Was sich an diesem Abend, der oberflächlich betrachtet nur eine Parteifeier war, zeigt: Die Rechten sind angekommen. Und sie sind gekommen, um zu bleiben. An Abenden wie diesen schnappt man auch als außenstehender Zuseher die Stimmung auf und merkt, welchen nationalistischen Pathos die neuen Bewegungen wecken können.
Auch Strache gibt sich optimistisch: Er geht nicht nur von einem Wahlsieg 2018, sondern auch von zahlreichen Amtskollegen aus. Seinen Kollegen wünscht er alles Gute für die nächsten Jahre – und es scheint, als wären die Rechten nur schwer aufzuhalten.
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