Könnte die gesetzliche Krankenversicherung bis 2030 deutlich teurer werden? Vor diesem Szenario warnt der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, in einem Interview. Welche Gegenmaßnahmen die "explodierenden Preisen" einer Einschätzung nach bremsen könnten.
In der gesetzlichen Krankenversicherung droht nach Einschätzung der Techniker Krankenkasse (TK) eine Erhöhung der Sätze auf bis zu 20 Prozent bis zum Ende des Jahrzehnts. Anfang kommenden Jahres werde es bereits "auf breiter Front deutliche Beitragssatzsteigerungen in der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung" geben, sagte der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Donnerstag. Das Gesundheitsministerium wollte keine direkten Aussagen zur Beitragsentwicklung machen - gab aber an, an einer nachhaltigen Finanzierung zu arbeiten.
Bis zu 0,6 Prozentpunkte mehr im kommenden Jahr seien "absolut realistisch", sagte Baas weiter. Dadurch werde dann im Schnitt ein Beitrag von fast 17 Prozent erreicht. "Das galt noch vor ein paar Jahren als eine völlig abstruse Größenordnung." Doch der Anstieg werde sich weiter fortsetzen: "Wir bewegen uns bis zum Ende des Jahrzehnts ungebremst auf einen Beitragssatz von 20 Prozent zu - wenn es keine Gegenmaßnahmen gibt."
Aktueller Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung bei 14,6 Prozent
Der allgemeine Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung liegt derzeit bei 14,6 Prozent der Einkünfte. Hinzu kommt der von der Kasse abhängige Zusatzbeitrag. Er liegt laut Bundesgesundheitsministerium im Schnitt dieses Jahr bei 1,7 Prozent.
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Der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse gab Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Mitschuld an den steigenden Ausgaben. Baas forderte den Minister auf, für eine Stabilisierung der Kassenfinanzen zu sorgen.
"Die Politik kann nicht immer nur Gesetze machen, die zu höheren Ausgaben führen", sagte der TK-Chef. "Es muss endlich auch darum gehen, wie wir die steigenden Kosten in den Griff bekommen."
Der TK-Chef warnte vor allem vor steigenden Kosten für Medikamente. "Die Preise für neue Arzneimittel explodieren geradezu", sagte er. So lägen die Kosten für neue Gentherapeutika mittlerweile im Millionenbereich pro Behandlung. "Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden wir uns gute Medikamente einfach nicht mehr leisten können. Das darf nicht passieren."
Baas forderte, die Preisverhandlungen der Kassen mit der Pharmaindustrie zu reformieren. Nötig seien Preise, die sich an den tatsächlichen Forschungs- und Herstellungskosten orientierten. Japan gehe diesen Weg und auch in den USA sei geplant, dass die Hersteller diese Kosten offenlegen müssten. "Pharmafirmen sollen an innovativen Therapien gut verdienen", sagte Baas. "Aber die Preise müssen fair sein und bezahlbar bleiben."
Gesundheitsfachleute legen durchschnittlichen Zusatzbetrag fest
Es werde aktuell eine "sehr dynamische Ausgabenentwicklung in der GKV" beobachtet, teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage mit. In welchem Maße diese mit Anhebungen der Zusatzbeitragssätze einhergehen würden, sei jedoch erst im Herbst auf Basis der GKV-Schätzerkreisprognose absehbar.
Was ist der GKV-Schätzerkreis?
- Der GKV-Schätzerkreis (GKV = Gesetzliche Krankenversicherung) – bestehend aus Expertinnen und Experten des Gesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbandes – schätzt immer im Oktober die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Auf Basis der Schätzung legt das Gesundheitsministerium dann den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für das Folgejahr fest.
Das Ministerium betonte weiter, die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung "fest im Blick" zu haben. Es werde kontinuierlich daran gearbeitet, "die solidarische Finanzierung von medizinischen Versorgungsleistungen auf höchstem Niveau auch in Zukunft nachhaltig und stabil finanzierbar zu erhalten".
Dafür werde an der Umsetzung verschiedener Reformmaßnahmen gearbeitet, "die die Effizienz der Versorgung langfristig stärken sollen". Genannt wurden unter anderem Maßnahmen zur stärkeren Digitalisierung und zum Umbau der Krankenhauskapazitäten. Diese sollen demnach "langfristig zu einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis" führen. (AFP/tar)
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