Fußball kann die Stimmung im Land aufhellen, darin ist sich die deutsche Spitzenpolitik einig. Die Probleme löse das aber nicht, kritisieren Politiker von Union, Linken und BSW.
Die Europameisterschaft im eigenen Land könnte, wenn die Stimmung so gut wäre wie 2006, ein Zeichen des Friedens sein. So fasst es Außenministerin
Baerbock ist nicht die Einzige, die mit Blick auf das sogenannte Sommermärchen, wie die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 auch genannt wird, Hoffnung für die EM im eigenen Land hat. Die Stimmung ist angespannt. Bei der Europawahl hat die Rechtsaußen-AfD abgestaubt. Besonders im Osten, aber auch im Rest der Republik. Die Regierungsparteien hingegen wurden abgestraft.
Die WM 2006 gilt als Stimmungsaufheller. Dabei war die gesellschaftliche Stimmung in der Mitte der Nullerjahre mit Massenarbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Stillstand ebenfalls nicht gerade super.
Was würde ein Sommermärchen 2.0 bringen? Wie viel Schwarz-Rot-Gold-Euphorie ist in Zeiten einer starken AfD in Ordnung? Unsere Redaktion hat bei Deutschlands Spitzenpolitik nachgefragt.
Hendrik Wüst freut sich auf ein Farbenmeer
Beim Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen,
Letztlich gehe es darum, die Nationalmannschaft anzufeuern – da sei "jede Menge Schwarz-Rot-Gold-Euphorie willkommen". Es sei außerdem toll zu sehen, dass sich das Verhältnis der Gesellschaft gegenüber den Nationalfarben seit der WM 2006 entspannt habe.
Wüst kann sich gut an das Sommermärchen erinnert. "Das war schon eine ganz besondere Atmosphäre", erklärt er. Ein Fußballturnier löse Probleme nicht in Luft auf, aber es bringe die Menschen zusammen und schaffe Momente der Leichtigkeit. Fußball habe eine besondere Wirkung: "Die Menschen liegen sich plötzlich in den Armen, sie feiern gemeinsam, sie leiden gemeinsam – ganz egal welche Herkunft sie haben, ob jung oder alt, arm oder reich."
Dorothee Bärs Geburtstagswunsch: Fußballtrikots
Für CSU-Politikerin
Sie sagt: "Schwarz-Rot-Gold sind die Farben unseres Landes, unserer Demokratie. Dafür sollten diese Farben stehen und für nichts anderes. Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese Farben von den Falschen missbraucht werden."
Das Sommermärchen habe bewiesen, dass Fußball die Stimmung im Land zum Positiven beeinflussen kann. Bär würde sich dieses Gemeinschaftsgefühl auch für das anstehende Turnier wünschen. "Gleichzeitig ist es eine gute Gelegenheit, als Europäer zusammenzukommen und unsere gemeinsamen Werte zu leben."
Die CSU-Politikerin selbst werde während der EM zum Nationaltrikot greifen. Diese habe sie sich extra von ihrer Familie zum Geburtstag gewünscht. "Begeistert bin ich vor allem von unserem pink-lila Auswärtstrikot. Genau meine Farben", schwärmt Bär. Die Politikerin sagt, sie freue sich auf die EM und viele spannende Spiele. "Und unserer Mannschaft wünsche ich natürlich nicht weniger als den Sieg!"
Armin Laschet setzt auf Fußball als verbindendes Element
Auch er geht davon aus, dass Fußball in der Lage sein könnte, die Stimmung im Land positiv zu beeinflussen. Eine erfolgreiche Nationalelf könne Optimismus fördern. "In schwierigen Zeiten kann der Fußball als verbindendes Element emotional begeistern." Er merkt aber auch an, dass schlechte Politik nicht durch Fußball wett gemacht werden könne. Er selbst will bei den Spielen maximal auf einen Fan-Schal zurückgreifen.
Bärbel Bas wünscht sich Fairplay auf und neben dem Platz
Auch für Bundestagspräsidentin
Ein Sieg der Nationalelf könnte der Stimmung einen ordentlichen Schub geben. "Vom Fußball", meint Bas, "können wir lernen, uns noch stärker gegenseitig zu unterstützen." Mit einer solchen Einstellung käme Deutschland auch durch schwierige Phasen.
Omid Nouripour ist bereits in Fan-Farben gewandet
Die Vorfreude auf diese EM, meint Grünen-Chef
"Fußball löst Herausforderungen wie den Modernisierungsstau dieses Landes nicht auf, dafür ist die Politik zuständig", räumt der Grünen-Vorsitzende ein. Aber eine EM im eigenen Land mit hoffentlich vielen Erfolgen für die Nationalmannschaft könne für gute Laune und Gemeinschaft sorgen.
Bijan Djir-Sarai will Feierstimmung im ganzen Land
Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der FDP, ist überzeugt, dass die EM ein guter Anlass ist, um "unsere offene und demokratische Nation und die Freundschaft mit unseren europäischen Nachbarn zu feiern". Es sei schön, wenn sich Menschen für Deutschland und die toleranten und freiheitlichen Werte, die es verkörpert, begeistern.
"Ich drücke unserer Nationalelf die Daumen und hoffe, dass sich viele Menschen von der guten Stimmung anstecken lassen", fasst der FDP-General zusammen.
Sahra Wagenknecht will auf Fanartikel verzichten
BSW-Gründerin und Parteivorsitzende
Wagenknecht selbst wird wohl nicht im Fan-Outfit zu sehen sein. "Ich trage im Sommer selten Schals. Und Mützen sind auch nicht so mein Ding."
Janine Wissler bleibt beim Eintracht-Trikot
Linken-Chefin Janine Wissler wird nicht in Nationaltrikot zu sehen sein. Sie sei Eintracht-Fan und habe Eintracht-Trikot und -Schal, das reiche ihr. Sie räumt aber ein, mit dem neuen Auswärtsshirt des DFB-Teams zu liebäugeln. "Allerdings kostet so ein T-Shirt fast 100 Euro! Das ist Wahnsinn!", sagt sie und verweist darauf, dass die schlecht bezahlten Näherinnen in Asien von diesem Geld nichts sehen würden.
Generell, stellt die Linken-Chefin klar, sollte jede und jeder sein Team anfeuern dürfen. "Ich finde es wichtig, dass das ohne nationalistische Überhöhung passiert und Menschen nicht aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe ausgrenzt oder gar anfeindet werden."
Wie andere ist auch Wissler davon überzeugt, dass ein EM-Titel zumindest kurzfristig die Stimmung aufhellen, die Probleme im Land aber nicht wegwischen werde. "Die soziale Spaltung kann man so kurz übertünchen, aber die Armen bleiben trotzdem arm, während die Reichen immer reicher werden." Statt auf Fußball zu bauen, müsse die Stimmung mit guter Politik verbessert werden.
Gregor Gysi hofft, dass ein erfolgreiches Team die Herzen öffnen kann
"Das Sommermärchen 2006 hat gezeigt, wie groß eine solche Euphorie werden kann, wenn sie mit Toleranz und Respekt gegenüber den anderen Mannschaften und ihren Anhängerinnen und Anhängern verbunden ist", sagt Linken-Politiker Gregor Gysi. Ob sich diese Wirkung 18 Jahre später wiederholen lasse, werde sich zeigen.
Aber auch, wenn Fußball einiges verändern könne – eine gesellschaftliche Grundstimmung und den Zeitgeist könne der Sport aus Sicht Gysis nicht verwandeln. Beides sei aber nicht mit 2006 vergleichbar. "Ich hoffe dennoch, dass spannende und erfolgreiche Spiele der DFB-Elf die Herzen wieder ein bisschen öffnen können." Fanartikel brauche er nicht, um in Stimmung zu kommen.
Verwendete Quellen
- Anfragen an Hendrik Wüst, Dorothee Bär, Armin Laschet, Bärbel Bas, Omid Nouripour, Bijan Djir-Sarai, Sahra Wagenknecht, Janine Wissler und Gregor Gysi
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