Die Menschen würden den dunkelhäutigen Fußball-Star Jérôme Boateng nicht als Nachbarn haben wollen. Mit dieser Behauptung hat AfD-Vize Alexander Gauland einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Gaulands Worte in der Analyse.
Er ist Sohn einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters, ein Fußball-Star, ein gläubiger Christ, ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Aber für
"Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben", sagte Gauland zwei Reportern der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).
Die Empörung über Gaulands Worte war groß. Bundeskanzlerin
Experte: AfD nutzt EM, um Anhänger anzusprechen
In den vergangenen Monaten punktete die AfD bei ihren Wählern vor allem mit einem Thema: Sorgen vor der Überfremdung Deutschlands durch die Flüchtlinge sowie die Angst vor radikalen Dschihadisten in Deutschland.
Gegen gut integrierte Migranten und Ausländer sei nichts einzuwenden, betonte die AfD-Spitze immer wieder. Diese Aussagen hat Alexander Gauland nun mit seinem Boateng-Bashing ad absurdum geführt. Der Innenverteidiger von Bayern München ist in Deutschland geboren, aufgewachsen und vorbildlich integriert. Das einzige, was ihn wohl nach Gauland-Lesart von "den Leuten" (also den Deutschen) unterscheidet ist seine Hautfarbe.
Aus diesem Grund wollen "die Leute" Boateng, folgt man Gauland, auch nicht als Nachbarn haben. Nur weil er eben etwas dunkelhäutiger daherkommt als der Durchschnitt der Bevölkerung. "Einfach nur rassistisch" nannte das die Frankfurter Rundschau.
Auch die NPD hetzte gegen DFB-Fußballer
Etwas vorsichtiger äußert sich Prof. Martin Emmer vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin. "Man sollte den Kontext der Äußerungen, den wir nicht kennen, und die Form des Interviews - ein Hintergrundgespräch zwischen einem Politiker und Journalisten - in die Beurteilung der Aussagen einbeziehen", sagt Emmer im Gespräch mit unserer Redaktion.
Der Leiter der Arbeitsstelle Mediennutzung hält es nicht für hilfreich, die Worte nur als rassistisch abzustempeln. "Die AfD versucht mit solchen Aussagen die EM zu nutzen, um mit zugespitzten Aussagen ihre Anhänger anzusprechen", vermutet Emmer.
In der Vergangenheit war es die rechtsextreme NPD, die durch eine Hetzkampagne gegen die dunkelhäutigen Ex-Nationalspieler Patrick Owomoyela und Gerald Asamoah unangenehm aufgefallen war. Und die damit den Fußball missbrauchte, um ihre menschenfeindliche Weltanschauung unters Volk zu bringen.
AfD-Anspruch: Für die ganze Bevölkerung sprechen
Zudem passt Gaulands Rhetorik zum Volksvertretungsanspruch, den die AfD und ihre Anhänger so gerne für sich reklamieren. Man vertrete die "wahren Interessen" der deutschen Bevölkerung, man spreche für die schweigende, eingeschüchterte oder von den Medien manipulierte Mehrheit.
"Den Anspruch, für die ganze Bevölkerung zu sprechen, findet man bei vielen Politikern, nicht nur bei der AfD", erklärt Experte Emmer. "Damit will man seinen Aussagen besondere Legitimität verleihen".
Nur sei das im Fall Boateng ein Trugschluss. Vermutlich hätten die meisten Leute überhaupt kein Problem mit einen Nachbarn Boateng: Sie wären eher stolz neben einem Fußball-Promi zu leben.
Gefahr von Aussagen á la Gauland
Zugleich kann Gauland seine eigenen Ressentiments gegen Fremde verschleiern. Indem er nicht "ich" sagt, sondern sich auf "die Leute" bezieht. Die Aussage klingt so weniger radikal.
Doch der Bezug auf die angebliche Mehrheit - letztlich eine Verdrehung der Realität - hat auch etwas Gefährliches an sich: Gerade rechte Extremisten fühlen sich durch den angeblichen Volkswillen, der Fremde ablehnt, immer wieder zu Gewalttaten gegen sie ermuntert. Dies verleiht auch ihnen Legitimität und senkt ihre Gewaltschwelle.
Die Abwegigkeit von Gaulands Aussagen hat letztlich auch Frauke Petry schnell erkannt. "Jérôme Boateng ist ein Klasse-Fußballer und zu Recht Teil der deutschen Nationalmannschaft. Ich freue mich auf die EM", schrieb die Parteivorsitzende auf Twitter.
Gauland selbst behauptet, er sei von den Journalisten falsch wiedergegeben worden. Er kenne sich mit Fußball überhaupt nicht aus.
Damit hat er ausnahmeweise mal Recht.
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